Pressemitteilung | k.A.

Deutscher Raiffeisentag in Karlsruhe: Politik bleibt in der Verantwortung für die Agrarmärkte

(Bonn) - Die Politik zieht sich mit rasanter Geschwindigkeit aus der jahrzehntelangen staatlichen Steuerung der Agrarmärkte zurück. Beim Deutschen Raiffeisentag in Karlsruhe sprach sich DRV-Präsident Manfred Nüssel gegen einen übereilten Rückzug der Politik aus der Verantwortung für die Agrarmärkte aus. Er forderte vor rund 400 Teilnehmern sinnvolle Übergänge und Anschlusslösungen, damit den Planungen und Investitionen der Unternehmen nicht die Grundlage entzogen wird.

„Die von der Brüsseler Kommission bis zum Jahre 2013 gesetzten Rahmendaten müssen verlässlich und kalkulierbar bleiben. Mit Blick auf die angekündigte Halbzeitbewertung der EU-Agrarreform im Jahre 2008 darf es jetzt nicht zu weiteren, überstürzten Änderungen der marktpolitischen Rahmenbedingungen kommen“, so Nüssel.

Deutlich wird diese Situation am Getreidemarkt. Nach der EU-Erweiterung sind im Binnenmarkt Ungleichgewichte entstanden. Deshalb wird derzeit eine Änderung des Interventionspreis-Systems diskutiert. „Diese Anpassungen sind notwendig, sie müssen aber marktkonform sein. Auf jeden Fall brauchen wir für den europäischen Getreidemarkt weiterhin ein Sicherheitsnetz, mit dem ein Preissturz ins Bodenlose - zum Beispiel ausgelöst durch Wechselkursschwankungen oder Börsenspekulationen - aufgefangen werden kann“, so der Präsident.

WTO: Wo bleiben die Gegenleistungen?
Zusätzliche Brisanz geht von der laufenden WTO-Runde aus. „Die Agrarreform aus dem Jahr 2003 muss die Basis für das Mandat der EU-Kommission bei den WTO-Verhandlungen bleiben“, erklärte Nüssel. Mit Sorge sieht er, dass die EU-Kommission entgegen früheren Ankündigungen nun unter hohem Zeitdruck und auf Drängen der WTO-Partner zu weiteren Zugeständnissen bereit ist, insbesondere beim Marktzugang.

„Ich sehe keinen Spielraum, der über das EU-Angebot vom Oktober 2005 hinausgeht. Deutlich rückläufige Importpreise und damit nach-haltig negative Effekte auf die ohnehin unter Preisdruck stehenden EU-Agrarmärkte müssen verhindert werden. Betroffen wären insbesondere die Produkte Milch und Rindfleisch. Jetzt sind die WTO-Verhandlungs-partner am Zug. Die Forderungen der Agrarwirtschaft müssten auch im Interesse der europäischen Industrie sein. Ihr darf es nicht gleichgültig sein, wenn die EU sämtliche Verhandlungstrümpfe ohne angemessene Gegenleistungen ausspielt“, so Nüssel.

Besteuerung von Biodiesel: Weitere Anreize schaffen
Die Raiffeisen-Genossenschaften haben seit den 90er Jahren erhebliche Investitionen in den Aufbau eines gesonderten Vertriebsweges für umweltfreundliche, reine Biotreibstoffe getätigt. Diese Investitionen, u. a. in bundesweit über 700 Biodiesel-Zapfstellen, sind auf mittelfristig kalkulierbare Rahmenbedingungen ausgerichtet.

„Ich fordere deshalb, dass eine weiter gehende Begünstigung für den Absatz reiner Biotreibstoffe über das Jahr 2010 hinaus möglich ist. Die zuletzt in Berlin diskutierten Steuersätze schwächen die Wettbewerbsfähigkeit der Biokraftstoffe, insbesondere wenn die Rohölnotierungen wieder niedriger ausfallen sollten. Wir müssen verhindern, dass die Wertschöpfung des Biokraftstoffsektors ins Ausland verlagert wird und verstärkt Pflanzenöle aus Drittländern importiert werden“, erklärte Nüssel in Karlsruhe.

Bürokratieabbau: Konsequent und schnell
Die Fesseln und Bremsklötze, die die wirtschaftliche Tätigkeit der Genossenschaften behindern, müssen konsequent beseitigt werden, das ist eine wichtige DRV-Forderung an die Politiker in Berlin und Brüssel.

Der DRV begrüßt das Programm zum Bürokratieabbau, das das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) für den Bereich der Land- und Ernährungswirtschaft aufgelegt hat. „Ich unterstütze alle Aktivitäten, die zu einem spürbaren Abbau unnötiger oder überzogener Regelungen führen. Sämtliche Auflagen, die in den Unternehmen finanzielle Mittel und Arbeitszeit binden, ohne dass daraus ein Nutzen gezogen wird, gehören abgeschafft. Für neue Gesetze und Verordnungen muss dieser Maßstab selbstverständlich sein“, so Nüssel.

„Wildwuchs herrscht vor allem im Futtermittelrecht. Dort werden die allgemeinen Lebensrisiken auf den Kopf gestellt. Noch immer gilt in Deutschland für tierische Proteine in Futtermitteln die gesetzliche Nulltoleranz. Dass eine solche Regelung in der Praxis nicht haltbar ist, lernt ein Chemiestudent bereits im zweiten Semester“, kritisierte der DRV-Präsident.

Auch der föderale Aufbau der Bundesrepublik hat nach Meinung des Raiffeisen-Präsidenten den Bürokratietest nicht bestanden. Denn derselbe Sachverhalt wird in 16 Bundesländern unterschiedlich geregelt. Jeder Landkreis trifft zudem Entscheidungen nach eigenem Ermessen. Das gilt insbesondere für Genehmigungsverfahren. „Da müssen wir uns nicht wundern, dass Unternehmen hierzulande immer noch massive Standortprobleme haben“, so Nüssel.

Grüne Gentechnik: Deutschland auf der Hinterbank?
Die Grüne Gentechnik wird in Deutschland nach wie vor pauschal stigmatisiert. Verbraucher, Landwirte und Unternehmen werden gezielt verunsichert. Weltweit hingegen wird diese Technologie zur Selbstverständlichkeit. Gentechnisch veränderte Pflanzen werden inzwischen außerhalb der Bundesrepublik auf 90 Millionen Hektar angebaut. Das ist eine Fläche, die mehr als zweimal so groß ist wie Deutschland.

Der DRV steht der Gentechnik ideologiefrei gegenüber. „Wir wollen, dass unsere Unternehmen die Chancen dieser Zukunftstechnologie nutzen können, ohne an den Pranger gestellt zu werden“, so Nüssel.

Von der Bundesregierung erwartet der DRV klare Regeln für die Koexistenz von konventionellem Landbau, ökologischem Landbau und Landbau mit gentechnisch veränderten Pflanzen. Die Politik muss auch die sachliche Aufklärung über Gentechnik verbessern. „Wenn die Verwendung gentechnisch veränderter Futtermittel am Lebensmittel kenntlich gemacht werden muss, dann muss das auch für alle anderen Gentechnik-Anwendungen gelten. Dazu zählen gentechnisch hergestellte Tierarzneimittel, Enzyme, Zutaten und Verarbeitungshilfsstoffe. Dann müssen vermutlich rund 90 Prozent aller Produkte im Lebensmittelhandel gekennzeichnet werden“, so Nüssel.

„Mit unrealistischen Forderungen nach einer absoluten Risikofreiheit verspielen wir in Deutschland die Chancen, die die Grüne Gentechnik für die nachhaltige Entwicklung von Landwirtschaft und Industrie bietet“, erklärte Präsident Manfred Nüssel beim Deutschen Raiffeisentag in Karlsruhe.

Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher Raiffeisenverband e.V. (DRV) Monika Windbergs, Leiterin, Presse und Information Adenauerallee 127, 53113 Bonn Telefon: (0228) 1060, Telefax: (0228) 106266

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