"Durchwachsene Bilanz nach exakt zehn Jahren PISA-Debatte"
(Berlin) - Am 4. Dezember jährt es sich zum zehnten Mal, dass die ersten Ergebnisse des PISA-Tests veröffentlicht wurden. Der Deutsche Lehrerverband (DL) zieht eine "durchwachsene Bilanz". Verbandspräsident Josef Kraus sagte dazu wörtlich:
"Es war gut und überfällig, dass das Thema Bildung unter anderem durch die PISA-Debatte wieder in die Schlagzeilen und auf vordere Plätze der politischen Tagesordnung kam. Positiv ist auch, dass die 16 deutschen Länder via Kultusministerkonferenz dynamischer als zuvor zu Einigungen kamen, beispielsweise bei der Festlegung von Standards. Dass 15 deutsche Länder mittlerweile ein Zentralabitur haben, gehört ebenfalls zu den positiven Folgen der PISA-Debatte.
Wenig hilfreich war der Verlauf der PISA-Debatte in der Frage der Schulstruktur. Eigentlich wurde diese Frage mit der innerdeutschen PISA-Erweiterungsstudie (PISA-E) eindeutig beantwortet. Sämtliche innerdeutschen Vergleiche zeigen nämlich, dass deutsche Länder gut bis sehr gut abschneiden, wenn ihre Schulwesen folgenden Kriterien entsprechen: hohe Unterrichtsdichte, hoher Verbindlichkeitsgrad der Lehrpläne, möglichst differenziertes Schulsystem und anspruchsvolle, verbindliche Abschlussprüfungen in allen Schulformen. Die Auslegung der PISA-Studie als Beleg für die angebliche Überlegenheit integrierter Gesamt- oder Gemeinschaftsschulmodelle dagegen war und bleibt abwegig. Abwegig ist und war es auch, aus PISA die angebliche soziale Undurchlässigkeit des Schulwesens abzuleiten. PISA testet schließlich Fünfzehnjährige inmitten ihrer Bildungslaufbahn. Zu diesem Zeitpunkt aber ist eine Bildungslaufbahn nicht abgeschlossen, und somit werden mit PISA auch die vielen Wege der Durchlässigkeit des deutschen Schulwesens nicht erfasst.
Mittel- und langfristig der wohl größte Schaden, den PISA und die PISA-Debatte angerichtet haben, dürfte eine fortschreitende Verengung des Verständnisses von Bildung sein. Im Zuge dieser Debatte wurde völlig vernachlässigt, dass PISA weite Bereiche schulischer Bildung überhaupt nicht erfasst - nämlich das Wissen und Können der Schüler im sprachlichen Ausdrucksvermögen sowie etwa in den Bereichen Literatur, Geschichte, Geographie, Politik, Religion/Ethik, Kunst, Musik und dergleichen. Die Folge dieses verengten Bildungsbegriffs, der hinter PISA steckt, war unter anderem, dass eine Debatte um die Bedeutung dieser wichtigen Bildungsbereiche nicht mehr stattfand und selbst schulische Prüfungsverfahren auf PISA-Testmethode getrimmt wurden. Zum Beispiel gibt es mittlerweile schulische Deutschtests, in denen Schüler nur noch Kreuzchen setzen oder Lückentexte ausfüllen müssen.
Der Politik ist dringend zu empfehlen, dass sie die Debatte um PISA tieferhängt, die Schulen sich nach zahlreichen Reformen konsolidieren lässt, die Schulen zur Vermeidung von Unterrichtsausfall endlich mit 105 Prozent Lehrerstunden ausstattet und für den Erwerb eines mittleren Schulabschlusses eine zentrale Abschlussprüfung installiert."
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