DBR kritisiert Urteil des BGH und fordert das Eingreifen des Gesetzgebers
(Berlin) Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 18. Juni 2002, mit der die Haftungspflicht einer Ärztin für die Geburt eines behinderten Kindes bejaht wurde, äußerten die im Deutschen Behindertenrat (DBR) zusammengeschlossenen Organisationen ihre große Besorgnis. Dieses Urteil propagiert, dass behinderte Kinder in dieser Gesellschaft als Schaden wahrgenommen werden und ist ein Schlag in das Gesicht aller behinderten Menschen und ihrer Angehörigen, so die Vorsitzende des Sprecherrats Brigitte Pathe.
Die Richter führten in ihrem Urteil aus, dass die Beratungspflicht des Arztes auch den Zweck habe, der Mutter die Belastungen durch das Haben eines schwer behinderten Kindes zu ersparen, weshalb ein Anspruch auf Zahlung des erhöhten Unterhalts für das geborene behinderte Kind bestehe.
Der DBR befürchtet nun, dass durch dieses Urteil der Druck auf Ärzte noch zunimmt, alle erreichbaren Methoden der frühgeburtlichen Diagnostik anzuwenden, um Behinderung und eine damit verbundene mögliche Haftung auszuschließen. Der Gesetzgeber sei daher nun dringend gefordert, Regelungen zu schaffen, die sowohl die Verpflichtung der Ärzte konkretisieren, aber auch den Eltern das Recht sichern, den Umfang der Schwangerenvorsorge selbst zu bestimmen. Eine unkontrollierte Zunahme der selektiven diagnostischen Möglichkeiten aus Angst vor Schadensersatzforderungen wird auf Dauer in der Gesellschaft die bereits erkennbare Meinung verstärken, Behinderung sei vermeidbar, in keinem Fall akzeptabel und darüber hinaus ein schadenauslösendes Ereignis.
Pathe kritisierte, dass schon heute routinemäßig nach möglichen Behinderungen gesucht würde, ohne dass dies der schwangeren Frau immer bewusst wäre. Vielen Frauen ist noch nicht einmal bekannt, dass sie auch die Möglichkeit haben, im Mutterpass vorgesehene Untersuchungen abzulehnen. Pränatale Diagnostik wird als Muss während der Schwangerschaft verstanden und Frauen, die bewusst darauf verzichten, müssen mit dem Unverständnis ihrer Umgebung rechnen. Das Recht der Mutter auf Nichtwissen bleibt dabei auf der Strecke !.
Der DBR fordert, dass Eltern aus dem konkreten Inkaufnehmen der Behinderung bzw. einer möglichen Behinderung ihres Kindes keine Nachteile erwachsen dürfen. Nach Ansicht der im DBR zusammengeschlossenen Behindertenorganisationen muss eine umfassende Unterstützung aller Eltern von behinderten Kindern durch einen einkommensunabhängigen Nachteilsausgleich gewährleistet werden, der eine echte Teilhabe behinderter Kinder am Leben in der Gesellschaft ermöglicht.
Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher Behindertenrat (DBR), c/o Sozialverband Deutschland e.V. (SoVD)
Kurfürstenstr. 131
10785 Berlin
Telefon: 030/26391041
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