Deutsche Luft- und Raumfahrtindustrie von Luftfahrtkrise stark betroffen
(Berlin) - Der Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI) bewertet die aktuelle wirtschaftliche Lage seiner Industriebranche in Deutschland kritisch. Nach einer Firmenumfrage, die BDLI-Präsident Rainer Hertrich auf der Jahrespressekonferenz des Verbandes vorlegte, hat sich die Stimmung zum Jahreswechsel 2001/2002 gegenüber dem Vorjahr bei 64% der Mitgliedsunternehmen eingetrübt. Hauptgrund sei, so Hertrich, die durch die Ereignisse des 11. September deutlich verschlechterte Weltkonjunktur. Die Krise der Fluggesellschaften erfasst auch die Hersteller von zivilen Flugzeugen und ihre Zulieferer.
Für 2001 konnte die deutsche Luft- und Raumfahrtindustrie nach sechs Jahren mit kontinuierlichem Wachstum ihre Branchenumsätze noch auf den geschätzten Wert von 15,3 Mrd. Euro (2000: 14,8 Mrd.) erhöhen. Die Beschäftigtenzahl ist im vierten Jahr in Folge von 69.000 auf 71.200 gestiegen. Das sind vorläufige Werte des BDLI, der über 120 Mitgliedsunternehmen vertritt. Für das Jahr 2002 wird aber aufgrund der Luftfahrt-Krise ein leichter Beschäftigungsrückgang - in erster Linie unter Ausnutzung der natürlichen Fluktuation - erwartet. Wir wollen unsere Mitarbeiter halten, denn das Know-how in den Köpfen ist unser wichtigstes Kapital, unterstrich Hertrich, der Chief Executive Officer der EADS ist, des größten europäischen Luft- und Raumfahrtunternehmens.
Lage der Luftfahrt weltweit von tiefen Einschnitten gekennzeichnet
Die schwierige Lage der Luft- und Raumfahrtindustrie haben nicht erst die tragischen Ereignisse des 11. September und ihre Folgen ausgelöst, betonte Hertrich. Die Verschlechterung der Weltkonjunktur habe sich schon Mitte 2001 angekündigt. Die Folgen für die von Konjunkturzyklen stark abhängige zivile Luftfahrt seien einschneidend:
- Die Passagierstatistik der AEA Association of European Airlines wies im gesamten September, Oktober und November 2001 ein Minus von über 30% auf den Nordatlantikrouten aus. Der Luftverkehr der europäischen Fluggesellschaften lag in diesem Zeitraum um durchschnittlich 20% unter dem der Vergleichsmonate im Jahr 2000. Erst seit Anfang Dezember stabilisieren sich die Zahlen (5. KW 2002: 4,5% insgesamt, Nordatlantik 11,0%).
- Die Fluggesellschaften haben im vergangenen Jahr laut IATA International Air Transport Association weltweit 15 Mrd. US-Dollar Verlust eingeflogen und mussten über 130.000 Arbeitsplätze abbauen. Von Anfang bis Ende 2001 wurden rund 950 Passagierflugzeuge stillgelegt. Damit stehen mit über 2000 Maschinen, 12,6% der Gesamtflotte, für längere Zeit auf dem Boden.
- Bei Herstellern und Ausrüstern von Flugzeugen weltweit wurden Entlassungen von rund 60.000 Arbeitnehmern angekündigt.
Deutsche Luft- und Raumfahrtindustrie sucht Stabilität
Die zivile Luftfahrt deckt 68,5% des Umsatzes und 60,6% der Beschäftigung der Luft- und Raumfahrtindustrie in Deutschland ab. Deshalb müsse, ohne dass ich jetzt über genaue Zahlen spekulieren möchte, so Hertrich, mit einem niedrigerem Gesamtumsatz als auch weniger Beschäftigung in der deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie 2002 gerechnet werden. Insbesondere kleine und mittleren Unternehmen, die ersten in der Zulieferkette, seien vom abrupten Abbremsen der Airbus-Produktionszahl auf 300 statt ursprünglich geplanten 390 Flugzeugen betroffen.
Erstmals seit längerer Zeit wirkt das Verteidigungsgeschäft der Branche (21,8% des Branchenumsatzes, 29,8% der Beschäftigung) wieder stabilisierend. Hauptgrund dafür sind die planmäßig hochlaufenden Programme Eurofighter sowie die Hubschrauber NH90 und Tiger. Daneben hat das Verteidigungsministerium die Materialerhaltung der Luftwaffe im vergangenen Jahr auf feste und planbare Füße gestellt. Problemebereiche der militärischen Luftfahrt- und Raumfahrtindustrie bleiben jedoch vor allem die Bereiche Verteidigungselektronik und Lenkflugkörper. Hertrich: Insbesondere bei weiteren Verzögerungen der Auftragserteilung für die Eurofighter-Bewaffnung (Iris-T, Meteor, Taurus) drohen noch in diesem Jahr mehrere hundert Arbeitsplätze und vor allem unwiederbringliche Fähigkeiten wegzubrechen.
Mittel- und langfristig positive Perspektiven durch A380, A400M und neue Regionalflugzeuge von Fairchild Dornier
Beflügelt durch die mittel- bis langfristig positiven Aussichten im Weltflugverkehr und das weiterhin ausgeglichene Investitionsklima in der Luft- und Raumfahrtindustrie sieht BDLI-Präsident Hertrich mit optimistischem Blick in die Zukunft: Gleichzeitig zeugen neue zivile Flugzeugprogramme wie das Großraumflugzeug A380 von der Innovationskraft unserer Industrie. Fairchild Dornier wird noch in diesem Frühjahr den Roll-out des neuen Regionalflugzeugs 728 feiern. Die Investitionen und der Mitteleinsatz für Forschung- und Entwicklung bleiben auf hohem Niveau, das belegt unsere Firmenumfrage. Die EADS hat die klare Entscheidung getroffen, die Entwicklung von Zukunftsprojekten, wie der A380, auch durch die Neueinstellung von Ingenieuren voranzutreiben.
Zufrieden äußerte sich Hertrich über die politische Unterstützung für die Luft- und Raumfahrtindustrie in Deutschland. Allen voran hätten die Bundesregierung unter Führung des Bundeskanzlers und des Wirtschaftsministers den Start der A380 durch ein zinsgünstiges, rückzahlbares Darlehen ermöglicht. Damit sei sie dem entscheidenden Anteil Deutschlands an der Airbus-Familie gerecht geworden. Der Airbus ist zu rund 40% ein deutsches Produkt.
Hertrich weiter: Das größte europäische verteidigungspolitische Beschaffungsprojekt, die A400M, ist trotz erheblicher Haushaltsprobleme auf dem Weg. Bundeskanzler Schröder, Verteidigungsminister Scharping, die Regierungsfraktionen und die beiden wichtigsten Oppositionsfraktionen haben sich zur Bestellung der 73 deutschen Flugzeuge bekannt. Ich appelliere an den Haushaltsausschuss des Bundestages, den Weg für den Start des A400M-Programms rasch frei zu machen. Damit könne sich auch die deutsche Industrie mit einem Anteil von 37% am Gesamtprojekt beteiligen. Immerhin rund 12.000 Arbeitsplätze sei das Projekt für Deutschland wert.
Auf dem Hochtechnologie-Gebiet der Raumfahrt seien im November 2001 auf der ESA-Ministerratskonferenz in Edinburgh entscheidende Weichen gestellt worden. Unter der geschickten und wirkungsvollen Konferenzleitung von Frau Bundesministerin Bulmahn wurde die Rolle der Industrie im Ariane-Programm gestärkt und eine angemessene deutsche Beteiligung an den ESA-Programmen gesichert, hob Hertrich hervor.
Auch auf Länderebene stütze sich die Luft- und Raumfahrtindustrie auf die Politik, ergänzte Hertrich. So hätten erst vor einigen Tagen haben Bund und Land Bayern durch ihre Bürgschaften die Entwicklung der 728 und der 928 von Fairchild Dornier abgesichert. Der alte und der neue Hamburger Senat unterstützten die Erweiterung des Airbus-Werkes in Hamburg-Finkenwerder aktiv.
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