Pressemitteilung | Bundesverband Deutscher Mittelstand e.V. - BM

Die EU und Deutschland im Spannungsfeld zwischen dem Iran und den USA

(München/Teheran) - Die Kündigung des Atomabkommens mit Iran durch Präsident Trump hat die Welt unsicherer gemacht. Die derzeitigen Spannungen im Persischen Golf bergen das Risiko eines militärischen Konfliktes in einer bereits heute instabilen Region. Es droht eine militärische Auseinandersetzung um die Straße von Hormus, einer der wichtigsten Schifffahrtsrouten der Welt mit gravierenden Folgen für den Welthandel. Andere bestehende Konflikte beschäftigen uns weiter. Die EU ist machtlos.

Ein Beitrag von Jürgen Chrobog, Staatssekretär des Auswärtigen und Botschafter in Washington a.D., Partner Berlin Global Advisors, Präsident Europäischer Senat-Politik der Wir Eigentümerunternehmer, Politischer Berater des Bundesverbandes Deutscher Mittelstand e.V., Mitglied im Beraterstab Consileon Karlsruhe:

Die Lage im Persischen Golf

Die Aufbringung eines iranischen Tankers vor Gibraltar und die darauffolgende Festsetzung eines britischen Tankers im Persischen Golf durch iranische Revolutionsgarden haben die Spannungen erhöht. Sollte Präsident Rohani seine Drohung wahrmachen, die Straße von Hormus zu blockieren, hätte dies erhebliche wirtschaftliche Folgen für Europa. Präsident Trump hat die rote Linie deutlich markiert. Eine US Militäraktion wäre unausweichlich. Der Iran wird sich daher sehr genau überlegen müssen, ob er das Risiko einer Sperrung riskieren will. 75 Prozent der iranischen Ölexporte geht nach Asien insbesondere nach China, Indien und Japan. Eine Seeblockade könnte die langjährige Freundschaft mit China beenden. Sie würde Irans Gegnern in die Hände spielen und eine internationale Militäraktion rechtfertigen. Es ist nicht davon auszugehen, dass Teheran das Risiko eines Krieges mit den USA eingehen wird. Es testet aber seine Möglichkeiten aus. Das Risiko liegt in der Fehleinschätzung auf den Seiten aller Beteiligter.

Die amerikanische Iranpolitik

Weder im Kongress noch in der Bevölkerung hat der Iran Fürsprecher. Botschaftsbesetzung und Geiselnahme in Teheran 1979 bleiben bei den Amerikanern unvergessen. Die wirtschaftlichen und kulturellen Kontakte sind gekappt. Die immer schärfer werdende Sanktionspolitik zielt bereits auf die Präsidentschaftswahlen 2020 ab und findet breite Zustimmung im US Kongress und in weiten Teilen der Bevölkerung. Der Präsident kann mit dieser Politik innenpolitisch Punkte sammeln.

Der Israelische MP Netanjahu ist seit langem der Überzeugung, dass eine militärische Intervention im Iran unausweichlich ist. Da er weiß, dass die US Regierung und die Mehrheit der Amerikaner fast bedingungslos hinter Israel stehen, ist für ihn das israelische Risiko eines Krieges überschaubar. Auch Saudi-Arabien als Erzfeind des Iran hat sich dieser Allianz angeschlossen. Dies alles erhöht die Gefahr von Provokationen mit unkalkulierbarem Ausgang.

Der Iran hat seit Abschluss des Nuklearabkommens bis zu dessen Aufkündigung durch die USA nie gegen Wortlaut und Geist des Nuklearabkommens verstoßen. Vierzehn Inspektionen der IEAO haben die Vertragstreue Teherans bestätigt. Insofern gab es mangels Verstoßes auch keinen Grund zur Kündigung. Teherans Antwort ist bisher noch verhalten. Man unterrichtet die IEAO über jeden Schritt, der eine Vertragsverletzung bedeutet. Die bisherige Urananreicherung hat die kritische Schwelle zum Bombenbau bisher noch nicht erreicht. Aber der Trend ist hochgefährlich. Die Europäer müssen ihre Bemühungen der letzten Monate aufrechterhalten, den Iran davon zu überzeugen, das Abkommen seinerseits nicht komplett außer Kraft zu setzen. Moderate Stimmen in Teheran werden immer wieder von den Revolutionsgarden durch Sabotageangriffe gegen Schiffe und wie zuletzt die Festsetzung des britischen Tankers konterkariert. Aber auch die ständigen Provokationen von Trump wie seine Sanktion gegen Zarif, unseren wichtigsten und moderatesten Gesprächspartner in Teheran, tragen zu den Spannungen bei.

Die Rolle Deutschlands und der EU

Präsident Trump will Kriegsschiffe in den Golf entsenden, um die Durchfahrt durch die Meerenge auch gegen den Willen Irans zu gewährleisten. Die neue britische Regierung hat entgegen der Meinung ihrer Vorgängerin entschieden, sich an einem von den USA geführten Marineeinsatz zu beteiligen. Johnson will auf diese Weise ein Zeichen für den engen angelsächsischen Schulterschluss und seine persönliche Freundschaft mit Präsident Trump setzen. Damit bleibt nicht mehr viel von einer zukünftigen engen sicherheitspolitischen Zusammenarbeit mit dem ehemaligen EU Partner übrig. Die neue britische Regierung strebt ein möglichst baldiges Freihandelsabkommen mit den USA an. Abgesehen davon, dass es rechtlich noch lange an die EU gebunden sein wird, kann man auch aus Erfahrung daran zweifeln, dass der Grundsatz des "American First" nicht auch gegenüber den Briten gelten werde. Johnson überschätzt seinen Einfluss und seine Nähe zum amerikanischen Präsidenten.

Die deutsche Wirtschaft hat ein vitales Interesse an der Offenhaltung der Seewege. Präsident Trump fordert nachdrücklich die Entsendung deutscher Kriegsschiffe in den Golf. Er bringt die Bundesregierung damit bewusst in Verlegenheit. Der Präsident ist für seine erratischen und unabgestimmten Entscheidungen bekannt. Groß ist die Gefahr eines militärischen Zwischenfalls, über dessen Urheberschaft dann gestritten würde. Die Bundesregierung möchte nicht in einen derartigen Konflikt hineingezogen werden. Die EU und die USA verfolgen grundsätzlich unterschiedliche Ziele in ihrer Iranpolitik. In Berlin lehnt man die US "Strategie des maximalen Drucks" gegen den Iran ausdrücklich ab und wünscht eine Seeraumüberwachungsmission unter europäischer Führung. Dies findet Zustimmung in den Regierungsparteien und sogar bei den Grünen. Auch Frankreich ist für eine europäische Lösung. Andere EU Partner müssen noch gewonnen werden. Wichtig ist es für die EU, die Gesprächskanäle zum Iran aufrechtzuerhalten. Nur dann ist eine diplomatische Lösung zur Rettung des Nuklearabkommens denkbar. Die USA sind hier Teil des Problems und nicht der Lösung. Präsident Trump wird die deutsche Verweigerung erneut zum Anlass nehmen, Deutschland auf die Anklagebank zu setzen und unsere Bündnistreue infrage zu stellen. Seine Ablehnung der deutschen Politik führt immer wieder zu Drohungen mit Strafmaßnahmen. Einfuhrzölle für deutsche Kraftfahrzeuge sind ein probates Mittel der Sanktionierung. Man kann nur hoffen, dass sich der Präsident mit der von ihm erreichten Erhöhung von amerikanischen Rindfleischexporten nach Deutschland, die er als Sieg feiert, zunächst zufriedengibt.

Wirtschaftsbeziehungen EU-Iran

Bemühungen, den Handel mit iranischen Firmen aufrechtzuerhalten, waren erfolglos. Besonders deutsche mittelständische Unternehmen haben im Iran in gutem Glauben in Wirtschaft und Handel investiert. Die schon immer geringen deutschen Exporte und Investitionen sind durch die US Sanktionen praktisch zum Erliegen gekommen. Keine Firma geht das Risiko ein, sich den Amerikanern zu widersetzen. Exportierte Produkte haben häufig amerikanische Komponenten und fallen damit unter das Embargo. Firmeninhaber wollen für sich auch nicht zukünftige Reisen und Geschäfte in den USA unmöglich machen.
Von Anfang konnten die Finanzierungsprobleme der Wirtschaft bei ihren Geschäften mit dem Iran trotz aller Bemühungen der EU Kommission nicht gelöst werden. Alle Versprechungen, den Unternehmen Wege aufzuzeichnen, die US Sanktionen zu umgehen, blieben erfolglos. Sowohl das von der EU Kommission entwickelte "Instrument in Support of Trade Exchanges" (INSTEX) wie auch das entsprechende iranische "Special Trade and Finance Institute" (STFI) bleiben aus den vorgenannten Gründen wirkungslos. Der Iran verlangt verständlicherweise mehr von der EU als nur moralische Unterstützung. Die von ihm geforderte Kompensation für erlittene Verluste wird allerdings nicht geleistet werden können. Chinesen und Russen bleiben weiter Irans Verbündete. Profitieren wird insbesondere China. Deutsche Firmen können nur auf bessere Zeiten nach Trump hoffen. Bis dahin sollten sie bestehende Kontakte mit ihren iranischen Partnern nicht abreißen lassen.

Weltweite Spannungen

Der Irankonflikt ist nur einer unter vielen anderen in der Welt - möglicherweise nicht einmal der gefährlichste. Der Krieg in der Ukraine, die Spannungen USA-Russland, der Handelsstreit der USA mit China, die Lage in und um Syrien, weltweiter Terrorismus sind nur einige Beispiele. In diesen Tagen kommen noch die indisch-pakistanischen Spannungen hinzu. Ohne Not hat Indien den seit Jahrzehnten bestehenden und international anerkannten Autonomiestatus in Kaschmir aufgehoben. Zwei nuklear bewaffnete Staaten stehen sich unversöhnlich gegenüber. Dieser Konflikt rückt damit an die Spitze in der Rangfolge der gefährlichsten Spannungen in der Welt. Hier stehen wieder Groß- und Regionalmächte auf unterschiedlichen Seiten. Ihre Führer nehmen ihre Verantwortung nicht wahr. Auch wenn die gegenseitige Abschreckung wirkt und beide Länder ihre Atomwaffen nicht einsetzen, bleibt die Lage gefährlich. Ein neuer Stellvertreterkrieg zur Neuordnung der Machtverhältnisse in der Region kann sich daraus entwickeln. Die USA, die früher immer zwischen Indien und Pakistan vermittelt haben, fallen als Ordnungsmacht aus. Für die Wirtschaft entstehen zusätzliche regionale Risiken. Handelswege sind gefährdet. Die Gefahr von Anschlägen nimmt zu.

Die Europäer sind mit sich selbst und dem Brexit beschäftigt.

Quelle und Kontaktadresse:
Bundesverband Deutscher Mittelstand e.V. - BM Johann Stigler, Pressestelle Edelsbergstr. 8, 80686 München Telefon: (089) 57007-0, Fax: (089) 57007260

(sf)

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