Pressemitteilung |

DRV-Präsident Nüssel: BSE-Folgen schlagen erst 2001 durch

(Berlin) - Die 3 846 Raiffeisen-Genossenschaften (- 4,9 %) haben im Jahr 2000 rd. 74 Mrd. DM (37,8 Mrd. E)) umgesetzt. Das Plus von 2 % ist vor allem preisbedingt. 75 % des addierten Umsatzes werden von 5 % der Genossenschaften erzielt. Die Drittlandsexporte, insbesondere von Milchprodukten, wurden durch den anhaltend schwachen Eurokurs begünstigt. Die Ausfuhren stiegen auf insgesamt 6 Mrd. DM.

Manfred Nüssel, Präsident des Deutschen Raiffeisenverbandes e. V. (DRV), räumte bei der Pressekonferenz am 1. März ein, dass diese
gute Bilanz nicht die gravierenden wirtschaftlichen Auswirkungen der BSE﷓Krise, vor allem in den Sparten Vieh- und Fleischwirtschaft sowie Futtermittel, berücksichtigt. Das volle Ausmaß der Einbußen wird sich im Jahresergebnis 2001 niederschlagen.

Auf dem Höhepunkt der Krise wurden z. B. die Rinderschlachtungen um mehr als 40 % zurückgefahren. Der Verbrauchsrückgang war hierzulande noch höher, sodass als Folge die Rindfleischexporte sowohl in andere EU﷓Staaten als auch in Drittländer stiegen. Allerdings musste dieser Zuwachs mit niedrigen Preisen erkauft werden. Inzwischen ist die Talsohle durchschritten. Nüssel rechnet damit, dass weitere Anpassungen der Schlachtkapazitäten, die durch den Zusammenbruch des Rindfleischmarktes noch dringlicher geworden sind, in Angriff genommen werden.

Vieh- und Fleischwirtschaft: Chance für Anpassungen

Die wertmäßigen Umsätze der genossenschaftlichen Vieh- und Fleischwirtschaft betrugen im Jahr 2000 rd. 13,5 Mrd. DM. Die genossenschaftlichen Betriebe, die 11,7 Mio. Schweine (- 2 %) und 1,1 Mio. Rinder (- 3,5 %) – einschließlich der dramatischen Einbrüche im Dezember 2000 – geschlachtet haben, konnten ihre Umsätze dennoch halten. Grund dafür waren die hohen Erzeugerpreise für Schweine, die im Jahresdurchschnitt um 25 %, für Kühe um 8 % und für Bullen um 2 % über Vorjahresniveau lagen. Nüssel erwartet, dass sich der Markt für Schlachtkühe durch die Mitte März anlaufende Ankaufaktion wieder stabilisieren wird.

Die DRV-Mitgliedsunternehmen haben zum 1. September 2000 die obligatorische Rindfleischetikettierung trotz logistischer Probleme fristgerecht umgesetzt. Damit leisten sie einen wichtigen Beitrag zur Rückverfolgbarkeit und Herkunftssicherung des Rohstoffs. Nüssel kritisiert, dass diese zusätzlichen Verbraucherinformationen, die von den Schlachtbetrieben erbracht werden, nur zum Teil in den Ladentheken wiederzufinden sind. Der DRV setzt sich dafür ein, dass solche Etikettierungs-Systeme auch auf andere Fleischwaren ausgedehnt werden.

Für das Jahr 2001 wird mit einer weiterhin angespannten Ertragslage gerechnet. Für den Rindfleischmarkt lässt sich derzeit keine Prognose stellen. Beim Schweinefleisch sind die Perspektiven besser. Nüssel sieht bei weiteren nationalen Alleingängen die Gefahr, dass die tierische Veredelung in EU-Nachbarstaaten abwandert.

Er erwartet, dass angesichts der schwierigen Wirtschaftslage die Bereitschaft wächst, vertragliche Bindungen – angefangen beim Erzeuger über die Verarbeiter bis in die Ladentheke – auszubauen. Diese Rückverfolgbarkeit ist das A und O des Qualitäts- und Risikomanagements. So werden die Genossenschaften das Vertrauen der Verbraucher zurückgewinnen.

Milchwirtschaft: Schwacher Euro beflügelt Exporte
Die genossenschaftliche Milchwirtschaft setzte im Jahr 2000 rd. 21 Mrd. DM um und war mit der Marktentwicklung zufrieden. Bei stabilem Milchaufkommen nahm die Veredelung des Rohstoffs durch die 100 genossenschaftlichen Verarbeiter in der Käseherstellung und bei Milchfrischprodukten zu. Im Export profitierte die gesamte Branche vom schwachen Euro, wodurch ihre Wettbewerbsfähigkeit auf dem Weltmarkt verbessert wurde. Ein deutliches Plus verzeichneten die Käseausfuhren nach Russland, die in den Vorjahren durch die dortige Wirtschaftskrise erschwert worden waren. Bei Milchpulver nahmen die Lieferungen nach Südamerika und Südostasien zu.

Für das Jahr 2001 rechnen die Genossenschaften mit weiterhin festen Tendenzen am nationalen und internationalen Milchmarkt. Das stärkt ihre Verhandlungsposition gegenüber dem Lebensmittelhandel. Ziel ist es, für die Produkte des weißen Sortiments höhere Preise durchzusetzen. U. a. müssen die gestiegenen Kosten für Energie, Verpackungen und Transport ausgeglichen werden.

Im Blick auf die 2002 anstehende Überprüfung der EU-Milchmarktordnung fordert der Präsident verlässliche und kalkulierbare Rahmenbedingungen als Entscheidungsgrundlage für die Unternehmen. „Falls als Ergebnis der Halbzeitbewertung ein Ausstieg aus dem Quotensystem empfohlen wird, bedarf es einer angemessenen Anpassungsphase. Ein Mindestmaß an Stützung und Stabilisierung bei ausreichendem Außenschutz sind zu gewährleisten“, so Nüssel. Eine Änderung der europäischen Milchpolitik darf nicht abrupt erfolgen. Sie muss der Entwicklung der Märkte sowie den möglichen Ergebnissen der laufenden WTO-Runde und der EU-Osterweiterung Rechnung tragen.

Allgemeine Warenwirtschaft: Als Dienstleister gefragt
Mit 32,5 Mrd. DM ist die Warenwirtschaft die umsatzstärkste Sparte in der Raiffeisen-Organisation. Zu ihren Aufgabenfeldern und Dienstleistungen gehören das Bezugs- und Absatzgeschäft wie z. B. die Erfassung und Vermarktung von Getreide, Ölsaaten und Kartoffeln sowie der Verkauf von Futter- und Düngemitteln sowie Agrartechnik.

Wachsenden Anteil haben die nicht agrarischen Geschäftsfelder, die in einigen Unternehmen bis zu 50 % des Umsatzes ausmachen. Dazu zählen rd. 540 Tankstellen, über 300 Biodiesel-Zapfanlagen, 1 500 Raiffeisen-Märkte sowie rd. 500 Baustoffmärkte und -fachhandlungen. Umsatzrückgänge waren bei Kartoffeln (- 20 %), Baustoffen (- 3 %) und Agrartechnik (- 3 %) zu verzeichnen. Dem stehen Zuwächse bei Getreide (+ 2 %), Futtermitteln (+ 4 %), Pflanzenschutz (+ 3 %) und Düngemitteln (+ 15 %) sowie in der Mineralölsparte (+ 25 %) gegenüber.

Der Getreidehandel wird immer stärker durch die internationale Verflechtung der Märkte geprägt. Das Weltmarktgeschehen hat großen Einfluss auf die Getreidepreise in Deutschland und Europa. Die Exporte sind ein preisstabilisierender Faktor für den deutschen Markt. Maßnahmen zur Preisabsicherung, wie vertragliche Bindungen und das Engagement an der Warenterminbörse, gewinnen für Erzeuger und Vermarkter an Bedeutung.

Futtermittel: Offene Deklaration der Komponenten
Die Futtermittelumsätze stiegen um 4 %. Die Mischfutterpreise folgten mit zeitlicher Verzögerung den Vorgaben der internationalen Rohstoffmärkte. Das am 2. Dezember 2000 kurzfristig verfügte Tiermehl-Verfütterungsverbot löste erhebliche Marktturbulenzen aus. Die Raiffeisen-Genossenschaften haben kurzfristig ihre Rezepturen geändert.

Die Futtermittelwerke bauen ihre Qualitätssicherungs-Systeme weiter aus. Bereits seit Mitte der 90er Jahre sind nahezu alle Werke nach
DIN-ISO 9000 ff. zertifiziert. Präsident Nüssel unterstrich, dass sämtliche Komponenten offen deklariert und einzeln auf den Warenbegleitpapieren aufgeführt werden. Damit wird jeder Landwirt genau darüber unterrichtet, aus welchen Einzelfuttermitteln sich das Mischfutter zusammensetzt. Wie Lebensmittel unterliegen Futtermittel hohen Hygienestandards.

Die Warengenossenschaften beraten ihre Mitglieder und Kunden in allen Fragen der umweltgerechten Produktion und Vermarktung. Als kompetente Dienstleister stehen sie allen Landwirten, Gärtnern und Winzern zur Seite.

Raiffeisen im virtuellen Verbund
Landwirte zählen zu den intensiven Nutzern des Internets. Die Raiffeisen-Organisation beurteilt dieses Medium positiv und hat bei der Entwicklung landwirtschaftlicher Online-Angebote eine Vorreiterrolle übernommen. Nach Gründung der Internet-Firma Raiffeisen.com GmbH & Co. KG mit Sitz in Münster ist im August 2000 das genossenschaftliche Agrar-Portal „raiffeisen.com“ erfolgreich gestartet. Täglich rufen über 2 000 Interessierte die Informationen auf den Raiffeisen-Seiten ab. Im Portal finden Landwirte, Gärtner und Winzer alles, was sie für die erfolgreiche Unternehmensführung brauchen, angefangen bei Markttipps, Warenterminbörsen, Finanzen bis hin zum regionalen Wetter.

Mit tec24, der mit 12 000 Gebrauchtmaschinen großen deutschen Landtechnikbörse, und landjobs.de wurden weitere erfolgreiche Service-Angebote geschaffen. Auch im Web-Zeitalter setzen die Raiffeisen-Genossenschaften auf die Kompetenz vor Ort mit vielfältigen Beratungs- und Dienstleistungen sowie engen Mitglieder- und Kundenbindungen.

Agrargenossenschaften: Keine Obergrenze für Rinderprämien
Die in die Raiffeisen-Organisation eingebundenen 809 Agrargenossenschaften (Vorjahr: 822) haben im Jahr 2000 rd. 3 Mrd. DM umgesetzt. Dank eines umfassenden Kostenmanagements setzten sie ihre wirtschaftliche Konsolidierung fort. Diese bewährte Unternehmensform wurde erneut ihrer wichtigen Aufgabe für die Wirtschaftsstruktur der ländlichen Räume und als Arbeitgeber in den neuen Bundesländern gerecht. In den Agrargenossenschaften sind insgesamt 27 000 Menschen tätig.

Angesichts ihrer großbetrieblichen Strukturen bündeln die Agrargenossenschaften beachtliche Produktionskapazitäten. Die landwirtschaftliche Erzeugung erfolgt gleichwohl bodengebunden. So liegt der Tierbesatz in den Agrargenossenschaften bei 0,7 GVE/ha, also deutlich unterhalb des derzeit gültigen Faktors von 2 GVE/ha. Deshalb lehnt Nüssel die Einführung einer Obergrenze von 90 Tieren für Rinderprämien mit Nachdruck ab.

Der DRV versteht sich als Interessenvertreter dieser Mehrfamilienbetriebe. In seinen betriebswirtschaftlichen Analysen kommt er zu dem Ergebnis, dass die Agrargenossenschaften gute Zukunftsperspektiven haben.

Weinwirtschaft: Mehr Mitglieder in Winzergenossenschaften
Die 260 Winzergenossenschaften setzten im Weinwirtschaftsjahr 1999/2000 rd. 3 Mio. hl Wein und Sekt im Wert von 1,5 Mrd. DM ab. Von der 2000er Weinmosternte in Höhe von 9,9 Mio. hl erfassten sie 2,9 Mio. hl, das sind knapp 30 %. Die Winzergenossenschaften sind ein gefragter Partner des Lebensmittel- und des Weinfachhandels. Der Markt ist nach wie vor von einer positiven Nachfrage geprägt. Vor allem Rotwein genießt die Gunst der Verbraucher. Erfreulich entwickelten sich die Mitgliederzahlen und die Weinbergsflächen. Die Winzergenossenschaften, insbesondere in schwach strukturierten Gebieten, verzeichneten weitere Zugänge. Hilfe zur Selbsthilfe ist gefragt.

Obst-, Gemüse- und Gartenbauwirtschaft: Insgesamt positiv
Wertmäßig haben die 130 Genossenschaften dieser Sparte im Jahr 2000 ca. 10 % mehr Gemüse, 2 % mehr Blumen und 3 % weniger Obst umgesetzt. Angesichts der nach wie vor hohen Lagerbestände bei Äpfeln wird auch im ersten Halbjahr 2001 nicht mit einer zufriedenstellenden Marktentwicklung gerechnet.

Fünf führende Erzeugerorganisationen gründeten im Frühjahr 2000 ein Export-Kontor mit dem Ziel, deutsche Äpfel nach Russland zu verkaufen. Das Projekt ist sehr erfolgreich angelaufen. Inzwischen wurde der Gesellschafterkreis des Deutschen Export-Kontors erweitert. Die Verkaufspalette umfasst nun auch Gemüse.

Der Gemüsemarkt konnte sich im Vergleich zum schlechten Vorjahr wieder erholen. Die Anbauflächen in Deutschland blieben mit knapp 86 000 ha konstant. Die Durchschnittspreise haben sich insgesamt um 13 % erhöht. Der Umsatz stieg um rd. 10 %.

Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher Raiffeisenverband e.V. (DRV) Adenauerallee 127 53113 Bonn Telefon: 0228/1060 Telefax: 0228/106266

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