Drohende Genitalverstümmelung ist Asylgrund
(Berlin) - Das Problem der Genitalverstümmelung von Frauen und Mädchen wurde bisher in der Bundesrepublik Deutschland nicht angemessen gewürdigt und die Betroffenen oftmals schutzlos gelassen. Dies war auch der Grund, warum in dem vom Bundestag verabschiedeten Zuwanderungsgesetz für Opfer geschlechtsspezifischer Verfolgung eine besondere Schutzform aufgenommen worden war. Das Zuwanderungsgesetz ist jedoch nicht in Kraft getreten.
Wie die Arbeitsgemeinschaft Ausländer- und Asylrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV) mitteilt, lassen zwei Urteile des Verwaltungsgerichts Aachen vom 12. August 2003 (AZ 2 K 1140/02.A und 2 K 1924/00.A) aufhorchen. Aufgrund drohender Genitalverstümmelung in Nigeria hat das Verwaltungsgericht Aachen beiden Klägerinnen den Schutz wegen politischer Verfolgung gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention zugesprochen.
In diesen Entscheidungen hat das Verwaltungsgericht Aachen im Falle einer 36-jährigen Frau aus Nigeria und ihrer dreijährigen Tochter festgestellt, dass diesen politische Verfolgung droht. In Nigeria sei die Gefahr zwangsweiser Genitalverstümmelung weit verbreitet (Schätzungen von Experten variieren von 40 bis 90 %). Weil der nigerianische Staat hiergegen keinen effektiven Schutz bieten könne oder wolle, hat das Verwaltungsgericht Aachen beiden Klägerinnen nun als politisch verfolgte anerkannt.
Eine richtungsweisende Entscheidung! so Rechtsanwalt Rainer M. Hofmann, zweiter Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Ausländer- und Asylrecht im DAV. Die Bundesrepublik müsse, wie beispielsweise die obersten Gerichte in den Vereinigten Staaten von Amerika, in Australien und in Großbritannien, Frauen und Mädchen Schutz gewähren, weil sie wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe verfolgt oder schutzlos sind. Dies sei insbesondere vor dem Hintergrund bedeutsam, dass nach Schätzung von Amnesty International weltweit ca. 135 Mio. Frauen und Mädchen genital verstümmelt worden sind. Vor allem in afrikanischen Ländern ist weibliche Genitalverstümmelung ein weit verbreitetes Phänomen. In manchen Ländern droht bis zu 90 % der Frauen und Mädchen diese Zwangsmaßnahme gegen ihren Willen.
Die Rechtsprechung habe sich bedauerlicherweise in vielen Staaten jahrelang schwer getan, Personen, die Genitalverstümmelung befürchten müssen, als Flüchtlinge im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention anzuerkennen. Die Arbeitsgemeinschaft hofft, dass sich andere Gerichte und das Bundesamt an diesen Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Aachen orientieren werden.
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Deutscher AnwaltVerein e.V. (DAV)
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