#DGB: #Demokratie, Europa und sozialen #Zusammenhalt stärken
(Berlin) - Der Geschäftsführende DGB-Bundesvorstand hat am Freitag in Berlin die politischen Schwerpunkte für das Jahr 2019 vorgestellt und die aktuelle politische Lage bewertet.
Nach ersten Erfolgen wie der Brückenteilzeit, den paritätischen Beiträgen zur Krankenversicherung oder dem Rentenpakt gehe es nun darum, dass die Bundesregierung weitere Versprechen aus dem Koalitionsvertrag einhalte, so DGB-Vorsitzender Reiner Hoffmann. Insbesondere bei der Tarifbindung gebe es Handlungsbedarf. Hoffmann sprach sich für eine Ausweitung der Allgemeinverbindlichkeit, für eine stärkere Nachwirkung bestehender Tarifverträge sowie für eine Bundestariftreue aus: "Tarifverträge sind ein öffentliches Gut. Sie sorgen für gleiche Wettbewerbsbedingungen und entlasten den Staat bei Verteilungskonflikten. Deswegen müssen staatliche Institutionen endlich eine Vorbildfunktion einnehmen bei der Vergabe."
Hohe Bedeutung misst der DGB-Vorsitzende den Wahlen zum Europäischen Parlament zu: "Europa ist zu wichtig, als dass es scheitern darf". Insgesamt sei das europäische Integrationsprojekt in keiner guten Verfassung. Dringend notwendig sei ein Politikwechsel, der das alte Wohlstandsversprechen für die Menschen wieder spürbar mache. "Dazu gehört ein ambitioniertes Zukunftsinvestitionsprogramm (Marshallplan) in den Bereichen europäische Verkehrsnetze, digitale Infrastruktur und europäische Energiewende. Nationale Kleinstaaterei wird den globalen Herausforderungen der Zukunft in keiner Weise gerecht. Gestärkt werden müssen auch die Arbeitnehmerrechte. Dazu gehört vor allem eine Stärkung der Tarifbindung überall in Europa", so Hoffmann.
Zwar liegen die endgültigen Mitgliederzahlen noch nicht vor, klar sei aber: "Mit knapp 6 Millionen Mitgliedern sind die DGB-Gewerkschaften nach wie vor die stärkste Stimme, die die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland haben." Besonders erfreulich sei, dass die Zahl der Neuzugänge um rund 15 Prozent gestiegen sei, von 850 pro Tag im Jahr 2017 auf täglich 950 in 2018.
Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack forderte die Bundesregierung auf, "endlich eine Gleichstellungsstrategie vorzulegen, wie sie im Koalitionsvertrag angekündigt wurde". Alle Gesetzesvorhaben sollten dahingehend geprüft werden, ob sie die strukturelle Benachteiligung von Frauen vermindern. "Für 2019 gibt es inzwischen zwar einen Haushaltsansatz für eine solche Strategie, aber noch keine konkreten Vorschläge aus dem zuständigen Ministerium - geschweige denn auch nur ein Zeichen der anderen Ressorts, sich hier zu engagieren. Wir setzen darauf, dass dies schnellstens kommt."
Den kürzlich vorgelegten Entwurf für die Novellierung des Berufsbildungsgesetzes kritisierte Hannack als unzureichend. Er müsse gründlich überarbeitet und um Maßnahmen für eine bessere Ausbildungsqualität ergänzt werden. "Bislang schweigt das Bildungsministerium zu diesem Thema", sagte Hannack. Die vom Ministerium vorgeschlagene Mindestausbildungsvergütung in Höhe von 504 Euro im ersten Ausbildungsjahr lehnte die Gewerkschafterin ab: "Von der Ausbildungsvergütung sind noch Beiträge für Kranken- und Pflegeversicherung, für Rente und Arbeitslosenversicherung abzuziehen. Netto liegt die Mindestvergütung von Azubis damit mehr als 100 Euro niedriger als das Schüler-BAföG für Berufsfachschüler. Gleichwertigkeit und Wertschätzung sehen anders aus." Der DGB fordert weiterhin 80 Prozent der durchschnittlichen tariflichen Ausbildungsvergütung.
DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach forderte die glaubwürdige Erneuerung des sozialen Sicherungsversprechens. "Viele Menschen sind im Moment verunsichert, das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit von Parteien und Regierung ist brüchig geworden", so die Gewerkschafterin. Die sozialen Sicherungssysteme müssen zukunfts- und leistungsfähig aufgestellt werden, um den Menschen Vertrauen zurückzugeben. Wer lange Jahre gearbeitet und in die Rentenversicherung eingezahlt hat, muss sicher sein können, im Alter auch eine Rente zu bekommen, von der er oder sie in Würde leben kann. Deshalb muss die Leistungsfähigkeit der Rente auch langfristig gesichert werden. "Dazu muss das Rentenniveau auch über 2025 hinaus dauerhaft stabilisiert und in einem weiteren Schritt wieder angehoben werden", so Buntenbach. Mit einem 6-Punkte-Plan hat der DGB außerdem ein Sofortprogramm gegen Altersarmut vorgeschlagen.
"Ich hoffe, dass die aktuelle Debatte um Hartz IV zu praktischen Konsequenzen führt. Das System muss umgebaut werden zu einer tragfähigen Grundsicherung, die ein menschenwürdiges Existenzminimum garantiert. Die Gewerkschaften haben entsprechende Vorschläge unter anderem für ein Anschlussarbeitslosengeld, die Reform von Kinderzuschlag und Wohngeld sowie eine Qualifizierungsoffensive vorgelegt", sagte Buntenbach.
Mit Blick auf die anstehenden Wahlen 2019 machte der DGB klar, dass er dem Versuch der AfD, sich ein soziales Mäntelchen über ihre nationalistischen und rassistischen Positionen zu hängen, keinen Platz lassen wird. "Die AfD eröffnet keinerlei Perspektiven für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, sondern setzt auf gesellschaftliche Spaltung. Umso wichtiger ist es, dass die anderen Parteien sich mit Nachdruck daran machen, das soziale Sicherungsversprechen glaubwürdig zu erneuern", sagte Buntenbach.
DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell, ebenfalls Mitglied in der Strukturwandelkommission, rief die Bundesregierung dazu auf, genügend Geld für den bevorstehenden Kohleausstieg bereitzustellen. "Ein vorgezogener Ausstieg ist politisch gewollt, er kostet viel Geld, und er wird erhebliche Auswirkungen auf die Beschäftigten, die Regionen, die Strompreise und damit auf Verbraucher und energieintensive Industrien haben." Die Politik stehe deshalb in der Verantwortung, "für einen gerechten Strukturwandel zu sorgen und Brüche zu vermeiden. Die Beschäftigten brauchen eine Sicherheitszusage, dass sie nicht ins Bergfreie fallen." Die Kommission müsse einen Kompromiss finden, "der Klimaschutz, gute Arbeit und gerechten Strukturwandel zusammenbringt. Einen Kohleausstieg auf dem Rücken der Beschäftigten wird es mit unserem Votum nicht geben", versicherte Körzell.
Vorschlägen, den Solidaritätszuschlag abschaffen und die Unternehmenssteuern senken zu wollen, erteilte Körzell eine Absage: "Das stärkt nicht die Binnenkonjunktur, sondern die Reichen, die dann noch mehr Geld auf die hohe Kante legen können." Stattdessen brauche es ein gerechteres Steuersystem, für das der DGB bereits einen Vorschlag gemacht habe. "Wir wollen die entlasten, die das Geld auch ausgeben - kleine und mittlere Einkommen; während Spitzenverdiener mehr zum Gemeinwesen beitragen müssen". Dies stärke den gesellschaftlichen Zusammenhalt und den demokratisch verfassten Staat, der seine Steuereinnahmen für überfällige "massive öffentliche Investitionen" einsetzen könne. "Um wirtschaftlich zukunftsfähig zu bleiben, brauchen wir mehr Geld für ein besseres Bildungssystem, für Kitas, Unis und Schulen, für den sozialen Wohnungsbau, für den Breitbandausbau - ja für mehr Personal im öffentlichen Dienst."
Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB)
Pressestelle
Henriette-Herz-Platz 2, 10178 Berlin
Telefon: (030) 24060-0, Fax: (030) 24060-324