Pressemitteilung | Deutsche Vereinigung für Datenschutz e.V. (DVD)

Datenschutzvereinigung: Beängstigende Bilanz der Terrorismusbekämpfung

(Bonn) - Ein Jahr nach den terroristischen Anschlägen vom 11. September 2001 werden allenthalben Bestandsaufnahmen über die terroristische Gefahr und deren Bekämpfung vorgenommen. Dabei kommen Bundesinnenminister Schily oder z.B. der bayerische Innenminister Beckstein zu einer verblüffend übereinstimmenden Analyse: "Die Gefahr besteht weiter; wir haben das Richtige dagegen getan; das werden wir fortsetzen; daher besteht kein Grund zur Beunruhigung". Grund zur Beunruhigung gibt es jedoch nach Ansicht der Deutschen Vereinigung für Datenschutz (DVD) angesichts des damit einhergehenden Grundrechtsabbaus mehr als genug. Die Bestandsaufnahme des DVD-Vorsitzenden, Dr. Thilo Weichert:

In der Folge des 11. September wurden - ohne kritische gesellschaftliche Debatte - so genannte Terrorismusbekämpfungsgesetze erlassen, die ohne Not unseren Grundrechtsschutz in Frage stellen. Die Gesetze, wie z.B. die erleichterten Möglichkeiten der Rasterfahndung, der Telekommunikationsüberwachung oder der Ausländerkontrolle, haben bisher nichts Nachweisbares zur Aufklärung terroristischer Straftaten beigetragen und sind hierzu auch nicht geeignet. Die teilweise zweifellos erfolgreiche Arbeit der Ermittlungsbehörden beruht nicht auf den neuen Kompetenzen, über die völlig Unverdächtige in Ermittlungen hineingezogen und dabei real geschädigt werden, sondern auf klassischer, schon bisher zulässiger kriminalistischer Arbeit. Besonders die bundesweite Rasterfahndung nach "Schläfern" war - voraussehbar - ein gewaltiger, finanziell und personell aufwändiger "Schlag ins Wasser". Aber auch die massiv verschärfte Ausländerüberwachung hat nur eines bewirkt: eine Verunsicherung und Verängstigung der Betroffenen. Sie brachte Gefühle hervor, die weniger rechtsstatlich-demokratisches Denken als terroristische Einstellungen zu fördern in der Lage sind.

Die Sicherheitsexperten haben bis heute keinen Beleg dafür erbracht, dass die beschlossenen Grundrechtseingriffe effektiv gewesen wären, obwohl genau diese "Evaluation" der sicherheitsbehördlichen Tätigkeit Bestandteil der neuen Gesetze ist. Selbst Maßnahmen zur Vorbereitung dieser Evaluation sind neun Monate nach Verabschiedung der Gesetze nicht erkennbar.

Besonders gravierend ist die geplante Einführung von biometrischen Identifizierungsverfahren auf Ausweisdokumenten, zunächst der ausländischen, dann der deutschen Mitbürger. Biometrische Identifizierung für einen zuverlässigen Masseneinsatz ist noch weit von der Anwendungsreife entfernt. Über die damit verbundene Einführung der Technik eines unveränderlichen Personenkennzeichens wurde bisher öffentlich noch nicht debattiert.

Unter Verfassungsjuristen ist unstreitig, dass die Einführung von Personenkennzeichen oder die Durchführung von Vorratsdatenspeicherungen erfassungswidrig ist. Hochgradig beängstigend ist, dass Politiker fast jeder Couleur im Schatten des 11. Septembers solche Maßnahmen beschlossen haben und weiter vorantreiben, oft ohne über die Gefahren z.B. für den Datenschutz auch nur nachzudenken. Es wäre ein später, fataler Sieg der Terroristen, wenn unser Rechtsstaat sich unter dem Vorwand von deren Bekämpfung aufgäbe. Nicht noch weitere Befugnisse der Terrorismusbekämpfung sind nach dem 22. September 2002 gefordert, sondern eine wissenschaftliche Bewertung der bisherigen Kompetenzen, die Feststellung der grundrechtlichen Auswirkungen und die Beschneidung des ineffektiven und unverhältnismäßigen Wildwuchses an Ermittlungsbefugnissen.

Quelle und Kontaktadresse:
Deutsche Vereinigung für Datenschutz e.V. (DVD) Bonner Talweg 33-35 53113 Bonn Telefon: 0228/222498 Telefax: 0228/

NEWS TEILEN: