Chinesischer Staatsbesuch: Zahl der Menschenrechtsverletzungen in China zugenommen
(Bonn/Berlin) - amnesty international hat sich im Vorfeld des zweiten Deutschlandbesuches des chinesischen Staatspräsidenten Jiang Zemin mit dringenden Appellen an Bundespräsident Rau, Bundeskanzler Schröder sowie andere Mitglieder der Bundesregierung gewandt. Die Organisation verzeichnete im vergangenen Jahr eine Zunahme schwerer Menschenrechtsverletzungen in der Volksrepublik China und wirft der Bundesregierung in diesem Zusammenhang eine Politik der Leisetreterei vor.
"Statt lediglich auf einen Dialog zu setzen, sollten Bundespräsident und Bundeskanzler offen und öffentlich Kritik an der Situation in China üben. Die Menschenrechtssituation in der Volksrepublik China hat sich in verschiedenen Bereichen deutlich verschlechtert", stellt Dirk Pleiter, China-Experte der deutschen Sektion von amnesty international, fest. So nahm die Verfolgung aus religiösen Gründen deutlich zu. Opfer waren vor allem Anhänger der spirituellen Bewegung Falun Gong. Allein im Jahr 2001 sollen rund 200 Falun-Gong-Anhänger an den Folgen der Folter gestorben sein. Aber auch Christen und Moslems werden aus religiösen Gründen verfolgt.
Nach den Anschlängen vom 11. September in den USA verschärften die chinesischen Behörden die Restriktionen in der Autonomen Uighurischen Region Xinjiang, in der überwiegend muslimische Minderheiten leben. In dieser Region kam es zu einer Welle von Hinrichtungen an vermeintlichen "Separatisten" und "Terroristen". Im gesamten Land hat die Anwendung der Todesstrafe im vergangenen Jahr dramatisch zugenommen: nach der Wiederbelebung einer Anti-Kriminalitätskampagne im April 2001 wurden innerhalb von nur drei Monaten mehr als 2.960 Todesurteile verhängt und mindestens 1.781 vollstreckt.
Vor diesem Hintergrund hat amnesty international an Bundespräsident und Bundeskanzler appelliert, von der chinesischen Regierung den Schutz der Rechte religiöser Minderheiten einzufordern. "Ein Verweis auf den Dialog reicht nicht aus, vielmehr muss klar angesprochen werden, dass Chinas Regierung die von ihr selbst anerkannten Menschenrechte missachtet. Der chinesischen Führung sollte deutlich gemacht werden, dass die Bekämpfung des Terrors keine Entschuldigung oder gar Rechtfertigung für Menschenrechtsverletzungen sein darf," erklärt Dirk Pleiter.
Die Menschenrechtsorganisation hat Bundespräsidenten Rau, Bundeskanzler Schröder sowie den Bundesministern Fischer und Däubler-Gmelin Einzelfälle übermittelt, die beispielhaft belegen, mit welch drakonischen Maßnahmen die chinesischen Behörden vorgehen. "Diese Einzelfälle dokumentieren schwere Menschenrechtsverletzungen, die zu benennen nicht zum Ritual verkommen darf," betont der China-Experte.
Kritisiert wird auch, dass weder die Bundesregierung noch die anderen EU-Staaten bereit waren, bei der diesjährigen Sitzung der UNO-Menschenrechtskommission eine Resolution einzubringen, die die Menschenrechtssituation in der Volksrepublik China kritisiert. "Es ist zu befürchten, dass Chinas Führung diese Politik der Leisetreterei europäischer Regierungen als Zustimmung zu anhaltenden Menschenrechtsverletzungen wertet", so Dirk Pleiter.
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