Die Gehirnlaufzeiten sind heute wichtiger als die Maschinenlaufzeiten / Die neue soziale Frage: Mehr und bessere Bildung für alle / Institut Arbeit und Technik untersuchte Zusammenhang von Ökonomie und Bildung
(Gelsenkirchen) - Die Teilhabe an Bildung wird in Deutschland zunehmend zur neuen sozialen Frage. Denn der Übergang vom Rand des Beschäftigungssystems in den Kernbereich gestaltet sich immer schwieriger. Das zeigen aktuelle Untersuchungen des Instituts Arbeit und Technik zum Zusammenhang von Arbeitsmarkt und Bildung.
Am Rand des Arbeitsmarktes zeichnen sich neue Risikogruppen ab: 9,6 Prozent der Schüler verlassen die Schule ohne Hauptschulabschluss. Jeder vierte Ausbildungsvertrag wird aufgelöst (1984 nur 14 Prozent), 62 Prozent verbleiben im Bildungssystem, der Rest fällt heraus. 30 Prozent der Studierenden brechen ihr Studium ab. Ein wachsender Anteil von Beschäftigten arbeitet befristet, geringfügig oder in Leiharbeit mit geringen Zugängen zu Bildung. Bei den Zuwanderern gibt es hohe Anteile gering Qualifizierter und die Zuwanderung ist oft mit Brüchen in der Bildungs- und Erwerbsbiografie verbunden. Das zeigt den großen Bedarf für eine zweite Chance, so der Arbeitsmarktforscher Prof. Dr. Gerhard Bosch, Vizepräsident des Instituts Arbeit und Technik.
Bildung lohnt sich nicht nur finanziell, weil höhere Einkommen erzielt werden können, sie sichert auch die Beschäftigungsfähigkeit. Während der Arbeitsmarkt in den 50er Jahren noch von hohen Beschäftigungsquoten der geringer Qualifizierten gekennzeichnet war, gelten hohe Beschäftigungsquoten und lange Arbeitszeiten heute für die höher Qualifizierten, dagegen kürzere Arbeitszeiten und geringere Beschäftigungsquoten für die geringer Qualifizierten. Die Gehirnlaufzeiten sind heute wichtiger als die Maschinenlaufzeiten, so Prof. Bosch. Die Qualifikation entscheidet oft auch über die Beschäftigungsfähigkeit im Alter: 61,4 Prozent der 55-64jährigen Männer mit hoher Qualifikation sind noch beschäftigt, bei niedriger Qualifikation sind es lediglich 35,5 Prozent. Ähnliches zeigt sich bei der Teilnahme an Weiterbildung: Je höher der berufliche Bildungsabschluss, desto eher nehmen auch die Älteren noch an Weiterbildung teil. Fazit ist: die Renten- und Arbeitmarktreformen müssen bildungspolitisch unterfüttert werden!.
In der aktuellen Bildungsdiskussion plädiert Bosch deshalb für die schrittweise Einführung eines Erwachsenenbafögs. Das Steuerungssystem bei der Bundesagentur für Arbeit sollte so weit geändert werden, dass längerfristige Bildungsmaßnahmen erleichtert werden. In die Tarifabschlüsse sollten Anrechte auf Weiterbildung und Modelle zur Kostenteilung aufgenommen werden. Die Qualifizierung von An- und Ungelernten im Betrieb muss stärker öffentlich gefördert werden. Zielvorgaben sind nicht nur nötig für den gewünschten 3-%-Anteil von Forschung- und Entwicklung am Bruttosozialprodukt oder einen höheren Akademikeranteil in Deutschland (Steigerung von 19 Prozent auf den OECD-Durschschnitt 30,3 Prozent), sondern auch für die Verringerung des Anteils Jugendlicher ohne Berufsabschluss: Bis 2010 sollte diese Quote auf 10 Prozent zurückgeführt werden.
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