Die besten Verbraucher der Welt direkt vor der Haustür / Die Mitglieder der Württembergischen Weinerzeugergemeinschaft e. V. im Verband der Agrargewerblichen Wirtschaft(VdAW) e. V. sind in Untergruppenbach zusammengekommen
(Stuttgart) - "Wir erzeugen die besten Weine, die je gewachsen sind, mit einem sehr guten Preis-/ Leistungsverhältnis. Reicht das aber aus, um den Verbraucher weiterhin von unseren Produkten zu überzeugen?" Dies fragte Jürgen Willy, Vorsitzender der Württembergischen Weinerzeugergemeinschaft bei deren Mitgliederversammlung vor einer Woche in Untergruppenbach. Die heutigen Verbraucher erwarten Willy zufolge mehr: Ein grünes Weinbauunternehmen, das sich in allen Prozessen und Abläufen mit der Nachhaltigkeit beschäftige, die Dokumentation sowie ein perfekter Umgang mit Reben und Trauben in Hinblick auf Qualität und Gesundheit. Damit einher gehe eine transparente Arbeitsweise, womit die Betriebe das Vertrauen der Verbraucher erwerben und diese mit ihrem Produkt begeistern sollten. Darüber hinaus verwies Jürgen Willy als weiteres Kriterium auf den so genannten Carbon Foodprint, der aussagt, wie viel Kohlendioxid bei der Erzeugung in die Atmosphäre abgegeben wird.
Diese Anstrengungen werden jedoch den sich auch im Weinbau vollziehenden Strukturwandel nicht aufhalten, war sich der Vorsitzende sicher. Derzeit bearbeitet ein Mitglied der Erzeugergemeinschaft im Schnitt 90 Ar Rebfläche, wobei man davon ausgeht, dass ein Betrieb in Zukunft 7 ha und mehr Fläche zum Überleben benötigen wird. Dabei hat Deutschland nach Frankreich, Italien und den USA den viertgrößten Weinmarkt. Er blieb im vergangenen Jahr von der Wirtschaftskrise weitgehend verschont; der Umsatz mit Wein ist in Deutschland 2009 erneut gestiegen, und zwar um 1,2 Prozent. Wie Willy jedoch mit Bedauerung feststellte, stammten 57 Prozent der hierzulande verkauften Weine aus anderen Ländern. Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland 9,88 Mio. hl Wein geerntet, davon wurden 2,1 Mio. hl exportiert, der Rest wurde komplett im Inland vermarktet. Doch trotz der harten Markt- und Preisstrukturen ist Jürgen Willy optimistisch: "Wir haben die besten Verbraucher der Welt direkt vor unserer Haustür."
Gute 12 Prozent der in Württemberg erzeugten Weinmenge stammen von den 854 Mitgliedern der Württemberger Weinerzeuger im VdAW. Vermarktet wird das Traubengut von den 23 VdAW-Vertragskellereien. "Die Zukunft liegt jedoch nicht in der Menge des erzeugten Weines", war VdAW-Geschäftsführer Erich Reich bei seinem Geschäftsbericht überzeugt. Selbst wenn die gesetzliche Höchstmenge in Württemberg mit 11 000 l/ha und in Steillagen 15 000 l vorgegeben sei, könne dies keine Zielgröße für die Erzeugung für jede Rebsorte sein. Vielmehr müsse man die Qualitäten erhöhen und die Mengen reduzieren, um das Niveau zu halten. Der Geschäftsführer riet den anwesenden Weinbauern, ihre Anbauentscheidung in enger Abstimmung mit ihrem Vermarkter der privaten Weinkellerei zu treffen. Angesichts der sinkenden Auszahlungspreise könne man das eigene Preisniveau nur halten, wenn die Weine es auch wert seien. Reich verwies auf die Kostensteigerungen auf der Produktions- und Kellereiseite, die bisher noch nicht in steigende Preise umgesetzt worden seien.
Hermann Hohl, der Präsident des Württembergischen Weinbauverbandes, empfahl den Zuhörern in diesem Punkt, enger zusammen zu arbeiten, um beispielsweise die steigenden Kosten in der Technik zu kompensieren. Hohl ging in seinem Grußwort auch auf das veränderte EU-Bezeichnungsrecht für Weine ein, bei dem das gesamte deutsche Weinbezeichnungsrecht nahezu eins zu eins in das EU-Recht übernommen wurde. Dieses gewährt zusätzliche Bezeichnungsmöglichkeiten, sei es im geographischen Anbaugebiet oder bei der geschützten Ursprungsbezeichnung. Wie Hohl weiter erklärte, gibt es beispielsweise die Bezeichnung Tafelwein nicht mehr, dieser heißt nun schlichtweg "Deutscher Wein".
Neu ist, es darf eine Rebsorte angegeben werden, zum Beispiel Trollinger, Lemberger Riesling usw. jedoch keine Rebsorte, die in Verbindung mit einem Anbaugebiet steht. So darf etwa der Name Spätburgunder nicht mehr aufs Etikett, da man ihn mit dem französischen Anbaugebiet Burgund in Verbindung bringen könnte.
Das neue Bezeichnungsrecht ist Teil der EU-Weinmarktreform, die auch Struktur- und Qualitätsprogramm für den Weinbau umfasst. So sollen im Rahmen einer Richtlinie des baden-württembergischen Landwirtschaftsministeriums die Umstrukturierung und Modernisierung von Rebflächen weitergeführt werden sowie Maßnahmen zur Absatzförderung auf Drittlandsmärkten und Investitionen im Zusammenhang mit Fusionen sowie Investitionen in Qualität und Innovation unterstützt werden. Wie Friedlinde Gurr-Hirsch, Staatssekretärin im Stuttgarter Agrarministerium, erläuterte, stehen dafür Fördermittel in Höhe von 50 Mio. Euro zur Verfügung. Als bedeutend erachtete Gurr-Hirsch, die Präsentation der Weine, die Weinwerbung und die touristischen Aktivitäten ständig weiter zu entwickeln. Großes Potenzial läge auch im Bereich "Wein und Tourismus", weshalb in der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau in Weinsberg und am Staatlichen Weinbauinstitut in Freiburg zu den Themen "Wein-Architektur und Tourismus" und "Weinbergsökologie und Tourismus" Projekte gestartet würden. Die aus Untergruppenbach stammende Agrarstaatssekretärin ging auch auf den Anbaustopp ein, der 2015 auslaufen soll, aber noch bis 2018 verlängert werden könnte. Für die Verlängerung des Anbaustopps sprach sich auch Landtagsmitglied Albrecht Fischer (CDU) in seinem Grußwort an die Zuhörer aus.
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