Chefredakteure zu Gast beim Presserat
(Bonn) - Auf Einladung des Deutschen Presserats trafen sich am 28. Mai fünf Chefredakteure mit den Plenumsmitgliedern in Bonn. Thema war neben der allgemeinen Akzeptanz und Resonanz der Arbeit des Selbstkontrollgremiums auch die Spruchpraxis des Presserats zum Vorwurf der Diskriminierung in Ziffer 12 des Pressekodex. Grundsätzlich waren sich die Chefredakteure einig, seien sie "froh, dass es den Presserat gibt", so Dr. Wolfgang Mauersberg von der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung, und Uwe Knüpfer von der Westdeutschen Allgemeinen betont, dass "der Kodex die alltägliche Arbeit der Journalisten sehr erleichtert". Dennoch gab es auch kritische Töne zur Institution der Freiwilligen Selbstkontrolle der Printmedien. Vor allem forderten die Chefredakteure einhellig, dass auch sie in den Gremien des Presserats vertreten sein müssten. Kay E. Sattelmair, Sprecher des Deutschen Presserats, griff den Vorschlag auf, zumal zurzeit tatsächlich keine Chefredakteure über die Journalisten- und Verlegerverbände in den Gremien des Presserats vertreten sind. "Es fehlt diejenige Gruppe, die in den Redaktionen die Verantwortung trägt. Dies sollten wir versuchen zu ändern", so Sattelmair.
Diskriminierung nach Ziffer 12
In der Richtlinie 12.1* des Pressekodex sehen die beteiligten Chefredakteure eher ein Bevormundungsinstrument als eine Hilfe zur Vermeidung von Diskriminierung. Dieter Soika von der Freien Presse stellte die Frage nach Art und Beschaffenheit der Gruppe, die eine Schutzbedürftigkeit in diesem Sinne reklamieren könnte. Und Dr. Wolfgang Bok von der Heilbronner Stimme meinte: "Die in Ziffer 1 des Kodex geforderte wahrhaftige Berichterstattung wird durch die Ziffer 12 unterhöhlt." Eine weitere Frage, die sich im Zusammenhang mit den zahlreichen Beschwerden stellte, die der Presse-rat von dem Zentralrat Deutscher Sinti und Roma jährlich zugeschickt bekommt, war, ob die Auslegung der Ziffer 12 nicht eher eine Diskriminierung fördere, statt sie zu minimieren. Wolfgang Mauersberg: "Die Nicht-Nennung einer Ethnie führt eher zu einer größeren Diskriminierung." Jost Springensguth von der Kölnischen Rundschau unterstützte diese Aussage, indem er darauf verwies, dass die Leser der Zeitungen "Ross und Reiter genannt bekommen wollen und man durch Verschweigen niemanden schützt".
Einige Mitglieder des Plenums hielten dem entgegen, dass man nicht mit dem Hinweis auf den vermeintlichen Leser alles veröffentlichen sollte. So wollten sicherlich Leser von Kaufzeitungen stets Namen und Fotos veröffentlicht sehen, doch wenn man danach gehe, gäbe es keinerlei Grenzen. Und genau an dieser Schnittstelle ist der Presserat mit seiner Arbeit und seinem Pressekodex gefragt, Grenzen zu setzen und diese in strittigen Punkten immer wieder auch öffentlich zu diskutieren. Die kritischen Töne insbesondere zur Spruchpraxis von Ziffer 12 des Pressekodex will der Presserat zum Anlass nehmen, auch weiterhin das Gespräch mit den Beteiligten zu suchen und die Problematik zu thematisieren.
*Richtlinie 12.1 - Berichterstattung über Straftaten
In der Berichterstattung über Straftaten wird die Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu religiösen, ethnischen oder anderen Minderheiten nur dann erwähnt, wenn für das Verständnis des berichteten Vorgangs ein begründbarer Sachbezug besteht. Besonders ist zu beachten, dass die Erwähnung Vorurteile gegenüber schutzbedürftigen Gruppen schüren könnte.
Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher Presserat
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