Pressemitteilung | Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB) - Bundesvorstand

DGB hält Sozialagenda der EU-Kommission für enttäuschend / Lange: „Soziales Deckmäntelchen“

(Berlin/Brüssel) - Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) in Niedersachsen hält die heute (2. September 2008) von José Manuel Barroso, dem Präsidenten der EU-Kommission, im Europäischen Parlament vorgestellte sogenannte Sozialagenda für enttäuschend. DGB-Wirtschaftsexperte und ehemaliger Europaabgeordnete Bernd Lange sagte: „Die Europäische Union (EU) hat seit geraumer Zeit eine deutliche Schlagseite zugunsten des freien Wettbewerbs, Arbeitnehmerrechte bleiben auf der Strecke. Gut ein Jahr vor dem Ende ihrer Amtszeit versucht die EU-Kommission nun offenbar ihr ramponiertes soziales Image aufzupolieren. Diese Agenda ist aber nur ein soziales Deckmäntelchen, denn in zentralen Politikfeldern wird kein Fortschritt für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sichtbar.“

Die in der Sozialagenda enthaltenen Vorstellungen der Europa-Kommission zur Revision der Euro-Betriebsratsrichtlinie hält der DGB-Experte für nicht weitgehend genug. In einem Zwischenbericht war noch vorgesehen, dass Belegschaftsvertreter vor der definitiven Entscheidung über Umstruk-turierungen und Verlagerungen von Betrieben konsultiert werden müssen. Von dieser Idee findet sich im nun vorgestellten Entwurf nichts wieder. Damit ist auch weiterhin bei für Arbeitnehmerinnen und Arbeitenehmern so entscheidenden Fragen wie Betriebsverlagerungen, -reduzierungen oder -umstrukturierungen keine Konsultation der BelegschaftsvertreterInnen vorgeschrieben.

Unverständlich ist auch, dass der Schwellenwert für die Zahl der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die ein Unternehmen haben muss, um einen europäischen Betriebsrat gründen zu können, von bisher 1.000 nicht weiter gesenkt wird. Gewerkschaften finden weiterhin keine Beteiligung, bei Verstößen gegen die Richtlinie von Seiten der Unternehmensleitung sind keine Regelungen für Sanktionen vorgesehen.

DGB-Vertreter Bernd Lange kritisiert außerdem, dass wichtige Punkte in der Sozialagenda schlicht fehlen. So weigert sich die EU-Kommission beharrlich eine Überarbeitung der EU-Entsenderichtlinie vorzulegen. Nach den jüngsten Urteilen des Europäischen Gerichtshofes z.B. gegen das niedersächsische Vergabegesetz sind Veränderungen der Richtlinie dringend nötig, um Lohn- und Sozialdumping in Europa den Riegel vorzuschieben. Eine überarbeitete EU-Entsenderichtlinie müsste z. B. klarstellen, dass für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus dem EU-Ausland im Hinblick auf Löhne und Arbeitsbedingungen die Vorschriften des Gastlandes gelten sollten. Ferner sollte die Möglichkeit verankert werden, dass die Mitgliedstaaten in Gesetzen oder Tarifverträgen auf „ortsübliche Löhne“ und nicht nur auf „Mindestlöhne“ verweisen.

Einzig die vorgeschlagenen Richtlinien zum besseren Schutz vor Diskriminierung und die Stärkung der Kassenpatientenrechte im EU-Ausland können aus Sicht des DGB als kleiner Fortschritt betrachtet werden. Für Bernd Lange ist das Fazit klar: „Mit der Sozialagenda sollen Europas Schwächen übertüncht werden. Wir brauchen eine solidarische Erneuerung der EU. Sonst wird die Zustimmung der Bürgerinnen und Bürger zum Projekt Europa sinken.“

Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB), Bundesvorstand Axel Brower-Rabinowitsch, Leiter, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Henriette-Herz-Platz 2, 10178 Berlin Telefon: (030) 24060-0, Telefax: (030) 24060-324

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