Das neue Urhebervertragsrecht ist kein großer Wurf / Große Koalition begnügt sich mit Marginallösungen, gewährt Verlegern weiterhin Privilegien
(Berlin) - Seit Jahrzehnten ist das Ungleichgewicht in den vertraglichen Beziehungen zwischen dem einzelnen, existenziell auf die Beauftragung angewiesenen Urheber und Werkherstellern und Verwertern bekannt. Das Urhebervertragsrecht soll diese Disparität durch kollektivvertragliche Regelungen abfedern. Gelungen ist das bisher nicht. Die meisten Ergebnisse unabhängiger rechtswissenschaftlicher Analysen perlen am Willen des Gesetzgebers genauso ab wie die parlamentarischer Enquetekommissionen. So erging es bereits 2002 den Grundbausteinen des Urhebervertragsrecht, 2008 den Erweiterungen des so genannten 2. Korbs, und so ist es auch der aktuellen Novellierung wiederfahren, die gestern spätabends vom Bundestag beschlossen wurde.
Geblieben sind einige wohl bewusst gelassene Unschärfen abstrakter Rechtsbegriffe und Umgehungsmöglichkeiten. Dies betrifft vor allem den zentralen Ansatz: die Aufstellung von Gemeinsamen Vergütungsregeln durch Urheber- und Verwerterverbänden, die rechtspraktisch definieren, was angemessen ist. Obwohl die SPD klar erkannt hatte, dass dazu am Ende ein verbindliches Verfahren notwendig ist, hat sie es wider besseren Wissens nicht durchgesetzt. Ein finales Schlichtungsergebnis bleibt unverbindlich, weil die CDU verwerterloyal mauerte. Stattdessen wurde für so genannte verbundene Werke (also etwa Filme oder Anthologien) für Hersteller und Großverwerter die Möglichkeit eröffnet, in einem Schlichtungsverfahren weitere Urheberverbände hinzuziehen können und damit ein straffes Verfahren zu verwässern und Vergütungen zu deckeln. Selbstverständlich gilt diese Gängelung, die verfassungsrechtlich bedenklich erscheint, umgekehrt nicht.
Ob eine angemessene Vergütung für Urheber dadurch erzielt wird, dass formal neben der Dauer auch die unbestimmten Rechtsbegriffe Ausmaß und Häufigkeit der Nutzungen zu berücksichtigen sind, erscheint angesichts oft pauschalisierter Formularverträge eher praxisfern. Die seit 50 Jahren vom BGH bemühte Formel zur Mehrfachnutzung, der Urheber ist an den Erträgnissen und Vorteilen aus jeglicher Werknutzung angemessen zu beteiligen, wäre erheblich eindeutiger. Etwas mutiger zeigte sich die Große Koalition beim Auskunftsanspruch über den Verwertungserfolg. Hier können in Maßen auch Verwerter in der Lizenzkette befragt werden. Das Recht zum Rückruf von Nutzungsrechten wird bei Verträgen mit Pauschalvergütung nach 10 Jahren gewährt. Es gilt aber nicht für Filmurheber. Drehbuchautoren haben hier zudem keine Verbesserung der Rückrufmöglichkeit bei Nichtausübung des Verfilmungsrechts zu erwarten, wie ursprünglich vorgesehen. Das verschämt eingeführte Verbandsklagerecht zur Einhaltung von Vergütungsregeln (das eigentlich gar keines ist), wird weitgehend wirkungslos bleiben. Wenn es keine Vergütungsregel gibt, weil der Verwerter ohne Begründung und unsanktioniert einfach das Schlichtungsergebnis ablehnt, dann kann ein Verband auch nicht deren Einhaltung einfordern. Ein Schutz vor Blacklisting des Urhebers ist auch nicht gegeben, selbst wenn er formal nicht klagt, sondern sein Verband.
Es drängt sich ob dieser zumeist marginalen oder unscharfen 'Verbesserungen' für Urheber der Verdacht auf, die Koalition hat die Novelle vor allem verabschiedet, um Verlegern eine Beteiligung an den Zweitrechtserlösen der Verwertungsgesellschaften auch ohne Leistungsschutzrechte zu sichern. Das zumindest ist gelungen. Die im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD versprochenen "effizienten Verhandlungs- bzw. Konfliktlösungsmechanismen,... die insgesamt beschleunigt werden müssen, (wobei) die Verbindlichkeit des Schlichtungsverfahrens zu verbessern" ist, lassen hingegen weiter auf sich warten. Dass Urheberrecht nicht zuvorderst Handelsrecht sein sollte, bedarf gerade in der digitalen Kreativ- und Wissensgesellschaft einer weiteren, mutigeren Akzentuierung.
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