Deutscher Lehrerverband kritisiert Heuchelei der Politik im Zusammenhang mit den Fridays-for-future-Vormittagsdemos (#fridaysforfuture)
(Berlin) - Meidinger: Wer soll denn Unterricht und Schulpflicht noch ernst nehmen, wenn es die Politik selbst nicht tut? / DL ermuntert Schülerinnen und Schüler zu langfristigem Engagement für ihre Zukunft!
Heftige Kritik am Lob und der Unterstützung zahlreicher Politiker, darunter der Bundeskanzlerin, für die während der Unterrichtszeit stattfindenden Freitagsdemos hat der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger, in Berlin geübt.
Wörtlich betonte er: "Der Deutsche Lehrerverband begrüßt es ausdrücklich, dass sich Kinder und Jugendliche verstärkt für ihre Zukunft und mehr Klimaschutz engagieren. Wir plädieren auch dafür, dass die Schulen bei ihren Reaktionen auf die Teilnahme von Schülern bei den Vormittagsdemos pädagogisches Fingerspitzengefühl zeigen. Es ist aber nicht akzeptabel, dass Politiker durch ihre Unterstützung der Fridays-for-future-Demos die allgemeine Schulpflicht am Freitagvormittag praktisch für außer Kraft gesetzt erklären und Lehrkräfte und Schulleitungen an den Pranger gestellt werden, die diese Schulpflicht von ihren Schülern noch einfordern."
Es sei doch geradezu widersinnig, dass sich einerseits fast alle Bundesländer in der Vergangenheit weigerten, der politischen Bildung an Schulen mehr Unterrichtsstunden einzuräumen, weil der Stundenplan so voll sei, andererseits es aber jetzt viele Politiker nicht störe, wenn Zehntausende von Unterrichtsstunden wegen der Freitagsdemos ausfielen. "Ich fürchte, darin spiegelt sich eine generelle mangelnde Wertschätzung des Werts von Unterricht durch die Politik, die ja auch dem massiven Unterrichtsausfall an allen Schularten wegen des Lehrermangels und fehlender Unterrichtsreserven seit Jahren weitgehend tatenlos zusieht", fügte der Verbandsvorsitzende an.
Letztendlich habe aber der Fachunterricht die enorm wichtige Aufgabe, das für mündige Bürger und politisches Engagement notwendige grundlegende Wissen zu vermitteln.
Politikerinnen und Politikern, die sich ohne Wenn oder Aber hinter die Freitagsvormittags-demos gestellt hätten, warf Meidinger Heuchelei vor: "Da gibt es junge Leute, die kritisieren: "Ihr macht zu wenig für Klimaschutz!" - und die Bundeskanzlerin, die letztendlich die Klimapolitik der Bundesrepublik verantwortet, klatscht zu dieser Kritik an der eigenen Politik Beifall. Ich werde den Verdacht nicht los, der Politik- und Medienhype um die Freitagsdemos dient vielfach als willkommenes Ablenkungsmanöver von den eigentlich zu lösenden, sehr schwierigen Sachfragen!"
Auch der Mehrheit der Schulminister in den Bundesländern warf Meidinger vor, in der Frage der Priorität der Schulpflicht "wohlfeiles Abtauchen" vor. Zahlreiche Schulleitungen hätten zwar in den letzten Monaten vielseitige Schreiben erhalten, wie mit streikenden Lehrkräften zu verfahren sei, die dem Unterricht fernblieben, aber keinerlei Hinweise zum Umgang mit dauerhaft "streikenden" Schülern bei Freitagsdemos. Der Deutsche Lehrerverband stellt deshalb folgende Fragen an die Politik:
"Wie sollen Schulen verfahren, wenn demnächst der Montagvormittag zum Aktionstag gegen die drohende weltweite Aufrüstung erklärt wird oder Schüler beantragen, zur "Legalize Cannabis"-Demo gehen zu dürfen bzw. Eltern ihre Sprösslinge für einen Protest gegen das örtliche Ankerzentrum befreien wollen? Bekommen die Schulleitungen künftig Listen mit politisch korrekten, befreiungsfähigen politischen Aktionen und den nicht genehmigungsfähigen? Macht eine gesetzliche Regelung zur Schulpflicht noch Sinn, wenn diese Regel nicht mehr eingefordert wird?"
Den Fridays-for-Future-Aktivisten unter den Schülern riet der Verbandsvorsitzende, sich nicht vom Medienhype um die Freitagsdemos benebeln zu lassen: "Eine Protestform, die dazu führt, dass diejenigen Beifall klatschen, die man unter Druck setzen will, wird keinen Effekt haben. Wenn sich Jugendliche wirklich nachhaltig für Klimaschutz und ihre Zukunft engagieren wollen, führt an einem langfristigen Engagement in Verbänden, bei Umweltgruppen und in den Jugendorganisationen der Parteien kein Weg vorbei, auch wenn man damit nicht so häufig in die Presse kommt. Nur wenn die Fridays-for-future-Bewegung dazu einen Beitrag leistet, wird sie tatsächlich Nachhaltigkeit und positive Änderungen erreichen und bewirken können!"
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