Datenschützer fordern, die Rasterfahndung einzustellen
(Bonn) - Die DVD fordert die Innenbehörden der Bundesländer auf, die Rasterfahndung nach potentiellen "Schläfern" terroristischer Organisationen zu beenden. Dazu erklärt Sönke Hilbrans, Mitglied im Vorstand der DVD: "Seit Mitte September sehen sich vor allem ausländische Studierende aus bestimmten Herkunftsländern mit dem Generalverdacht konfrontiert, sie könnten Mitglieder oder Unterstützer eines weltweiten Netzes islamischer Terroristen sein. Ausgangspunkt dieser Erfahrung sind Täter-/Störerprofile, die auf Erkenntnissen über die Attentäter vom 11. September 2001 basieren und auf mutmaßliche "Schläfer" terroristischer Organisationen zutreffen sollen. Diese Profile führen jeweils gänzlich unverdächtige persönliche Eigenschaften und biographische Daten zusammen, wobei der islamische Glaube das zentrale Kriterium ist und anhand bestimmter Staatsangehörigkeiten vermutet wird. Es ist im Wesentlichen der kritischen Öffentlichkeit an den Hochschulen zu verdanken, dass diese Entwicklung nunmehr diskutiert wird. Von der Rasterfahndung sind auch die Datenbestände von Ausländerämtern, Arbeitgebern und anderen nicht-polizeilichen Stellen betroffen.
Mit dem massenweisen Abgleich nicht-polizeilicher Daten gänzlich Unverdächtiger stellt die Rasterfahndung in idealtypischer Weise das rechtsstaatliche Prinzip auf den Kopf, dass die Einzelnen nicht Objekt polizeilicher Eingriffe werden dürfen, so lange von ihnen keine Gefahr ausgeht. Mit der Rasterfahndung anhand der Religionszugehörigkeit setzt eine informationelle Gruppenverfolgung ein, welche ein weiteres zentrales Prinzip des Grund- und Menschenrechtsschutzes übergeht: Die Religionszugehörigkeit ist eine individuell unverfügbare Eigenschaft und steht unter besonderem verfassungsrechtlichen Schutz, an dem sich polizeiliche Eingriffe in die Privatsphäre nicht gezielt vergehen dürfen. Zudem beeinträchtigt schon die Möglichkeit, von polizeilicher Ausforschung betroffen zu sein, die individuelle Unbefangenheit, von den Grund- und Menschenrechten Gebrauch zu machen. Die Rasterfahndung erzeugt so in den betroffenen Gruppen erhebliche grundrechtliche Kollateralschäden.
Diesen gerade heute aktuellen verfassungsrechtlichen Bedenken steht mit bisher einem einzigen beachtlichen Fahndungserfolg eine von Anfang an magere Erfolgsbilanz der Rasterfahndung gegenüber. Schon die weiterhin nicht flächendeckende Regelung in den Bundesländern gibt zu erkennen, dass der Nutzen der Rasterfahndung aus gutem Grund fachlich nicht anerkannt ist. Für die Rasterfahndung gilt daher, was für eine Vielzahl "moderner" informationeller Ermittlungseingriffe gilt: Sicher sind keinesfalls Zugewinne an Sicherheit oder Ermittlungsergebnissen, sondern Einbußen in den BürgerInnenrechten. Die landläufig unterstellte Krise der inneren Sicherheit darf nicht zur Krise der BürgerInnenrechte werden. Der Rechtsstaat ist daran zu erkennen, dass er seine Grenzen kennt, mit Augenmaß vorgeht und die Privatsphäre Unbeteiligter nicht antastet."
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