Die wissensbasierte Volkswirtschaft braucht nicht nur die Elite, sondern den individuell qualifizierten Jedermann
(Gelsenkirchen) - Wer allein auf Begabtenförderung und Eliteuniversitäten setzt, plant am tatsächlichen Bedarf unserer Wirtschaft vorbei. Eine wissensbasierte Volkswirtschaft braucht nicht allein hochqualifizierte Wissensarbeiter, die Wissen produzieren, sondern Fachkräfte, die den Überfluss an Wissen sinnvoll nutzen und in marktfähige Produkte und Leistungen umsetzen können. Das Turbo-Gymnasium und die Elite-Hochschule für die Besten klingen zunächst plausibel, sind aber der beste Weg, um Bildung zu einem Wachstumskiller zu machen, kritisierte Prof. Dr. Franz Lehner, Präsident des Instituts Arbeit und Technik (IAT/ Gelsenkirchen) auf dem Bochumer Kongress Zukunft Bildung 2005.
Wissensproduktion für erfolgreiche Innovation
Denn schon in wenigen Jahren droht ein herber Mangel an qualifizierten Fachkräften auch wenn das heute in Anbetracht anhaltend hoher Arbeitslosigkeit und immer neuer angekündigter Massenentlassungen ganz unglaublich klingt. Selbstverständlich ist es wichtig, Spitzenwissen voranzutreiben und die Wissensmaschinerie der wissensbasierten Volkswirtschaft auf vollen Touren produzieren zu lassen, aber in Wachstum und Beschäftigung schlägt sich das nur dann nieder, wenn das Wissen in Form von innovativen Produkten möglichst rasch auf den Markt gebracht wird, stellt Prof. Lehner fest. Sieger im globalen Wettbewerb und im raschen Strukturwandel ist nicht, wer das meiste Wissen produziert, sondern wer das neueste Wissen rasch in erfolgreiche Innovation umsetzen kann.
Dazu braucht man nicht nur eine kleine Elite, sondern viele gut qualifizierte Arbeitskräfte auf allen Ebenen. Man braucht unter anderem erfahrene und gut qualifizierte Facharbeit in der Produktion, um ein neues innovatives Produkt fehlerfrei und mit hoher Qualität und Produktivität zu produzieren.
Individuelle Bildung in Spitze und Breite
Das Bildungssystem in Deutschland repräsentiert noch zu stark eine frühindustrielle Welt die Welt der Massenproduktion, die eine kleine gebildete Elite braucht und sonst mit Masse ohne Klasse zufrieden ist. Die moderne industrielle Produktion verlangt die Verbindung von Masse mit Klasse also qualifizierte Arbeitskräfte auf allen Ebenen. Die wissensbasierte Volkswirtschaft geht noch weit darüber hinaus und fordert die Verbindung von Masse mit Spitze und eine auf jedes einzelne Kind individuell ausgerichtete Bildung.
Gerade dem deutschen Bildungssystem fällt es jedoch immer noch sehr schwer, Menschen mit ganz unterschiedlichen Voraussetzungen entsprechend ihren spezifischen Fähigkeiten, Neigungen, Kompetenzen und Erfahrungen qualifiziert zu bilden und zu fördern und damit eine hohe Qualität der Bildung für alle Menschen abzusichern. Nur wenn das gelingt, wird Bildung in der wissensbasierten Volkswirtschaft zur Jobmaschine, so Prof. Lehner.
Wissensbasiertes Bildungssystem
Ob wir den Sprung zur wissensbasierten Volkswirtschaft erfolgreich schaffen, hängt davon ab, wie wir in den nächsten Jahren unser Bildungssystem gestalten. Folgende Anforderungen sieht Lehner: Ein wissensbasiertes Bildungssystem ...
- nutzt für die Gestaltung seiner Lernprozesse und seiner Organisation systematisch das neueste Wissen aus Wissenschaft und bester Praxis sowie die Erfahrungen seiner Lehrenden,
- richtet seine Lernprozesse konsequent auf das individuelle Wissen und die individuellen Fähigkeiten der Lernenden aus,
- betrachtet das Wissen, die Kompetenz und die Motivation der Lehrenden als zentrale Ressource und investiert systematisch in deren Weiterentwicklung,
- braucht viel Wissen, Engagement und Freiräume, aber wenig Regulierung und noch weniger Bürokratie!
Quelle und Kontaktadresse:
Institut Arbeit und Technik
Munscheidstr. 14, 45886 Gelsenkirchen
Telefon: 0209/17070, Telefax: 0209/1707110