DRV-Präsident Nüssel zum Milchgipfel: Genossenschaftliche Milchwirtschaft bezieht Position
(Berlin) - Die Entwicklungen der letzten Monate haben gezeigt, dass die Milchwirtschaft mit einem massiven Wandel der wirtschaftlichen und agrarpolitischen Rahmenbedingungen konfrontiert ist. Der weltweite Nachfragetrend lässt ein höheres Preisniveau als in der Vergangenheit erwarten und bietet grundsätzlich gute Chancen, die wachsenden Märkte mit qualitativ hochwertigen Produkten zu bedienen. Dabei müssen sich Milcherzeuger und Molkereien bewusst sein, dass Veränderungen bei Angebot und Nachfrage künftig nicht mehr durch Marktordnungsinstrumente abgepuffert werden. Der agrarpolitische Kurs in der EU ist eindeutig auf eine weitere Liberalisierung der Milchmarktpolitik ausgerichtet. Es wird zu stärkeren Preisschwankungen kommen, erklärt Manfred Nüssel, Präsident des Deutschen Raiffeisenverbandes, zum Milchgipfel in Berlin.
Entscheidend für eine nachhaltig erfolgreiche Milchwirtschaft und damit für stabile Einkommen der Milcherzeuger sind wett-bewerbsfähige Strukturen in der gesamten Wertschöpfungskette von der Milcherzeugung über die Verarbeitung bis hin zur Vermarktung. Diese müssen sich konsequent an den Marktrealitäten orientieren. Denn auch die besten Strukturen können die Marktgesetze nicht aushebeln, so Nüssel.
Die genossenschaftlichen Unternehmen nehmen den wachsenden Wettbewerbs- und Anpassungsdruck als Herausforderung an, sich in Verantwortung für ihre Mitglieder auf eine mehr vom Markt her orientierte Milchwirtschaft weiter anzupassen. Nach einem bereits in der Vergangenheit sehr dynamisch verlaufenden Strukturprozess gilt es, die Bündelung der Kräfte mit der notwendigen Geschwindigkeit fortzusetzen.
Größeren, breit aufgestellten Unternehmen oder über engere Kooperationen miteinander verbundenen Unternehmen wird es leichter gelingen, Kostenvorteile zu nutzen und notwendige Investitionen zu finanzieren, so Nüssel. Entsprechende Anpassungsschritte zum Aufbau strategischer Potenziale sind mit einem erheblichen finanziellen Aufwand verbunden. Zudem werden mögliche Effekte erst mit Zeitverzug wirksam.
Das setzt die Bereitschaft aller Genossenschaftsmitglieder voraus, diese notwendigen Schritte mit zu gehen. Die wachsende Eigenverantwortung der Unternehmen bei der Bewältigung absehbarer stärkerer Marktschwankungen und die zur Darstellung wettbewerbsfähiger Kosten notwendige Kapazitätsplanung erfordern gegenseitige Verlässlichkeit. Eine engere, langfristig angelegte Bindung ist im beiderseitigen Interesse der Milcherzeuger und der Molkereien. Gerade aus Sicht des Mitglieds bietet die Marktpräsenz der Genossenschaft mit der Abnahmegarantie in sich liberalisierenden Märkten eine erhebliche Sicherheit, betont der DRV-Präsident. Die genossenschaftlichen Molkereien erfassen rd. drei Viertel und verarbeiten zwei Drittel der in Deutschland erzeugten Milch.
Anpassungsprozesse politisch flankieren
Um die Politikabhängigkeit und das damit verbundene Risiko von Fehlentscheidungen im Anpassungsprozess der Unternehmen zu minimieren, bedarf es von der Politik klarer Aussagen zur künftigen Ausgestaltung des milchpolitischen Rahmens. Im EU-Vorschlagspaket zum Gesundheits-Check wird deutlich unterstrichen, dass die Milchquotenregelung im Jahr 2015 auslaufen wird. Bei der konkreten Ausgestaltung des Übergangs in eine Zeit ohne Quote müssen die möglichen Auswirkungen auf den Milchmarkt und auf die Erzeugereinkommen berücksichtigt werden. Es darf nicht zu wirtschaftlichen Verwerfungen für die Milcherzeuger und die Molkereiwirtschaft kommen. Die genossenschaftliche Milchwirtschaft hält zudem ein Begleitprogramm zur Vorbereitung des Quotenausstiegs für erforderlich, das die strukturellen Anpassungsprozesse flankiert und die Milcherzeugung in Regionen mit schwierigen Produktionsbedingungen unterstützt.
Neben der Ausgestaltung der Quotenregelung ist auch den übrigen Rahmenbedingungen für den Milchmarkt ausreichend Beachtung zu schenken. In den laufenden WTO-Verhandlungen sind die mit der Agrarreform für die Milchmarktpolitik gesetzten Eckpunkte zu respektieren. Aus einem möglichen WTO-Abschluss darf kein zusätzlicher Druck auf den EU-Milchmarkt resultieren. Insbesondere muss ein ausreichender Außenschutz gewährleistet bleiben. Im Zuge des Gesundheits-Checks der Gemeinsamen Agrarpolitik dürfen die Marktordnungsinstrumente keinesfalls vorschnell abgebaut oder gar abgeschafft werden. Sie sind als Sicherheitsnetz zu erhalten und bei Bedarf rechtzeitig und aktiv zu nutzen. Die Bewältigung auftretender saisonaler Marktschwankungen ist auch künftig durch die Aufrechterhaltung der privaten Lagerhaltung zu unterstützen. Die gegenwärtige Marksituation ist unter anderem durch die mit gesunkenen Weltmarktpreisen bei gleichzeitig schwachem US-Dollar eingeschränkte Wettbewerbsfähigkeit der EU im Drittlandsexport verursacht. Zur Entlastung des europäischen Milchmarktes ist die Wiederaufnahme der Zahlung von Exporterstattungen notwendig.
Die genossenschaftliche Milchwirtschaft prüft Markt stabilisierende Maßnahmen für eine Zeit ohne staatliche Milchquote. Dabei sind die Mechanismen und Herausforderungen der sich weiter öffnenden Märkte zu beachten. Voraussetzung für den Erfolg ist deshalb eine enge und konsequente Zusammenarbeit aller Akteure der Wertschöpfungskette Milch bei der Verbesserung ihrer Wettbewerbsfähigkeit. Die Genossenschaften bieten ihren Mitgliedern auch künftig beste Chancen für den wirtschaftlichen Erfolg, wenn sie sich gemeinsam den Marktanforderungen stellen, unterstreicht Nüssel.
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