Die hessische Chemie- und Pharmabranche schlägt Alarm: Energie- und Strompreise führen in die Rezession
(Wiesbaden/Frankfurt) - Die chemische und pharmazeutische Industrie in Hessen blickt mit Sorge auf das kommende Jahr. "Die durch den Überfall Russlands auf die Ukraine ausgelöste Energiekrise hat unsere Branche mit voller Wucht getroffen", sagt Jochen Reutter, Vorstandsvorsitzender des VCI Hessen beim heutigen Herbst-Pressegespräch der Chemieverbände Hessen.
Mit rund 12,9 Milliarden Euro steigen die Umsätze in den klassischen Chemiesparten bis August um 13,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr an. Die Produktion gibt um 8,9 Prozent nach. Damit befindet sich das Produktionsniveau in den klassischen Chemiesparten auf dem niedrigsten Stand seit neun Jahren. Gleichzeitig liegen die Auftragseingänge in der Chemie um 12,5 Prozent unter dem Vorjahr. Die Pharmaindustrie bleibt hingegen Stabilitätsanker und erreicht bis August einen Gesamtumsatz von knapp 9,9 Milliarden Euro und damit 9,4 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Die Produktion wurde hier um 5,7 Prozent ausgeweitet.
Die statistischen Daten werden gestützt von zwei Verbandsumfragen, wonach zwei Drittel der Mitgliedsunternehmen ihre aktuelle Geschäftslage zwar noch als gut bzw. befriedigend ansehen, für die nächsten Monate jedoch eine deutliche Verschlechterung ihrer Ertragssituation erwarten. Damit hat sich die Stimmungslage in den Unternehmen innerhalb eines Jahres komplett ins Negative gedreht.
Verbandsvorsitzender Reutter sieht die hohen Preise bei Energie und Rohstoffen als das größte Problem der Unternehmen in der Produktion. Jeweils drei Viertel der Unternehmen gaben die hohen Energiepreise und die Preissteigerungen bei Vorprodukten als Grund für massive Störungen ihrer Betriebsabläufe an. Für 2023 erwartet ein Drittel der Mitgliedsunternehmen einen weiteren Anstieg der Energiekosten um 50 Prozent. Als Alarmzeichen wird gesehen, dass mehr als die Hälfte der Unternehmen ihre Sachinvestitionen aufschieben.
Speziell die Corona-Pandemie hatte sich in den letzten beiden Jahren negativ auf den Ausbildungsmarkt ausgewirkt. Daher ist es sehr erfreulich, dass im Ausbildungsjahr 2022 insgesamt 1.455 neue Ausbildungsplätze angeboten wurden und damit 9,5 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Übernahmequote nach erfolgreicher Ausbildung liegt bei 94 Prozent, und damit um 5 Prozentpunkte höher.
Aus der Analyse der Umfragen und der statistischen Daten leiten die Chemieverbände einige politische Forderungen ab. "Die Unternehmen erhoffen sich eine spürbare Verkürzung und Verschlankung der Genehmigungsverfahren", stellt Gregor Disson, Geschäftsführer des VCI Hessen fest. Fatal ist das Zusammenspiel von aktueller Krisenlage und weiter zunehmendem Regulierungsdruck. "Wir brauchen daher eine wirksame Gas- und Strompreisbremse für unsere Branche und ein Moratorium für neue bürokratische Auflagen. Die überbordende industriebezogene europäische Gesetzgebung macht insbesondere unseren kleinen und mittelständischen Unternehmen schwer zu schaffen." Die Ziele des EU-Green Deals müssten mit Wettbewerbsfähigkeit und zukunftsfähigen Arbeitsplätzen in der Industrie in Einklang gebracht werden.
Dirk Meyer, Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbands HessenChemie fordert, die Fachkräftezuwanderung zu erleichtern, indem die Vergabe von Aufenthaltstiteln und die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse verbessert wird. Zur Krisenbewältigung und erfolgreichen Zusammenarbeit setzen die Unternehmen auf ihre qualifizierten Belegschaften und auf flexible Arbeitsmodelle. "Ein modernes Arbeitszeitgesetz gibt Unternehmen und Beschäftigten den notwendigen Spielraum, die vereinbarte Arbeitszeit und Ruhezeiten an tatsächliche Bedarfe anzupassen. Was sie nicht brauchen, ist neuer gesetzlicher Bürokratieaufwand durch minutengenaues Aufschreiben der Arbeitszeit", so Meyer.
Quelle und Kontaktadresse:
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Jürgen Funk, Geschäftsführer Kommunikation und Bildungspolitik
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