Deutsche Kinderhilfe fordert eine echte Revolution in der Familienpolitik: Bedarfsgerechte Einzelfallprüfung statt Baralimentation / Die von dem "Bündnis Kindergrundsicherung" geforderte Grundsicherung für Kinder in Höhe von 500 Euro führt an einer echten Debatte um die Kinderarmut vorbei
(Berlin) - Angesichts der wachsenden Kinderarmut riefen heute (14. April 2009) die Sozialverbände zu einer "Revolution in der Familienpolitik" auf: die Forderung lautet 500 Euro monatlich für jedes Kind. Die Deutsche Kinderhilfe kritisiert erneut diese einseitige Betrachtung des Begriffes der Kinderarmut und fordert eine mutige und echte Reform in der Familienpolitik, die weg von der Baralimentation führen muss.
1,8 Millionen Kinder in der Bundesrepublik leben unterhalb der offiziellen Armutsgrenze und gelten daher als "arm". Diese Form der Armut erfasst aber nur rein finanzielle Aspekte. Dem entsprechen die Lösungsansätze, die bereit liegen: mehr Geld für Familien, eine Erhöhung des Kinderzuschlages, mehr Kindergeld, erhöhte Schulzuschläge sowie um mindestens 20 Prozent erhöhte Hartz IV-Regelsätze. Heute nun ein weiterer Vorschlag: eine Grundsicherung in Höhe von 500 Euro für jedes Kind.
Der Begriff der Kinderarmut umfasst allerdings mehr als den rein finanziellen Aspekt. Kinderarmut bedeutet Armut an gesellschaftlicher Teilhabe, Armut an guter Ernährung, Armut an Bildung, an Musik, an Sport, an Sprache und an sozialen Kompetenzen. Kinderarmut ist zudem immer Familienarmut und darf nicht losgelöst von der Debatte um den Zustand der Kinder- und Jugendhilfe betrachtet werden. Bargeld stellt keine Erziehungskompetenz her und kann kein Verantwortungsbewusstsein vermitteln. Daher ist der pauschale Bargeldtransfer der falsche Weg, um Kindern langfristige Perspektiven zu eröffnen. Im Gegenteil: Eine Rückkehr zur bedarfsgerechten Einzelfallprüfung ist unabdingbar.
Die Umstellung etwa auf ein individuelles und speziell auf Kinder ausgerichtetes Gutscheinsystem wäre daher ein mutiger und richtiger Schritt. Denn dadurch könnten Kinder, die sonst diese Chance nicht erhalten, kostenlos Sport treiben, musizieren, Sprachförderung erhalten und Sozialkompetenzen erwerben. Auf diesem Weg könnten Sie aus der Armut, im umfassenden Sinne verstanden, wirklich heraus kommen und die Lebensperspektive erhalten, die sie verdienen.
Ein wichtiger Schritt in diesem Zusammenhang ist die Bereitstellung von hochwertigen Bildungsangeboten. Dazu zählen die Einführung von flächendeckenden Ganztagskitas und Ganztagsschulen, in denen Kinder eine qualitativ gute Förderung erhalten. Hier ist der Einsatz von zusätzlichen finanziellen Mitteln notwendig und sinnvoll, um die Qualifizierung von Erzieherinnen zu verbessern und das Lehrpersonal quantitativ aufzustocken. Die Sprachvermittlung für Kinder, gerade auch für solche mit Migrationshintergrund, muss frühzeitig und konsequent erfolgen, sonst haben diese Kinder keine Chance. Bildung - nicht Bargeld - ist der Schlüssel zum Erfolg, um aus der Armut herauszutreten!
Auch muss die Politik endlich ein familiengerechtes Steuersystem schaffen, in dem beispielsweise nicht mehr auf Windeln und Babynahrung 19 Prozent, auf Katzenfutter jedoch nur 7 Prozent Mehrwertsteuer zu zahlen sind.
Um dem Problem umfassend entgegen wirken zu können, fordert die Deutsche Kinderhilfe von der Politik eine grundlegende Reform der Familienförderung. "Die Hartz-Reformen haben gezeigt, dass auch gegen große gesellschaftliche Widerstände von Verbänden der Umbau eines reinen Transfersystems hin zu einem solchen, in dem auch gefordert wird, möglich ist", so RA Georg Ehrmann, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Kinderhilfe. Europäische Nachbarstaaten, insbesondere die skandinavischen Länder, zeigen uns täglich, dass die Verbindung aus Anreizen aber auch Verpflichtungen der beste Weg für eine nachhaltige Förderung unserer Kinder ist.
Quelle und Kontaktadresse:
Deutsche Kinderhilfe e.V.
Julia Gliszewska, Sprecherin des Vorstandes
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