Pressemitteilung | Bundesvereinigung Logistik e.V. (BVL)

Der Deutsche Logistik-Preis 2000

(Bremen) - Der Deutsche Logistik-Preis 2000 der Bundesvereinigung Logistik e. V. (BVL) geht in diesem Jahr an die Flughafen München GmbH. Dies wurde gestern Abend während des Empfangs des Berliner Senats anlässlich des 17. Deutschen Logistik-Kongresses, der vom 18.-20. Oktober in Berlin stattfindet, bekannt gegeben. Mit dem Deutschen Logistik-Preis wird jährlich ein Unternehmen ausgezeichnet, das eine integrierte logistische Gesamtlösung erfolgreich in die Praxis umgesetzt hat. Der Preis hat sich in den vergangenen Jahren ein hohes Renommee erworben. Zu den bisherigen Preisträgern zählen u.a. die BMW AG, der Otto Versand, Volkswagen Sachen GmbH, Bosch-Siemens Hausgeräte GmbH, Carl Zeiss Jena oder Boehringer Ingelheim.


Hintergründe über das prämierte Logistik-Konzept der Flughafen München GmbH/ Kurzportrait der erfolgreichen Bewerbung:


1. Ausgangslage, Problemstellung

Einchecken, an Bord gehen, anschnallen und abheben: So einfach kann sich eine Flugreise aus der Perspektive des Passagiers darstellen. Was der Fluggast in der Regel nicht bemerkt, ist das vielschichtige und hochkomplexe Netzwerk von spezifischen Prozessen, die jedem Abflug vorausgehen müssen. Schauplatz dieser sehr unterschiedlichen Prozesse, die von der Abfertigung der Flugzeuge über den Gepäcktransport bis hin zur Steuerung der Passagierströme reichen, ist der Flughafen. Dem Flughafenbetreiber fällt dabei die Aufgabe zu, die sehr unterschiedlichen Firmen und Institutionen, die an der Abwicklung des Flugbetriebes mitwirken, zu koordinieren und optimal zu unterstützen. Die involvierten Organisationen müssen - obwohl sie zum Teil in Konkurrenz zueinander stehen - eng und reibungslos zusammenarbeiten, um hohe Service-Standards zu erzielen.

Da der tägliche Flugbetrieb extremen Schwankungen ausgesetzt ist, können Abfertigungsprozesse nicht wie bei anderen Steuerungsprozessen der industriellen Logistik exakt vorausgeplant oder beeinflusst werden. Unabhängig davon, welche konkreten Anforderungen im Einzelfall gestellt werden, müssen die Prozesse, die Tausende von Passagieren und Abholern betreffen, durch ein permanentes Change-Management beherrscht werden.

Neben diesen anspruchsvollen Aufgaben, die von jedem Flughafenbetreiber gemeistert werden müssen, hatte die Flughafen München GmbH (FMG) in den vergangenen Jahren eine Reihe außerordentlicher Herausforderungen zu bewältigen:

2. den Bau des neuen Flughafens und dessen
Inbetriebnahme 1992.

3. die überdurchschnittliche Zunahme des Passagieraufkommens mit Steigerungsraten, höher als alle
anderen deutschen Flughäfen.

In den letzten Jahren fand eine Neuausrichtung des Münchner Flughafens von einem Point-to-Point-Flughafen zum zweiten deutschen Umsteige-Drehkreuz (Hub) statt. Der damit verbundene Aufbau eines engmaschiges internationalen Streckennetzes setzte voraus, das innerhalb kurzer Zeit besonders komplexe Prozesse und neuartige Service-Leistungen entwickelt und etabliert werden mussten.


4. Lösung

Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, erarbeitete die FMG eine Vielzahl von außergewöhnlichen IT-Lösungen, mit deren Hilfe das logistische Leistungsprofil quantitativ und qualitativ erheblich gesteigert werden konnte. Dazu gehören:

a) IT-Anwendungen und Verfahren, die unter Ausnutzung modernster Technologie (Client-Server-Architektur, Kommunikations-Middleware, Künstliche Intelligenz, usw.) die Benutzer bei ihrer Arbeit effektiv unterstützen. Einige Systeme wurden bereits an andere Flughäfen verkauft.

b) Eine extrem homogene und leistungsfähige Kommunikations-/IT-Infrastruktur, die bereits mit der Inbetriebnahme des neuen Flughafens 1992 aufgebaut wurde. Sehr viele unterschiedliche Systeme und Anwendungen wurden zu einem gesamtheitlichen Netzwerk zusammengeführt. Es umfasst nicht nur die wichtigsten Partner der Flughafen-Community, sondern auch diverse externe Verbindungen (Internet, Videotext, SITA-Netzwerk der Fluggesellschaften, usw).

c) IT-gestützte Workflow-Verfahren mit deren Hilfe sämtliche operativen Geschäftsprozesse in einer umfassenden E-Logistik abgebildet sind. Die Beiträge der einzelnen Partner (Fluggesellschaften, Flugsicherung, usw.) verbinden sich zu einer flughafenweiten Wertschöpfungskette. Der Grad der Integration von Verfahren und Systemen unter Aufrechterhaltung einer hohen Verfügbarkeit ist einmalig und dient inzwischen als Vorbild.

d) Das im Jahr 1999 fertiggestellte Management der Umsteige-Logistik, das den vorläufigen Höhepunkt dieser Entwicklungsreihe technologisch hochwertiger Verfahren darstellt. Mit Hilfe neuartiger, selbstentwickelter Systeme konnten die komplexen Prozesse, die erforderlich sind, um Umsteiger und Umsteigergepäck in kürzester Zeit zu den Anschlussflügen zu bringen, erfolgreich unterstützt werden. Sie wurden gemeinsam mit den Luftverkehrsgesellschaften definiert und konnten auf der Basis des bestehenden E-Logistik-Konzeptes nahtlos in das Gesamtsystem integriert werden.


5. E-Logistik

E-Logistik ist für die FMG Produkt, Strategie und Philosophie zugleich. Sie muss die permanent notwendige, schnelle Abbildung aller Geschäftsprozesse – als unerlässliche Reaktion eines kundenorientierten Service-Anbieters – ermöglichen.

Nur ca. 5 % aller operativen Daten müssen noch manuell eingegeben werden. Alle anderen werden automatisch generiert oder von externen IT-Systemen geliefert. Jede Information, die in das System gelangt, ist für alle Teilnehmer innerhalb von Sekunden verfügbar.

Für den reibungslosen und effektiven Abfertigungsbetrieb am Flughafen ist eine ereignisbezogene und übergreifende Kommunikation unerlässlich. Die abzuwickelnden Arbeitsvorgänge sind oft nicht planbar und beeinflussen sich gegenseitig stark. Dies erfordert schnelle Entscheidungen unter Berücksichtigung aktueller Ereignisse. E-Logistik ermöglicht es, die richtigen Informationen in der notwendigen Qualität an den relevanten Arbeitsplätzen zur Verfügung zu stellen.

Zur Aufrechterhaltung der hohen Verfügbarkeit eines Nonstop-Betriebes wurden umfangreiche Redundanz-Maßnahmen - bei gleichzeitiger Teilautarkie - vorgesehen. Die Infrastruktur und die Systeme sind skalierbar angelegt, so dass das dynamische Verkehrswachstum bewältigt werden kann.


6. Ergebnisse

Mit Hilfe der E-Logistik können den Kunden Service-Leistungen offeriert werden, die weltweit führend sind. Ein Beispiel ist die für Großflughäfen (über 20 Mio. Passagiere pro Jahr) einmalige Garantie, eine Mindest-Umsteigezeit von 35 Minuten einzuhalten.

Weitere Benefits der E-Logistik ergeben sich durch den hohen wirtschaftlichen Nutzen. Die wichtigsten Erfolge im mittelfristigen Vergleich seit 1992 sind:

7. Dem außergewöhnlichen Mengenwachstum (77 %) steht eine deutlich unterproportionale Steigerung der Mitarbeiterkapazität im Abfertigungsbereich (19 %) gegenüber.

8. Die Mitarbeiterproduktion stieg im Bodenverkehrsdienst um 45 %.

9. Die Stückkosten konnten um 20 % reduziert werden.

10. Die Steigerung der Transaktionen im Luftverkehrsbereich um 670 % konnte ohne konzeptionelle Änderungen bewältigt werden.

Durch die kürzlich abgeschlossenen Projekte wurden seit Juli 1999 folgende Fortschritte erzielt:

11. 60 % Reduktion der Verspätungen im Bodenverkehrsdienst

12. 16 % schnellere Ausgabe der Gepäckstücke.


13. Fazit und Ausblick

Das Konzept hat sich in den acht Jahren seit der Inbetriebnahme des neuen Flughafens bestens bewährt. Es gab weder bei der IT-Infrastruktur noch bei den einzelnen Systemen ernsthaften Betriebsstörungen. Die angestrebten Ziele – genaue Informationsverteilung, umfassende Integration, höchste Verfügbarkeit und wirtschaftliche Nutzung der Ressourcen - konnten ohne Einschränkung erreicht werden.

2003 wird die FMG zusammen mit der Deutschen Lufthansa AG ein weiteres Terminal mit einer Anfangskapazität von 20 Mio. Passagieren in Betrieb nehmen. Eine besondere logistische Herausforderung wird die übergeordnete Koordination der Ressourcen sein. Diese Prozesse werden per gemeinsamen Leitstand, dem Integrated-Hub-Center, gesteuert. Eine derartig weitreichende Kooperation ist weltweit einmalig.

Der Flughafen München kann und will seine Marktposition weiter festigen und verbessern. Ziel ist der konsequente Ausbau zu einem Europa- und Interkont-Hub mit 40 Mio. Passagieren pro Jahr.

Quelle und Kontaktadresse:
Bundesvereinigung Logistik (BVL) e.V. Schlachte 31 28195 Bremen Telefon: 0421/173840 Telefax: 0421/167800

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