DAV begrüßt Überlegungen zur Resilienz der Justiz
(Berlin) - Der Deutsche Anwaltverein (DAV) begrüßt die aktuellen Überlegungen der Justizministerkonferenz zur Gewährleistung der Unabhängigkeit und Funktionsfähigkeit der Justiz, allen voran der Verfassungsgerichte von Bund und Ländern. Die Justiz muss geschützt werden - nicht nur vor gezielter Entmachtung, sondern auch vor passiver Blockade. Die möglichen Lösungswege liegen auf dem Tisch - und der Anwaltschaft kommt hier eine Wächterrolle zu.
"Wir müssen die Widerstandsfähigkeit unseres Rechtsstaats steigern - institutionell und personell", mahnt Rechtsanwalt Dr. Ulrich Karpenstein, Vizepräsident des DAV. Hierfür müsse insbesondere die Justiz rechtzeitig vor politisch motivierten Ein- und Übergriffen geschützt werden. "Wir haben es in Polen, Ungarn und auch den USA gesehen: Wenn Autokraten und Populisten politische Mehrheiten erringen, wecken insbesondere die Besetzung und die Befugnisse der Verfassungsgerichte schnell Begehrlichkeiten."
Lösungsmöglichkeiten gegen die gezielte Entmachtung
Angesichts der besorgniserregenden Erfahrungen in diesen und vielen weiteren Staaten wurde aus der deutschen Anwaltschaft schon vor vielen Jahren gefordert, die Resilienz der Verfassungsgerichtsbarkeit zu stärken. "Auch unser System bietet zurzeit leider noch zu viele Angriffsflächen", analysiert Karpenstein. Im internationalen Vergleich ist das BVerfG zwar in hohem Maße unabhängig: Die Zweidrittelmehrheit für die Richterwahl sorgt für ein breites Fundament; die Amtszeit von 12 Jahren sichert die fachliche Expertise und der Ausschluss der Wiederwahl vermeidet Gefälligkeitsurteile. Solche und viele weitere Gewährleistungen für die Unabhängigkeit und Funktionsfähigkeit des höchsten deutschen Gerichts finden sich indes nicht im Grundgesetz, sondern können durch einfache Mehrheiten geändert werden.
Der DAV hält den Vorschlag, wesentliche Verfahrens- und Funktionsvorschriften der Verfassungsgerichte nur mit deren Einvernehmen zu ändern, für besonders zielführend. Ebenfalls denkbar wäre es jedoch, für derartige Regelungen eine Zweidrittelmehrheit des Bundestages vorzusehen, zumindest jedoch systemrelevante Gewährleistungen unmittelbar im Grundgesetz zu verankern.
Lösungsmöglichkeiten gegen langfristige Blockade von Richterwahlen
Gefährdungen für das ordnungsgemäße Funktionieren der Verfassungsgerichtsbarkeit resultieren derzeit vor allem aus den Bestimmungen über die Richterwahlen: "Für die obersten Gerichte von Bund und Ländern sollte erst einmal sichergestellt werden, dass radikale Sperrminoritäten die Besetzung der Richterstellen nicht langfristig blockieren können", erläutert der DAV-Vizepräsident. "Hier bedarf es kluger Lösungen, die die uneingeschränkte Funktionsfähigkeit der Gerichte auch in raueren Zeiten gewährleisten." Denkbar sei beispielsweise, dass der Bundesrat die Richterstellen besetze, sofern der Bundestag dieser Aufgabe über einen längeren Zeitraum nicht nachkommen könne. Gedacht werden könnte auch an die gesetzliche Errichtung von Richterwahlausschüssen - unter Beteiligung der anwaltlichen Berufsverbände -, denen die Auflösung derartiger Blockaden im Kooptationsverfahren übertragen werden könnte. Der DAV wird die aktuellen Diskussionen sehr genau verfolgen und sich hier konstruktiv einbringen.
Anwaltschaft als Garantin des Rechtsstaats
"Anwältinnen und Anwälte sehen in ihrem beruflichen Alltag zuallererst die Fehlentwicklungen - und es ist ihre Aufgabe, diese frühzeitig zu thematisieren", so Karpenstein. Der Blick in andere Länder zeige: Eine laute Anwaltschaft, die sich gegen die Unterwerfung der Justiz wehrt, kann viel bewegen. Bleibt die Anwaltschaft also einig und stark, könne sie sich als Bollwerk für Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung erweisen.
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