Dosenpfand: Mit neuer "Zettelwirtschaft" gegen Handelshemmnisse im EU-Binnenmarkt
(Kiel) - Der Einzelhandelsverband Nord-Ost (EHV Nord-Ost) sieht sich in seiner Auffassung bestätigt, dass es kein bundesweites einheitliches Rücknahmesystem für Pfandverpackungen ab 1. Oktober geben wird. Eine durchgreifende Vereinfachung für Handel und für Verbraucher wird mit der vollständigen Anwendung der Verpackungsverordnung ab 1. Oktober nicht erreicht. Eine Ausweitung der Pfandpflicht auf weitere Getränkesortimente würde daran nichts ändern, kommentiert Hans-Martin Bohac, Umweltbeauftrager EHV Nord-Ost, das Ende der Übergangslösung beim Pflichtpfand. Vereinfachend ist nur die Kommunikation des Bundesumweltministers, aber nicht die von ihm gestaltete Rechtslage, so Bohac weiter.
Der EHV Nord-Ost erwartet im übrigen, dass die Europäische Kommission beim deutschen Dosenpfand aktiv wird. Grund: Wenn schon ein Kassenzettel für den Getränkegroßeinkauf als Pfandbeleg im Sommer die EU-Kommission mahnend auf den Plan gerufen hat, dann werden hundert Pfand-Coupons im Scheckkartenformat à 25 Cent für dieselbe Getränkemenge erst recht für Unruhe in Brüssel sorgen, so Bohac. Dies gelte um so mehr, als die Bereitschaft im Handel, Einweggetränke ab 1. Oktober zu listen, nicht gestiegen sei. Bohac räumt zwar ein, man könne nun Flaschen und Dosen auch beim Mitbewerber des Verkäufers abgeben. Dies werde aber dadurch konterkariert, dass die neue Zettelwirtschaft, mangelnde Gerichtsfestigkeit sowie die weiterhin bestehende Unübersichtlichkeit der Pfandregeln erwartungsgemäß Konsumenten und Handel gleichermaßen vom Einweggeschäft abschrecken. Damit wird auch die von der EU-Kommission geforderte Flächendeckung für ein deutsches Rücknahmesystem beim Pfandcouponmodell bei weitem verfehlt. Bohac: Der Pfandmechanismus entfaltet eine verbotsgleiche Wirkung, gegen den sich zwangsläufig Widerstand im europäischen Binnenmarkt regen wird. Schließlich gelten Einweg und Mehrweg in der EU als gleichermaßen verkehrsfähig.
Flächendeckende Rückgabemöglichkeit, diskriminierungsfreier Zutritt zum deutschen Getränkemarkt Fehlanzeige - dieses Fazit muss auch für die Alternative Insel-Lösung mit hauseigener Flaschenform namhafter Discounter gezogen werden. Schließlich können Verpackungen nur innerhalb desselben Unternehmens zurückgegeben bzw. auch nur in der hauseigenen Verpackung angeboten werden. Markenanbieter aus der EU wurden bereits ausgelistet. Grund: Sie können nicht mehr im markenspezifischen Verpackungsdesign auftreten.
Flächendeckung Fehlanzeige - das gilt auch für Trittins angepriesene zettelfreie Standardverpackung im P-System von Lekkerland-Tobaccoland. Hier gilt zum 1. Oktober die Flächendeckung mit weniger als 10 Prozent Marktanteil als nicht erreicht. Allemal müssen Handel und Verbraucher auch hier aufpassen: P-Logo und EAN-Code an der Außenwandung der Verpackung dürfen auch beim heftigsten Trinkgelage keinen Schaden nehmen. Ansonsten gibt es kein Pfandgeld zurück.
In eine unsichere europäische Zukunft weist ebenfalls der jüngste Schrei aus der Trickkiste für clevere Rücknahmelösungen eines Energydrink-Anbieters: Die Getränkedose mit einer besonderen Prägung auf der Lasche weist das Gebinde bereits als eine Verpackung mit individueller Form aus. Damit braucht das Unternehmen nur seine eigene Dose und keine andere auf dem Markt befindliche zylindrische Verpackung zurücknehmen. Ähnlich französische Marken-Mineralwässer in jeweils eigenem Verpackungsdesign. Flächendeckend wäre hier bei konsequenter Ausdehnung auf alle Getränkebereiche nur die markenbezogene Leergutsortierung in den Lägern des Einzelhandels. Die Aufnahme-kapazität des deutschen Getränkemarktes für ausländische Anbieter aus der EU stieße damit schnell an ihre Grenzen.
Ohnehin sind der vollmundig angekündigten universellen Rückgabemöglichkeit für Pfand-Verpackungen rechtliche Grenzen gesetzt. Wer Einweg verkauft, muss noch lange nicht alles zurücknehmen. Schließlich nehmen ab 1. Oktober nach den Regeln der Verpackungsverordnung Läden nur Leergut zurück, das nach Verpackungsmaterial und Design und Füllvolumen mit dem jeweils geführten Vollgutsortiment in der jeweiligen Verkaufsstelle übereinstimmt. Wer nur Bier in Dosen verkauft, braucht keine Cola-Dosen zurücknehmen. Wer Limo in 1-Liter-Flaschen führt, braucht keine Halblitergebinde für Brause zurücknehmen. Wer nur Plaste-Flaschen führt, der braucht keine Glasflaschen zurücknehmen.
Mit der Pfandpolitik steht die ökologische Steuerungslogik der gesamten Verpackungsverordnung auf dem Prüfstand: Gerne wird die erste Pfandverordnung gegen Kunststoffflaschen vom 20.12.1988 als die Geburtsstunde der Verpackungsverordnung und effiziente PET-Einwegbremse gefeiert. Fünfzehn Jahre danach scheint trotz Pfand der Siegeszug für PET-Einweg kaum aufzuhalten.
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