Deutsch für Kinder statt deutsch für Imame / Bildungsgewerkschaft kritisiert aktuelle Debatte über Integration von Migranten
(Frankfurt am Main) Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) mahnt einen sachliche Debatte über die Integration von Migrantinnen und Migranten in Deutschland an. Es ist beängstigend, wie hektisch und wenig konstruktiv einige Politiker in Deutschland auf die schrecklichen Ereignisse in den Niederlanden reagieren, sagte GEW-Vorsitzende Eva-Maria Stange 15. November in Frankfurt a.M.. Weder die Einführung von Schulgebeten noch eine Deutsch-Pflicht für Imame, wie sie Unions-Politiker jetzt fordern, seien hilfreich im Umgang mit Einwandererkindern. Zahlreiche Studien haben längst nachgewiesen: Unser Bildungswesen diskriminiert Migrantenkinder systematisch. Wenn unser Schulsystem noch immer über 20 Prozent der Einwandererkinder ohne Abschluss entlässt, darf sich niemand wundern, dass es später Probleme bei der Integration geben kann, erklärte die GEW-Chefin. Besonders betroffen sind junge Männer aus sozial schwachen Migrantenfamilien. Sie bekommen keine echte Chance in unserer Gesellschaft den Kreislauf der Arbeitslosigkeit und Ausgrenzung zu durchbrechen.
Das deutsche Bildungswesen müsse grundlegend auf seine Integrationskraft geprüft werden. Wir sollten genau schauen: Wo verschärfen wir soziale Auslese? Wie gehen wir mit Ausländerkindern um? Unser Bildungssystem ist vom Auslesebazillus befallen darunter leiden vor allem die Einwandererkinder, sagte Stange. Kitagebühren seien eine soziale Barriere, erklärte Stange. Statt einer Kita-Pflicht für Kinder, wie sie die Grünen nun fordern, brauchen wir die Gebührenfreiheit. Das sei zwar kurzfristig teurer, rechne sich aber langfristig gesellschaftlich.
Mit der Sprachförderung der Kinder müsse bereits im Kindergarten begonnen und an die Unterstützung der Eltern gekoppelt werden. Dabei soll nach Auffassung der GEW auch die Mehrsprachigkeit positiv bewertet werden. Die Förderung der Familiensprache hat auch für den Erwerb der Zweitsprache eine große Bedeutung. Viele Studien haben das belegt. Wir brauchen deshalb
beides: Die Förderung der Muttersprache und das Erlernen von Deutsch als Zweitsprache, unterstrich die Gewerkschafterin. Dazu benötigen wir qualifiziertes Personal. Dumpingangebote mit ungeschulten arbeitslosen Ein-Euro-Lehrern für die Sprachförderung - wie in Berlin zurzeit geplant - sind unverantwortlich. Wir können es uns nicht mehr leisten, Integration auf Sparflamme zu betreiben.
Eine weitere Hürde sei das frühe Sortieren in Haupt-, Realschüler und Gymnasiasten. Es verschärfe die Benachteiligung von Ausländerkindern. Individuelle Förderung der Kinder, die ganz unterschiedliche soziale Voraussetzungen, Erfahrungen und Talente mitbringen, komme viel zu kurz. Vier Jahre in der Halbtags-Grundschule reichen für eine vernünftige Sprachförderung nicht aus, sagte die GEW-Vorsitzende. Gerade Ausländerkinder seien die Verlierer dieses Systems. Wir benötigen deshalb einen grundlegenden Wandel unseres Schulsystems hin zur einen Schule für alle und mehr Ganztagsschulen - mehr Zeit zum Lernen und Fördern.
Allein im vergangenen Schuljahr seien bundesweit rund 44.000 ausländische Schülerinnen und Schüler in Sonderschulen für Lernbehinderte überwiesen worden. Spitzenreiter in Sachen Ausländerdiskriminierung sei übrigens Baden-Württemberg. Hier bestehe für Migrantenkinder ein dreimal höheres Risiko, auf die Sonderschule für Lernbehinderte zu kommen, als für den deutschen Nachwuchs. Statt lauthals eine Deutschpflicht in Moscheen zu fordern, sollte Frau Schavan sich deshalb lieber um die Mängel an ihren Schulen und Kindergärten kümmern. Dann wären wir mit der Integration in Deutschland wesentlich weiter, betonte Stange. Mit Aktionismus könne man das Problem mangelnder Integration kaum lösen. Mit politischer Kurzatmigkeit schafft es mancher Politiker vielleicht in die Schlagzeilen der Boulevardzeitungen oder in die Talkshows unserer Gesellschaft ist damit nicht geholfen.
Quelle und Kontaktadresse:
Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW)
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