Der Profit der Anderen / Florian Henckel von Donnersmarck könnte als Nächster gehen / Der deutsche Film schafft es immer wieder, seine Talente zu vergraulen
(München) - Nun steht also fest, mit welchem Film sich Deutschland 2007 um den Oscar für den besten fremdsprachigen Film bewirbt. Keine Frage, "Das Leben der Anderen" ist der deutsche Film des Jahres, in der Branche klopfen sich Filmförderer, Produzenten und Verleiher gegenseitig auf die Schulter. Von diesem Werk, wie von vielen anderen Filmen, profitiert die ganze filmverwertende Industrie. Nur sein Macher nicht.
Am Beispiel von "Das Leben der Anderen" zeigt sich eine Absurdität der deutschen Filmpolitik. Obwohl der Film einen herausragenden Kinoerfolg hatte und mit Preisen überhäuft wurde, weiß dessen Regisseur und Autor Florian Henckel von Donnersmarck nicht, wie er seinen nächsten Film machen soll. Zwar hat er als Autor und als Regisseur beim Deutschen Filmpreis je eine glänzende "Lola"-Statue erhalten. Aber davon kann er sich nichts kaufen. Die Preisgelder in Höhe von 500000 Euro gehen ausschließlich an die Produzenten - die in dem Fall aber erst kurz vor Drehbeginn aufgesprungen sind. Es ist ein Preisgeld, das aus Steuermitteln aufgebracht wird; nach den Richtlinien der Bundesregierung soll damit ein neuer künstlerischer Film ermöglicht werden. Der Systemfehler dabei: Das Geld muss nicht unbedingt für den nächsten Film des Machers des prämiierten Werks verwendet werden. Die Produktionsfirma kann damit veranstalten, was sie will. Die Jungproduzenten des Films von Florian Henckel von Donnersmarck verwenden die durch "Das Leben der Anderen" erworbenen Preisgelder für eine Bundeswehr-Comedy. Das ist so, als gingen in der Literatur die Preise nicht mehr an die Schriftsteller, sondern an deren Verlage. Zwar bekommen erfolgreiche Regisseure immer ein Angebot von Produzenten. Doch das Honorar, das ihnen gezahlt wird, ist selbst bei prominenten und erfolgreichen Namen unangemessen niedrig.
Dasselbe Spiel wiederholt sich bei der Filmförderung: Erfolgreiche Filme wie "Das Leben der Anderen" erhalten eine sogenannte "Referenzfilmförderung". Aufgrund der "Referenz" des Erfolgsfilms werden von der Filmförderanstalt des Bundes bis zu zwei Millionen Euro für einen weiteren Film zur Verfügung gestellt. Wer aber glaubt, wenigstens diese Mittel gingen an den Macher des Erfolgs, der irrt weiterhin: Auch hier sind es die Produzenten, die kassieren. Auch hier können sie damit machen, was sie wollen. Intelligenter regelt es die Schweiz: Dort wird das Geld aus diesem Topf zwischen Produzent, Autor und Regisseur geteilt. So werden die Produzenten ermuntert, wieder mit den erfolgreichen Filmemachern zusammenzuarbeiten.
Es ist zu befürchten, dass angesichts dieser Verhältnisse auch Florian Henckel von Donnersmarck seinem Heimatland den Rücken kehren wird, warum sollte er es anders machen als so viele vergleichbare Talente vor ihm. Auf die Regelung in den Förder-Richtlinien, wonach in "Ausnahmefällen" der Regisseur die Mittel für seinen nächsten Film erhalten kann, erhebt selten jemand Anspruch - da nicht geregelt ist, wann eine solche "Ausnahme" vorliegt. Und auf die Interpretation von Paragrafen sind die wenigsten Künstler spezialisiert. Im Fall Donnersmarcks dürfte solch ein Ausnahmefall schon deshalb vorliegen, weil dieser Autor und Regisseur in jahrelanger Vorarbeit sogar die wesentlichen Produzentenleistungen für den Film erbracht hat, zum Beispiel hat er die ganzen Schauspieler verpflichtet. Er hat allerdings, typisch Künstler, den Fehler begangen, sich nur als Urheber, als Schöpfer des Films zu sehen - und vergessen, sich selbst zumindest die Rolle eines Koproduzenten zugedacht zu haben.
Einige Regisseure haben genau diese Konsequenz gezogen und die Funktion des Produzenten gleich mitübernommen: Fatih Akin, Detlef Buck, Dany Levy, Hans-Christian Schmid, Hans Weingartner und Sönke Wortmann zum Beispiel. Soll dies aber zwingende Voraussetzung fürs Überleben im Filmgeschäft sein? Viele andere prämiierte Regisseure lehnen es gänzlich ab, zu den herrschenden Bedingungen weiter Kinofilme zu machen. Manche großen Filmtalente sind daher zum Fernsehen gewechselt, Sherry Hormann, oder Roland Suso Richter zum Beispiel.
Die kulturpolitisch wohl bedauernswerteste Flucht aus dem deutschen Film aber ist nicht die ins Fernsehen, sondern die ins Ausland. Während eine Zeitlang bedeutende Regisseure sogar nach Deutschland kamen, um hier zu arbeiten, sind diese mittlerweile - zum Beispiel der Österreicher Michael Haneke oder der Pole Krzysztof Zanussi - nach Paris weitergezogen. Weil sie in Frankreich nicht nur ein echtes Urheberrecht antreffen, sondern auch, weil ihr Schaffen dort von Politik und Gesellschaft erkennbar honoriert wird. Da lädt der Präsident der Republik zum gemeinsamen Diskurs ein, da genießen Filmschaffende ein herausragendes Standing in der Gesellschaft. Am häufigsten aber wandern Talente in die USA ab. Man wagt kaum zu träumen, wo der deutsche Film stehen würde, wenn es gelungen wäre, die Talente hier zu halten, würden Roland Emmerich oder Wolfgang Petersen, Uli Edel, Katja von Garnier, Josef Rusnak, Robert Schwentke oder Oliver Hirschbiegel weiterhin deutsche Filme machen.
Die Kreativbedingungen in den USA sind unvergleichlich besser. Ein sehr viel höheres Honorar wird dort um Beteiligungen aus Kino, Free- und Pay-TV, DVD-Vertrieb und Auslandserlösen ergänzt. Die Beteiligung der Schöpfer ist zwar auch in Deutschland nicht unüblich - zum Beispiel in der Literatur. Die meisten Schriftsteller erhalten ein Grundhonorar und werden zusätzlich mit bis 10 Prozent an den Einnahmen ihrer Werke beteiligt. Nur beim Film ist es anders: Dort bekommt der Regisseur einmal ein Honorar und sieht dann in der Regel nie wieder Geld, egal, wie oft sein Film zum Beispiel später im Fernsehen gezeigt wird. Wenn man dies Kollegen in Übersee erläutert, weicht das erste Lachen einem ungläubigen Staunen.
Und nun setzt die Bundesregierung noch eins drauf: Mit dem neuen Vorstoß zur Änderung des Urheberrechts sollen nicht nur die Brosamen weiter gekürzt werden, die die Urheber über die Verwertungsgesellschaften erhalten. Speziell für den Film hat sich das Justizministerium eine Konstruktion ausgedacht, mit der die Filmurheber um jede Mitsprache und Beteiligung bei der künftigen Nutzung ihrer Werke gebracht würden. Auf dem roten Teppich lässt man sich gern mit ihnen sehen. Alles andere wird aber unter diesen gekehrt.
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