#DBL: Internationaler #Frauentag am 8. März 2019 / Logopädie/Sprachtherapie: Schluss mit der Benachteiligung der Frauenberufe
(Frechen) - "Der aktuelle Nachwuchs- und Versorgungsmangel im Bereich Logopädie/Sprachtherapie ist eine Folge der Diskriminierung unserer therapeutischen Berufsgruppen", sagt die Sprecherin des Arbeitskreises Berufsgesetz, Dietlinde Schrey-Dern, anlässlich des bevorstehenden Internationalen Frauentags 2019.
Therapieberufe sind weiblich
29.000 therapeutisch ausgebildete Menschen kümmern sich in Deutschland tagtäglich um die Versorgung von Patienten, die unter Störungen der Sprache, des Sprechens, der Stimme oder des Schluckens leiden. Dazu gehören staatlich anerkannte Logopäd*innen, akademische Sprachtherapeut*innen und Atem-, Sprech- und Stimmlehrer*innen. So vielgestaltig die Berufsgruppen auch sind, eines haben alle gemeinsam: Der Anteil der Frauen ist sehr hoch, er liegt bei 93 Prozent.
Schlechte Rahmenbedingungen für qualifizierte Frauenarbeit
Wie in anderen Frauenberufen auch hat dies erhebliche Folgen für die konkrete Arbeitswirklichkeit der hier angestellt und freiberuflich bzw. selbständig Tätigen, so Schrey-Dern. So arbeiten 55 Prozent der insgesamt 29.000 Berufsangehörigen in Teilzeit. Viele tun dies, weil sie nebenher noch anderen, lukrativeren Tätigkeiten nachgehen müssen. Denn die Entlohnung logopädisch/sprachtherapeutischer Leistungen ist äußerst gering. Die Hälfte der vollzeitbeschäftigten Berufsangehörigen muss mit weniger als 2.299 Euro brutto im Monat auskommen. "Damit liegen sie im Einkommensranking weit hinter anderen Berufsgruppen, auch innerhalb des medizinisch-pflegerischen Bereichs", sagt die Sprecherin des Arbeitskreises.
Sackgasse Frauenberuf
Ein weiteres Problem sind die mangelnden Möglichkeiten, sich in diesem Berufsfeld weiterzuentwickeln. "Karriereplanung ist ein Begriff, der für den Bereich Logopädie/Sprachtherapie offenbar nicht vorgesehen ist", so Schrey-Dern. Ein Grund hierfür sei, dass die seit Jahrzehnten geforderte Akademisierung der Ausbildung diesem Frauenberuf verweigert werde. Und dies, obwohl 90 Prozent der Berufsangehörigen über eine Hochschulzugangsberechtigung verfügen, die Ausbildung an Hochschulen in den europäischen Nachbarländern aufgrund der hochkomplexen Tätigkeitsfelder in Diagnostik und Therapie längst üblich ist und von Politik und Krankenkassen Wirksamkeitsnachweise für kassenfinanzierte Gesundheitsleistungen eingefordert werden - was auch in diesem Heilmittelbereich die Herausbildung und Etablierung einer wissenschaftlich-akademischen Logopädie/Sprachtherapie voraussetzt.
Ausweg: Flucht aus dem Beruf
Diese unattraktiven Rahmenbedingungen führen bei immer mehr Therapeutinnen zur Flucht aus ihrem früheren Traumberuf: "Trotz hoher Identifikation mit ihrer sehr eigenständigen und verantwortungsvollen Arbeit in Klinik und Praxis steigen 50 Prozent der Berufstätigen nach nur fünfjähriger Tätigkeit aus ihrem Job aus", mahnt Schrey-Dern. Eine aktuelle wissenschaftliche Untersuchung zeigt, dass der schlechte Verdienst und die mangelnden Möglichkeiten, beruflich weiterzukommen, die wesentlichen Gründe hierfür sind. Zugleich berichten Logopädiefachschulen von einem dramatischen Rückgang ihrer Bewerberzahlen, teilweise müssen Schulen geschlossen werden.
Vom Mangelberuf zur Mangelversorgung
"Im Ergebnis wird deutlich: Unsere Berufsgruppe ist in den letzten Jahrzehnten von den politisch Verantwortlichen in vielerlei Hinsicht schlecht behandelt und im Vergleich zu anderen Professionen diskriminiert worden. Die Folgen haben nicht nur wir Therapeutinnen und Therapeuten, sondern vor allem auch die Patienten zu tragen", sagt die Arbeitskreis-Sprecherin. Laut Bundesagentur für Arbeit ist die Logopädie/Sprachtherapie offiziell ein Engpassberuf. Insbesondere die ambulante Versorgung der Patienten ist gefährdet. Die Wartezeiten in logopädisch/sprachtherapeutischen Praxen werden immer länger, denn Praxisinhaber können ihre vakanten Stellen nicht mehr besetzten, teilweise steigen sie aus dem System der GKV ganz aus und arbeiten als Privatpraxis weiter oder schließen ganz.
"Damit muss endlich Schluss sein! Wir fordern die Gesundheitspolitiker in Bund und Ländern auf, das veraltete Berufsgesetz aus dem Jahr 1980 auf der Grundlage einer regelhaften primärqualifizierenden hochschulischen Ausbildung an die aktuellen Anforderungen unserer Profession anzupassen, sich weiterhin für die Verbesserung der Vergütung unserer Leistungen zu engagieren, die Ressourcen unserer Profession durch die Übertragung von mehr Eigenverantwortung an uns besser zu nutzen und unnötige Bürokratie abzubauen", so Schrey-Dern.
Hintergrund:
Der Arbeitskreis Berufsgesetz besteht seit Januar 2016. Die darin zusammen geschlossenen Verbände [Deutscher Bundesverband für Logopädie e.V. (dbl), Deutscher Bundesverband für akademische Sprachtherapie und Logopädie e.V. (dbs), Deutscher Bundesverband der Atem-, Sprech- und Stimmlehrer/innen e.V. (dba), LOGO Deutschland e.V., Bundesverband Deutscher Schulen für Logopädie e.V. (BDSL), Hochschulverbund Gesundheitsfachberufe e.V. (HVG), dbl-Bundesstudierendenvertretung (BSV), dbs-Dozentenkonferenz sowie Expert*innen von Modellstudiengängen] treten gemeinsam für die primärqualifizierende hochschulische Ausbildung im Bereich Logopädie/Sprachtherapie ein.
Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher Bundesverband für Logopädie e.V. (DBL)
Pressestelle
Augustinusstr. 11a, 50226 Frechen
Telefon: (02234) 37953-0, Fax: (02234) 37953-13