Deutsche Post AG kürzt Post-Agenturen Vergütungen um bis zu 35 Prozent / BBW protestiert und rät Vertragsprüfungen abzuwarten
(Köln) - Massive Einkommenskürzungen drohen den rund 7.000 Partneragenturen der Deutschen Post AG. Neben den ca. 5.000 eigenen Post-Filialen stellen diese Agenturen die gesetzlich vorgeschriebene flächendeckende Versorgung mit Postdienstleistungen sicher. Zum Dank flatterte den Agenturen jetzt ein neuer, 120 Seiten starker Vertrag ins Haus, der unter anderem Verluste in Höhe von 25% bis 35 Prozent verkündet. Viele betroffene Einzelhändler haben sich an ihre Branchenverbände mit Protesten und Hilferufen gewendet, so auch Schreibwarengeschäfte und Papeterien an den Bundesverband Bürowirtschaft e. V. (BBW).
Der BBW hat die Deutsche Post AG umgehend zu einer Stellungnahme und zu Lösungsvorschlägen aufgefordert. Bemerkenswert ist, dass das neue Vertragswerk ohne jegliche Abstimmung mit dem Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE) oder einem der betroffenen Branchenverbände wie dem BBW entwickelt und vor kurzem den ersten Vertragspartnern zugeschickt wurde.
Die Kritik der Schreibwarengeschäfte, Lotto-Toto-Annahmestellen und Lebensmittelunternehmer beginnt bei der Umwandlung eines einstmals als lukrativ und frequenzfördernd angesehenen Geschäfts mit der Post hin zur Unrentabilität: So gab es für die Briefmarken-Umtauschaktion lediglich die normale Briefmarkenvergütung, und das bei einem formalistischen
Rücknahmesystem. Die Vermittlung von Postbankprodukten geht mittlerweile an den Agenturen vorbei. Trotzdem soll das Personal Produkte wie DAX-Sparbuch dem Kunden nahe bringen, ihm die aktuellen Konditionen mitteilen und die Erstberatung übernehmen. Ärgerlich und kostenträchtig sind auch die zunehmenden Reklamationen mit Formularbearbeitung, Belegkopien etc.
Doch es geht auch um Rahmenbedingungen, die sich verschlechtern: Bargeld und Briefmarken gab es anfangs alle zwei oder drei Tage nachgeliefert, künftig nur noch alle zwei Wochen. Mit Erhöhung von Risiko und Versicherungsprämien zu Lasten des Agenturnehmers. Materialien wie Klebeband wurden ebenso gestrichen wie der notwendige Telefon- und Computeranschluss ausgenommen der EPOS-Anschluss. Die Agenturbetreuer sind oft nur noch über teure Handy-Nummern erreichbar und die Hotline ist sogar kostenpflichtig!
Die Vergütungskürzung kommt dadurch zustande, dass die Zahl der Dienstleistungen, für die es eine aufwandsbezogene Vergütung gibt, drastisch reduziert werden sollen. Immer mehr Leistungen werden mit einer Grundpauschale abgedeckt, wobei diese Grundvergütung nicht einmal ausreichend definiert ist. Auch fehlt ein gerechter Zuordnungsmaßstab wie z.B. die Einwohnerzahl eines Ortes.
Auf der Haben-Seite der neuen Verträge stehen hingegen nur wenige Positionen: Die Öffnungszeiten der Postfiliale können von den Öffnungszeiten des eigentlichen Einzelhandelsgeschäfts abweichen. Auch bei der Ausstattung sind die Regeln künftig lockerer. Die Betreuung wird künftig vereinheitlicht, und durch die Pauschalierung des Entgelts wird grundsätzlich der Einzelaufwand reduziert. Doch mehr Verbesserungen sind beim besten Willen nicht erkennbar. Zumal die Deutsche Post AG die Kündigungsfrist von zwei Jahren auf nur sechs Monaten reduzieren will.
Die politische Bewertung, die der BBW in seinem Protestschreiben an die Deutsche Post AG formuliert hat, ist klar und griffig: Unter dem Schutz des Kartellrechts, das den Verbänden einen Boykottaufruf untersagt, will die Post ihre Partner im Einzelhandel zwingen, einen Vertrag zu unterzeichnen, der dem Agenturnehmer mehr Pflichten bei geringerer Vergütung auferlegt. Und dies in einer Situation, in der kaum ein Händler auch nur auf einen Euro Umsatz verzichten kann, selbst wenn die Deckungsbeiträge nicht mehr ausreichen. Während die Beschäftigten der etwa 5.000 posteigenen Filialen ein Streikrecht haben und es in der Vergangenheit auch genutzt haben, fehlt den Agenturnehmern ein vergleichbares Recht. Obwohl sie in gleicher Weise vom Briefmonopolisten abhängig und Garanten für die gesetzlich vorgeschriebene. flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Postdienstleistungen sind.
Pikant ist die Vergütungskürzung auch deshalb, weil die Deutsche Post AG in aller Öffentlichkeit lamentiert, ihre eigenen Filialen seien teuer, auf Dauer nicht finanzierbar, mehr als 1.000 von ihnen müssten dichtgemacht oder in Agenturen umgewandelt werden. Wie dann dasselbe Unternehmen meint, für eine von ihr selbst beklagte aufwendige Dienstleistung ihren Subunternehmern die Vergütung kürzen zu können, ist nur vor dem Hintergrund einer dominierenden Stellung im Markt zu erklären.
Dem BBW und dem HDE obliegen derzeit die Prüfung der Verträge und die Beratung der Mitgliedsunternehmen: Zunächst einmal gibt es keinen erkennbaren Grund, bestehende Verträge zugunsten der neuen, schlechteren Verträge aufzuheben, auch wenn Agenturnehmer davon berichten, massiv zur vorzeitigen Aufgabe ihrer bisherigen und noch bis zu zwei Jahre laufenden Verträge gedrängt zu werden. Im Zweifelsfall hilft der Hinweis darauf, dass der HDE überhaupt erst einmal eine Vertragsprüfung vornehmen muss und dies mit der Deutschen Post AG zu verhandeln ist. Ein Vorgang, der Zeit braucht, aber unvermeidbar ist. Denn weder HDE noch BBW wurden, wie der HDE-Referent Olaf Roik versichert, in die Vertragsentwicklung einbezogen.
Quelle und Kontaktadresse:
Bundesverband Bürowirtschaft e.V. (BBW)
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