Das Privatleben ist geschützt / Presserat verteilt vier Rügen wegen Persönlichkeitsrechtsverletzungen
(Bonn) - Auf seiner ersten Sitzung des Jahres am 18.02.2003 hat der Beschwerdeausschuss des Deutschen Presserats allein vier Rügen wegen des Verstoßes gegen die in Ziffer 8 benannten Persönlichkeitsrechte ausgesprochen.
Eine öffentliche Rüge erhielt die NEUE REVUE, die über Eheprobleme von Bundesaußenminister Fischer und seiner Frau berichtete. Der Artikel war in Tatsachenform geschrieben und versuchte anhand von Fotos zu belegen, dass die Ehe nicht mehr zu retten und schon am Ende sei. Dies war nach Meinung des Beschwerdeausschusses ein Verstoß gegen die in Ziffer 8 geforderte Zurückhaltung bei der Berichterstattung über das Privatleben von Menschen. Ziffer 8 lautet:
Die Presse achtet das Privatleben und die Intimsphäre des Menschen. Berührt jedoch das private Verhalten öffentliche Interessen, so kann es im Einzelfall in der Presse erörtert werden. Dabei ist zu prüfen, ob durch eine Veröffentlichung Persönlichkeitsrechte Unbeteiligter verletzt werden.
Zwar könne, so der Ausschuss, generell auch über die Ehefrau von Joschka Fischer berichtet werden - dies auch mit Fotos - jedoch gelte auch hier, dass die Privat- und Intimsphäre zu schützen ist.
Die ABENDZEITUNG MÜNCHEN wurde öffentlich gerügt, da sie in einer Schlagzeile auf der ersten Seite über eine Anzeige wegen Ladendiebstahls gegen einen bayerischen Schauspieler mit vollem Namen und Foto berichtet hatte. Zwar lief tatsächlich ein Strafverfahren gegen den Schauspieler, dies rechtfertigte nach Meinung des Beschwerdeausschusses jedoch nicht die identifizierende Berichterstattung. Diese war nach Meinung des Presserats zudem unverhältnismäßig, da eine Veröffentlichung wegen eines Ladendiebstahls überproportional sei. Hier wurde massiv gegen die in Ziffer 8 Richtlinie 1 verlangte Zurückhaltung bei der Berichterstattung über Gerichtsverfahren verstoßen. Hier heißt es:
Die Nennung der Namen und die Abbildung von Opfern und Tätern in der Berichterstattung über Unglücksfälle, Straftaten, Ermittlungs- und Gerichtsverfahren ... sind in der Regel nicht gerechtfertigt. Immer ist zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen abzuwägen. Sensationsbedürfnisse können ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit nicht begründen.
Ebenfalls aufgrund dieser Richtlinie wurde die MITTELBAYERISCHE ZEITUNG nicht-öffentlich gerügt. Sie hatte in einem Bericht über eine Fahndung im Zusammenhang mit Kinderpornos identifizierend über einen Verdächtigen berichtet. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung bestand hier jedoch nur ein Anfangsverdacht. Der Verdächtige wurde mit Vornamen, abgekürztem Nachnamen und Foto mit Augenbalken, der jedoch viel zu klein war, dargestellt. Eine Identifizierung des Verdächtigen für eine größere Personengruppe war somit gegeben.
Wegen der Veröffentlichung des Fotos eines jungen Mannes, der an Krebs gestorben war, wurde die BILD-Zeitung nicht-öffentlich gerügt. Das Foto stammte nicht von der Familie des Verstorbenen, die die Herausgabe eines Bildes verweigert hatte. Daraufhin hatte sich die Zeitung das Foto aus anderer Quelle beschafft und veröffentlicht, obwohl sie wusste, dass dies nicht von der Familie gewollt war. Die Veröffentlichung verstößt gegen Ziffer 8 des Pressekodex, da es kein öffentliches Interesse daran gab, den jungen Mann und seine Familie kenntlich zu machen.
Zwei öffentliche Rügen wurden aufgrund von Ziffer 2 des Pressekodex ausgesprochen. In diesem Verhaltensgrundsatz geht es um die Sorgfaltspflichten der Journalisten, die nach Meinung des Beschwerdeausschusses u.a. von der Zeitschrift GLAMOUR missachtet wurden. Der Beschwerdeausschuss rügte den Beitrag der Zeitschrift über männerspezifische Verhaltensweisen, der in Form eines Interviews veröffentlicht worden war. Bei den Antworten hatte ein Psychologe, der mit vollem Namen genannt wurde, geholfen. Tatsächlich stammten die Antworten jedoch nicht von ihm. Der Presserat sah hier die in Ziffer 2 formulierte Sorgfaltspflicht verletzt:
Zur Veröffentlichung bestimmte Nachrichten und Informationen in Wort und Bild sind mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen. Ihr Sinn darf durch Bearbeitung, Überschrift oder Bildbeschriftung weder entstellt noch verfälscht werden. Dokumente müssen sinngetreu wiedergegeben werden. Unbestätigte Meldungen, Gerüchte und Vermutungen sind als solche erkennbar zu machen.
Ebenfalls aufgrund von Ziffer 2 wurde die HEILBRONNER STIMME öffentlich gerügt. Die Zeitung hatte bei einem Foto, das bei einer Gedenkstunde zu einem Antikriegstag entstanden war, das Kürzel einer Partei aus dem Transparent einer Demonstrantengruppe heraus retuschiert und dies nicht als Manipulation kenntlich gemacht. Richtlinie 2.2. des Pressekodex sagt deutlich aus, dass "Fotomontagen oder sonstige Veränderungen deutlich wahrnehmbar in Bildlegende bzw. Bezugstext als solche erkennbar zu machen" sind.
Eine weitere öffentliche Rüge erhielt die HAMBURGER MORGENPOST. Sie hatte vorverurteilend über den mutmaßlichen Komplizen eines Terroristen berichtet und diesen selbst als "Terroristen" bezeichnet. In Ziffer 13 des Pressekodex ist jedoch geregelt, dass eine Berichterstattung "über Ermittlungsverfahren, Strafverfahren und sonstige förmliche Verfahren [...] frei von Vorurteilen erfolgen" muss.
Ebenfalls öffentlich gerügt wurde die OFFENBACH-POST, die in diskriminierender Weise von "Umherreisenden" berichtete und pauschalisierend erklärte, diese Gruppe sei dafür bekannt, dass sie sich nicht an Normen halte. Die Zeitung belegte diese - von ihr so genannte "Theorie" - damit, dass ein "Sippenangehöriger" in einem Café im Internet surfte und anschließend die Rechnung nicht zahlte. In Ziffer 12 des Pressekodex ist geregelt, dass "niemand [...] wegen seines Geschlechts oder seiner Zugehörigkeit zu einer rassischen, ethnischen, religiösen, sozialen oder nationalen Gruppe diskriminiert werden" darf. Besonders die Richtlinie 12.1 weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass
bei der Berichterstattung über Straftaten "die Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu religiösen, ethnischen oder anderen Minderheiten nur dann erwähnt [wird], wenn für das Verständnis des berichteten Vorgangs ein begründbarer Sachbezug besteht. Besonders ist zu beachten, dass die Erwähnung Vorurteile gegenüber schutzbedürftigen Gruppen schüren könnte".
Insgesamt waren in dieser Sitzung des Beschwerdeausschusses 69 Beschwerden zu bearbeiten, bei denen neben den acht Rügen neun Missbilligungen und 18 Hinweise ausgesprochen wurden. 29 Beschwerden wurden als unbegründet zurückgewiesen.
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