Die nächste Generation vor weiblicher Genitalverstümmelung schützen
(Freiburg) - Am heutigen Internationalen Tag gegen weibliche Genitalverstümmelung fordert IN VIA Deutschland mehr Unterstützung für betroffene und bedrohte Mädchen und Frauen. Um diese schwere Menschenrechtsverletzung zu beenden, muss die öffentliche Hand mehr in Aufklärung und Prävention investieren. Chancen hierfür bietet das erfreulicherweise endlich verabschiedete Gewalthilfegesetz.
Mehr als 230 Millionen Mädchen und Frauen sind nach Schätzungen von UNICEF weltweit von der Verstümmelung bzw. Beschneidung ihrer Genitalien (Female Genital Mutilation/Cutting, kurz: FGM_C) betroffen. In Deutschland leben bis zu 104.000 Betroffene, schätzt Terre des Femmes. Zudem gelten bis zu 17.000 Mädchen als gefährdet. Überlebende von FGM_C kämpfen tagtäglich mit den gravierenden Folgen für ihre Gesundheit und Psyche.
„FGM_C ist ein stark tabuisiertes Thema. Unsere größte Herausforderung ist es, Räume für vertrauensvolle Gespräche zu schaffen und die Mädchen und Frauen zum Sprechen zu ermutigen“, erklärt Julia Seeber, Leiterin der Fachberatungsstelle FGM_C von IN VIA Würzburg, die vom bayrischen Sozialministerium gefördert wird. „In der Beratung geht es häufig um Fragen zu Genitalverstümmelung im Zusammenhang mit Asyl, Kinderschutz, Gesundheit und Schwangerschaft. Dank unseres Peer-to-Peer Konzepts und der Zusammenarbeit mit Sprachmittler*innen können wir die Beratung sowie Informations- und Austauschtreffen für Frauen aus Prävalenzländern meist in der jeweiligen Muttersprache anbieten.“
Ratsuchende werden zeitnah in passende medizinische und psychosoziale Hilfen vermittelt, sofern diese verfügbar sind. IN VIA Würzburg hat vor Ort einen Runden Tisch ins Leben gerufen und gehört zum „Bayerischen Beratungs- und Präventionsnetzwerk im Bereich weibliche Beschneidung (FGM_C)“, in dem auch IN VIA Bayern mit Schulungsangeboten für Fachkräfte aktiv ist.
Bundesweit gibt es viel zu wenig spezialisierte Beratungsstellen. IN VIA Deutschland fordert deshalb, diese – auch mit Mitteln des Gewalthilfegesetzes – flächendeckend auszubauen. Zudem bedarf es mehr Investitionen in die Ausbildung von Sprachmittler*innen, in Fortbildungsangebote für pädagogische und medizinische Fachkräfte sowie in die Förderung von Netzwerkarbeit zur Prävention.
In Deutschland lebenden Mädchen droht auf Reisen in ihre Herkunftsländer, dass der traumatisierende Eingriff dort durchgeführt wird. Selbst wenn Eltern die Verstümmelung ablehnen, können sie ihre Töchter nicht immer davor bewahren, da in der sozialen Gemeinschaft immenser Druck vorherrschen kann. Das Bundesfrauenministerium hat 2021 einen Schutzbrief gegen weibliche Genitalverstümmelung herausgegeben, den Familien auf Reisen mitnehmen können. Der in 16 Sprachen verfügbare Schutzbrief informiert über die Strafbarkeit in Deutschland: Eltern droht eine Haftstrafe von bis zu 15 Jahren, wenn sie selbst eine Genitalverstümmelung an ihrem Kind durchführen oder eine andere Person nicht daran hindern – auch wenn die Tat im Ausland stattfindet.
„In der Praxis zeigt sich, dass Frauen damit ihre Familienangehörigen in der Heimat über die Rechtslage in Deutschland informieren“, berichtet Julia Seeber. „Entscheidend für die Prävention ist der partizipative Ansatz in der Community-Arbeit sowie das Empowerment von Frauen. Darüber hinaus braucht es dringend eine Sensibilisierung für das Thema bei allen Berufsgruppen, die mit betroffenen und bedrohten Mädchen und Frauen arbeiten.“
Quelle und Kontaktadresse:
IN VIA - Katholische Mädchensozialarbeit - Deutscher Verband e.V., Elise Bohlen, Referent(in) Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Karlstr. 40, 79104 Freiburg, Telefon: 0761 200-231