Dürfen Unternehmen Wahlempfehlungen abgeben?
(Stuttgart) - Die Europawahl steht vor der Tür, der Wahlkampf ist im Gange und die Atmosphäre so aufgeheizt wie lange nicht mehr. Viele Unternehmen geben Empfehlungen zur Wahl ab und plädieren für Vielfalt, Solidarität und für ein weiter zusammenwachsendes Europa. Was gilt aus arbeitsrechtlicher Sicht: Wo sind die Grenzen, wenn Unternehmen zur Wahl einer bestimmten Partei aufrufen?
Die arbeitsrechtliche Lage erläutert der Hamburger Fachanwalt für Arbeitsrecht Prof. Dr. Michael Fuhlrott vom Verband deutscher Arbeitsrechtsanwälte (VDAA).
- Keine Pflicht zur politischen Neutralität für Unternehmen
Unternehmen müssen nicht politisch neutral sein. "Das Betonen von wichtigen Werten und ein Aufruf, überhaupt zur Wahl zu gehen, ist rechtlich unproblematisch durch Unternehmen möglich", so der Hamburger Arbeitsrechtler Prof. Dr. Michael Fuhlrott.
Eine Besonderheit gelte aber für öffentliche Arbeitgeber. Diese haben eine Pflicht zur Neutralität und dürfen keine Wahlempfehlungen oder Wahlhinweise an ihre Belegschaft ausgeben oder verteilen. Anderes gelte nur, wenn es sich um verbotene, da verfassungswidrige Parteien handele. Deren Wahl dürfen auch öffentliche Arbeitgeber ablehnen. Allerdings: Über die Verfassungswidrigkeit einer Partei und damit über ein Parteienverbot entscheide allein das Bundesverfassungsgericht.
- Wahlempfehlungen sind erlaubt - Drohen mit Konsequenzen nicht
Unternehmen dürfen selbst vor extremen politischen Ansichten warnen und aufrufen, Parteien zu wählen, die sich für demokratisches Miteinander und das Grundgesetz einsetzen: "Damit ist selbst konkrete Wahlwerbung zulässig, wenn kein unzulässiger Druck auf die Belegschaft ausgeübt wird", so Arbeitsrechtler Fuhlrott.
"Unternehmen dürfen ihre Werte beschreiben und formulieren, dass die politischen Ziele einer konkreten Partei nicht vereinbar sind mit denen des Unternehmens", so der Arbeitsrechtler.
Eine Grenze werde aber da überschritten, wo Mitarbeitern Konsequenzen für ein bestimmtes Wahlverhalten angekündigt werden. Ein solches Verhalten könne sogar eine Wählerbestechung darstellen, die das Strafgesetzbuch (StGB) unter Geld- oder Freiheitsstrafe stellt.
- Wahlentscheidung ist allein Sache des Arbeitnehmers
Konsequenzen für eine aus Sicht des Arbeitgebers "falsche" Wahl hat ein Arbeitnehmer nicht zu befürchten. Zunächst schützt das Wahlgeheimnis die Ausübung des Wahlrechts, so dass der Arbeitgeber gar keine Kenntnis vom Wahlverhalten seiner Beschäftigten haben wird.
Aber auch derjenige, der sich im Betrieb öffentlich äußert und nicht im Sinne seines Unternehmens wähle oder gar eine extremistische Partei wählt, übt sein Grundrecht aus. Arbeitsrechtliche Konsequenzen hat damit also auch derjenige nicht zu befürchten, der eine radikale Partei wählt und dies im Betrieb kundtut.
- Störungen des Betriebsfriedens rechtfertigen arbeitsrechtliche Maßnahmen
Anders sei die Situation aber zu beurteilen, wenn der Arbeitnehmer im Betrieb oder im Zusammenhang mit seinem Arbeitsverhältnis Handlungen begehe, die den Betriebsfrieden stören oder das Ansehen des Arbeitgebers in Verruf bringen.
"Wenn der Arbeitnehmer in seiner Freizeit etwa den Hitlergruß zeigt, wird er dafür strafrechtlich belangt werden. Arbeitsrechtliche Konsequenzen wie eine Kündigung drohen ihm aber nur dann, wenn er dies etwa in Dienstuniform macht oder er davon ein Foto in den sozialen Medien postet, das den Arbeitgeber nennt", so Arbeitsrechtler Fuhlrott.
Gleiches gelte, wenn im Betrieb fremdenfeindliche Äußerungen getätigt werden und einem ausländischen Kollegen gegenüber mitgeteilt wird, dass man ihn lieber "remigrieren" sollte:
"Solche Äußerungen können natürlich arbeitsrechtlich sanktioniert werden. Je nach den Umständen des Einzelfalls drohen dann Abmahnung bis hin zur fristlosen Kündigung", erläutert Arbeitsrechtsanwalt Fuhlrott.
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