Deutscher Ärztetag fordert den Stopp von Spahns Digitalgesetz im Bundestag
(Hamburg/Essen) - Der 124. Deutsche Ärztetag hat dem Digitale-Versorgung-und-Pflege-Modernisierungs-Gesetz (DVPMG) eine klare Absage erteilt. Die Ärzte fordern den Deutschen Bundestag auf, das DVPMG in der vorgelegten Form heute nicht zu verabschieden. "Wir sehen hier einen tiefen Eingriff in unsere Beziehung zu den Patienten", sagte Dr. Silke Lüder, Vizevorsitzende der Freien Ärzteschaft (FÄ), am Donnerstag in Hamburg. "Die Patienten vertrauen sich uns an, in dem berechtigten Glauben, dass wir ihre Daten schützen. Zentrale Online-Datenspeicher torpedieren unsere ärztliche Schweigepflicht."
In einem von der FÄ unterstützten und mit großer Mehrheit gefassten Beschluss des Ärztetages heißt es dazu: "Mit diesem Gesetz erfolgt eine weitgehende Neuausrichtung des Gesundheitswesens, die überstürzt und ohne Beteiligung von Patienten und Ärzten vorgenommen wird. Die elektronische Gesundheitskarte (eGK) als Speicherort der Daten in der Hand des Patienten soll durch zentrale Online-Datenspeicher ersetzt werden. Damit werden die Beschlüsse mehrerer Ärztetage konterkariert!"
Bei der Eröffnung des Ärztetags am Dienstag hatte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn wiederholt sein Credo der digitalen Transformation der Medizin in Richtung Apps, Telemedizin und Datenspeicherung in der Cloud verkündet. In der ausführlichen Diskussion der Delegierten wurde jedoch schnell klar, dass die Ärztinnen und Ärzte in Deutschland die Sache ganz anders sehen. In einem von der FÄ initiierten Beschluss kritisieren die Delegierten, dass die TI in der geplanten Form keinen erkennbaren Mehrwert für Praxen und Kliniken ergebe. Die zur zügigen Einführung vorgesehenen Anwendungen seien nicht oder nicht ausreichend auf Funktion, Ausfallsicherheit und Alltagstauglichkeit getestet.
Der Ärztetag verwies außerdem auf "die große Gefahr, dass durch die gesetzgeberische Geschwindigkeit notwendige Testungen zur Praktikabilität wie auch zur Patientensicherheit unterbleiben." Dabei drohe die Anbindung an die Realität verlorenzugehen. "Der Gesetzgeber würde hier massiv in die eingespielten Praxisabläufe eingreifen", erläuterte FÄ-Chef Wieland Dietrich. "Dabei wird der funktionierende Ablauf der Patientenbehandlung aufs Spiel gesetzt. Das akzeptieren wir nicht." Die Einführung digitaler Anwendungen erfordere nicht nur die Schaffung technischer Voraussetzungen, sondern vor allem auch Anpassungen an die Praxisrealität.
"Außerdem", so FÄ-Vize Lüder in der Diskussion auf dem Ärztetag, "hat Spahn mit seinen inzwischen drei Digitalgesetzen einer interessierten Industrie erst ermöglicht, mit dem elektronischen Rezept über Apps in Deutschland renditeträchtige Plattformen aus Pharmagroßhändlern und IT-Firmen zu schaffen." Über angestellte Telemediziner dieser Firmen würden nach Fernbehandlungen eRezepte an stationäre und Online-Apotheken vermittelt, die dann gleich mit der Krankenkasse abrechnen könnten. Damit würden Konzerne einen immer größer werdenden Teil der ambulanten Medizin in Zukunft übernehmen. "Das lehnen wir ab", machte die Allgemeinärztin auf dem Ärztetag deutlich.
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