Chlamydien - die hinterhältigen Zellparasiten
(München) - Vor rund zwei Jahrzehnten schien es so, als spielten die sexuell übertragbaren Erkrankungen keine entscheidende Rolle mehr. Aus Furcht vor AIDS sanken die Infektionsraten deutlich, da die Menschen mehr denn je zuvor Safer Sex praktizierten. Durch Leichtfertigkeit und mangelndes Problembewusstsein steigt die Rate der Geschlechtskrankheiten auch in Westeropa wieder deutlich an. Wichtige Aufschlüsse für diesen Trend liefert das bundesweite Sentinel zu STD (sexual transmitted diseases).
Was sind Chlamydien?
Chlamydien sind eine Gattung von Bakterien. Auf Grund ihrer geringen Größe und ihrer rein intrazellulären Vermehrung wurden Chlamydien bis in die sechziger Jahre hinein den Viren zugerechnet. Erst 1966 erhielten sie als eigenständige Bezeichnung "Chlamydiales ihre Zuordnung als Bakterien. Sie vermehren sich ausschließlich innerhalb einer Wirtszelle und können auf normalen Nährmedien nicht angezüchtet werden. Chlamydien lösen Erkrankungen der Schleimhäute im Genital-, Augen- und Atemwegsbereich mit teilweisen schwerwiegenden Folgen wie Erblindung und Unfruchtbarkeit aus. Es gibt Hinweise darauf, dass eine bestehende Chlamydieninfektion die Ansteckung mit anderen sexuell übertragbaren Erkrankungen - einschließlich der Infektion mit HIV bei ungeschütztem Geschlechtsverkehr begünstigen kann.
Chlamydieninfektionen bleiben oft unerkannt
Zu den mit Abstand am häufigsten sexuell übertragbaren Krankheiten zählen Chlamydieninfektionen noch vor Gonorrhö und Syphilis. Je nach Altersgruppe sollen bis zu zehn Prozent der Bevölkerung infiziert sein. Dies trifft vornehmlich auf Großstädte und die Landesgrenzen der Republik zu Osteuropa zu. Die angespannte wirtschaftliche Situation begünstigt hier die Prostitution und da die Gesundheitsversorgung weitgehend dürftig ist, breiten sich Chlamydieninfektionen ungehindert aus. Erschwerend wirkt außerdem, dass etwa 75 Prozent der Frauen und rund 50 Prozent der Männer nach einer Chlamydieninfektion keine oder nur geringfügige Beschwerden haben. Die Übertragung findet sowohl durch Geschlechtsverkehr als auch durch Schmierinfektionen beim Petting und Vorspiel statt. Der sicherste Schutz vor Ansteckung beim Geschlechtsverkehr sind Kondome. Seit Einführung des Infektionsschutzgesetzes im Jahre 2001 ist die Ansteckung mit Chlamydien nicht mehr meldepflichtig. Im Rahmen einer Untersuchung an Berliner Schulen wurden die Bakterien bei fast jedem zehnten Mädchen gefunden und Experten vermuten, dass sich mindestens 300.000 Menschen jährlich allein in Deutschland neu anstecken (dies gilt als die Spitze des Eisbergs).
Wie sehen die Folgen der Infektion aus?
Trotz schleichendem Verlauf und häufig verspäteter Diagnose ist die Kenntnis folgender Symptome wichtig: Bei Frauen kommt es zu verstärktem Ausfluss, Juckreiz und Brennen während des Wasserlassens. Die Infektion beschränkt sich zunächst auf den Scheideneingang, den Gebärmutterhals und/ oder die Harnröhre. Steigen die Bakterien auf, verbreiten sie sich in der Gebärmutterhöhle und erreichen die Eileiter. Bei einer weiteren Ausbreitung kann es zu einer Entzündungsreaktion im Kleinen Becken kommen. Auch Anus und Enddarm können betroffen sein und Rachenentzündungen sind durchaus nicht selten. Bei Männern ist die Entzündung der Harnröhre die häufigste Erscheinungsform. Es kommt zu schleimig-eitrigem Ausfluss. Eine Entzündung der Hoden und Nebenhoden kann sich anschließen.
Jede zweite unfruchtbare Frau wurde durch Chlamydien steril
Chlamydieninfektionen sind mit einer Antibiotika-Therapie gut in den Griff zu bekommen. Es entstehen jedoch beim Abheilen einer Eileiterentzündung häufig wulstige Narben, die den Eileiter unter Umständen so verengen, dass befruchtete Eizellen nicht mehr in die Gebärmutter gelangen können. Aus diesem Grunde wird angenommen, dass rund die Hälfte der ungewollt kinderlosen Frauen durch eine langjährige Chlamydieninfektion unfruchtbar geworden ist.
Wann soll ein Arzt aufgesucht werden?
Da viele Frauen die ersten Symptome einer Chlamydieninfektion nicht als Krankheit, sondern häufig nur als Belästigung empfinden, sollte die Aufklärung verstärkt werden und Frauen wie Männern aufzeigen, dass bei Jucken, Brennen oder Rötungen im Genitalbereich sofort ärztliche Hilfe in Anspruch genommen werden muss. Dies gilt insbesondere, wenn es zu ungeschütztem Sex mit wechselnden Partnern gekommen ist und man sich nicht sicher sein kann, ob eventuell eine Infektion vorliegt. Da Geschlechtskrankheiten noch immer von einer gewissen Peinlichkeit umgeben sind, kann eine Aufklärung über die Medien dazu beitragen, dem Tabu zu begegnen und damit den nachhaltigen Folgen vorzubeugen. Wichtig ist, schon in jungen Jahren Informationen über Safer Sex, sexuell übertragbare Krankheiten und deren Prophylaxe zu erhalten. Hier sind die Frauenärztinnen und ärzte die kompetentesten Ansprechpartner.
Hinweise für Schwangere
Im Jahre 1995 wurde der Chlamydien-Test in die Mutterschaftsrichtlinien aufgenommen, denn eine Infektion kann eine Frühgeburt auslösen. Die unbehandelte Chlamydieninfektion ist außerdem ein Risiko für das Neugeborene. Es kann bei ihm zu einer Infektion der Bindehaut und Atemwege sowie einer Lungenentzündung kommen. In der Geborgenheit des Mutterleibs ist das Ungeborene noch nicht von Keimen besiedelt, doch schon während der Geburt gehen die ersten Bakterien von der Mutter auf den neuen Erdenbürger über. Bakterien schätzen die mollige Wärme von 37 Grad Celsius und das ist die Körpertemperatur des Hotels Mensch. Wichtig ist, dass sich nach einer entdeckten Chlamydieninfektion beide Partner einer Antibiotika-Therapie unterziehen, um den Pingpong-Effekt weiterer Ansteckungen zu unterbrechen. Nach Abschluss der Therapie sollte der Behandlungserfolg durch einen erneuten Test der Patienten nachgewiesen werden. Auch eine Untersuchung auf andere sexuell übertragbare Infektionen ist auf Grund ähnlicher Verbreitungswege wie der Chlamydieninfektion anzuraten.
Der Berufsverband der Frauenärzte möchte mit diesen Hinweisen rechtzeitig vor der närrischen Fünften Jahreszeit auf die Gefährdung durch Chlamydieninfektionen nicht nur aufmerksam machen, sondern die Bedeutung notwendiger Aufklärung, Vorsorge und Therapie unterstreichen.
Quelle und Kontaktadresse:
Berufsverband der Frauenärzte e.V. (BVF)
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