Droht die Kündigung wegen rassistischem Sylt-Gegröle?
(Stuttgart) - Deutschland ist entsetzt über ein Video, das rassistisches Gegröle und fremdenfeindliche Parolen junger feiernder Menschen in einem Sylter Club zeigt. Polizei und Staatsschutz ermitteln. Einige Unternehmen haben bereits mitgeteilt, die auf den Videos identifizierten Mitarbeitern außerordentlich fristlos gekündigt zu haben. Was gilt in arbeitsrechtlicher Hinsicht - darf wegen Verhalten in der Freizeit gekündigt werden?
Die arbeitsrechtliche Lage erläutert der Hamburger Fachanwalt für Arbeitsrecht Prof. Dr. Michael Fuhlrott vom Verband deutscher Arbeitsrechtsanwälte (VdAA).
Partyvideo aus Sylt: Junge Menschen grölen rassistische Parolen
Deutschland spricht über einen kurzen Videoclip, der ausgelassen feiernde junge Menschen in einem Club in Kampen auf Sylt zeigt, die tanzend zu einem Lied rassistische Parolen singen.
Die Polizei und der Staatsschutz ermitteln wegen des Verdachts der Volksverhetzung, der Clubbetreiber distanziert sich und spricht Hausverbote aus, der Bundeskanzler und zahlreiche Politiker nehmen ebenfalls Stellung und verurteilen die Geschehnisse.
Zwischenzeitlich haben auch zwei Arbeitgeber in sozialen Medien mitgeteilt, ihre auf den Videos identifizierten Mitarbeiter außerordentlich fristlos gekündigt zu haben.
Kündigung für Verhalten in der Freizeit?
"Bei allem Verständnis für eine solche Reaktion ist eine Kündigung wegen privaten Verhaltens eines Arbeitnehmers nicht ohne weiteres möglich", so der Hamburger Arbeitsrechtler Prof. Dr. Michael Fuhlrott.
Denn das, was der Arbeitnehmer in seiner Freizeit macht, sei grundsätzlich dessen Privatsache. "Ein Arbeitnehmer schuldet lediglich seine ordnungsgemäße Arbeitsleistung, aber kein Wohlverhalten in der Freizeit", so Arbeitsrechtsexperte Fuhlrott. Das gelte im Grundsatz selbst in derartig krassen Fällen wie bei dem aktuellen Geschehen.
Arbeitsrechtliche Konsequenzen bis hin zu einer fristlosen Kündigung seien aber immer dann möglich, wenn der Arbeitnehmer bei seiner außerdienstlichen Handlung einen Bezug zum Arbeitsverhältnis herstellt.
"Ein solcher Bezug liegt etwa dann vor, wenn ich in Dienstkleidung solche Handlungen tätige. Das gleiche gilt, wenn ich über mein Profil in den sozialen Medien, das den Arbeitgeber nennt, solche Inhalte poste", erläutert Arbeitsrechtsanwalt Fuhlrott.
Denkbar könne es auch sein, dass ein dienstlicher Bezug bei Personen hergestellt werde, die für die Öffentlichkeit mit einem Unternehmen "untrennbar" verbunden seien: "Wenn also der CEO eines Unternehmens oder der Pressesprecher sich derartig äußern oder ein Fußballprofi eine Aussage tätigt, dann wird man eine solche Verbindung ebenfalls ziehen können", so der Arbeitsrechtler.
Besteht ein Bezug zum Arbeitsverhältnis?
"Das wird man je nach Einzelfall zu beurteilen haben", so Arbeitsrechtler Fuhlrott. "Wenn jemand aber für eine Influencerin arbeitet, die in den sozialen Medien präsent ist und gerade dies das Geschäftsmodell ist, so kann es nahe liegen, dass auch Handlungen ihrer Mitarbeiter unter besonderer Beobachtung stehen".
In einem solchen Fall müsse auch der Arbeitnehmer damit rechnen, dass sein Verhalten auf den Arbeitgeber zurückfalle. "Der notwendige Bezug zum Arbeitsverhältnis kann dann gegeben sein", so Arbeitsrechtler Fuhlrott.
Strenger Maßstab der Rechtsprechung: Reichskriegsflagge in Großraumdisco
Den strengen Maßstab der Rechtsprechung verdeutlicht auch eine Entscheidung zu einem ähnlichen Fall, der sich 2017 auf Mallorca in einer Großraumdisco zutrug:
Dort entrollten feiernde deutsche Urlauber eine Reichskriegsflagge. Der Arbeitgeber, der hiervon Kenntnis erhielt, sprach die fristlose Kündigung aus. Zu Unrecht, urteilte seinerzeit das Landesarbeitsgericht Niedersachsen (Urt. v. 21.3.2019, Az.: 13 Sa 371/18). Denn es fehle an betrieblichen Auswirkungen, sofern der Arbeitnehmer nicht vorhersehbar davon ausgehen durfte, dass sein Arbeitgeber mit der Handlung in Verbindung gebracht werde, so die Richter in der seinerzeitigen Entscheidung.
"Dass eine Handlung keine Kündigung rechtfertigt, ist natürlich keine Aussage über die Rechtmäßigkeit einer solchen Äußerung", so der Hamburger Arbeitsrechtler Fuhlrott. Vielmehr gelte, dass solche Fälle durch das Strafrecht zu behandeln seien - und im Grundsatz eben nicht durch das Arbeitsrecht.
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