Pressemitteilung | Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken e.V. (BVR)

BVR: Stabilitätspakt darf nicht ausgehöhlt werden

(Berlin) - Der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) wendet sich in seinem jüngsten Konjunkturbericht entschieden dagegen, den europäischen Stabilitätspakt faktisch auszuhöhlen. Er fordert von der Bundesregierung eine glaubwürdige Konsolidierungsstrategie, um das Defizit auf ein tragfähiges Niveau zu reduzieren. Deutschland könne keine "besonderen und außergewöhnlichen Umstände" bei der Anwendung des Stabilitätspaktes reklamieren mit dem Argument, dass die drei größten Volkswirtschaften des Euroraumes in den vergangenen drei Jahren wirtschaftlich stagniert hätten.Diese Interpretation des Paktes ist nach Ansicht des BVR nicht haltbar. Eine Überschreitung der Drei-Prozentmarke sei nur bei einem schwerwiegenden Wirtschaftsabschwung oder im Fall "außergewöhnlicher Umstände" gestattet. Hierzu könnten weder die Irak-Krise noch die anhaltende Wirtschaftsschwäche gerechnet werden. Eine verlängerte Frist zum Abbau des Defizits sei zwar auch bei Berücksichtigung "besonderer Umstände" möglich. Diese hätte der Rat der Wirtschafts- und Finanzminister jedoch schon im Januar dieses Jahres bei der Feststellung des übermäßigen Defizits treffen müssen. Eine nachträgliche Fristgewährung sei im Pakt nicht vorgesehen und würde seine Glaubwürdigkeit ernsthaft beschädigen.

Nicht haltbar sei auch der Verweis auf die Stagnation in den drei größten Volkswirtschaften des Euroraums. Zum einen habe die Wirtschaftsleistung in Frankreich und Italien in den vergangenen Jahren deutlich stärker zugenommen als in Deutschland. Zum anderen werde im kommenden Jahr mit einer Zunahme der Wirtschaftsleistung zwischen 1,5 Prozent und 1,8 Prozent in Deutschland das Potenzialwachstum wieder erreicht beziehungsweise leicht überschritten. Bei einer solchen Konjunkturlage sollte es normalerweise das Ziel der Regierung sein, einen ausgeglichenen oder leicht positiven Haushaltssaldo zu erreichen. Eine erneute Überschreitung der Defizitgrenze des Stabilitätspaktes ließe sich unter diesen Umständen auf keinen Fall rechtfertigen, so der BVR.

Die Regierung müsse unverzüglich eine glaubwürdige Konsolidierungsstrategie vorlegen, mit der das Defizit wieder auf ein tragfähiges Niveau reduziert werden kann, so der BVR. Es wäre falsch, die nötigen Schritte aus der Angst heraus zu unterlassen, sie könnten den Aufschwung belasten. Die internationalen Erfahrungen der letzten beiden Jahrzehnte hätten gezeigt, dass eine Rückführung des Budgetdefizits nicht mechanisch mit wachstumshemmenden Wirkungen verbunden sei. Das auf Keynes zurückreichende "Gesetz", nach dem eine Konsolidierungspolitik die gesamtwirtschaftliche Nachfrage schwäche und damit die Konjunktur bremse, gelte nicht einmal im Regelfall. Entscheidend für die Wirkung einer Konsolidierungspolitik sei es, welche Maßnahmen zur Verringerung des Haushaltsfehlbetrags ergriffen würden. Werde der Rotstift bei den Ausgaben angesetzt und auf Steuererhöhungen verzichtet, so stünden die Chancen gut, dass der Aufschwungprozess unterstützt und nicht behindert werde.

Sollte die Bundesregierung glaubwürdige Konsolidierungsmaßnahmen unterlassen, so müsste der Rat der Wirtschafts- und Finanzminister im kommenden Januar das Defizitverfahren fortsetzen und schließlich Sanktionen gegen Deutschland verhängen. Dieser Fall sei allerdings unwahrscheinlich, so der BVR, da ein Defizit nur mit der qualifizierten Mehrheit des Rates - unter Ausnahme des betroffenen Mitgliedstaates - beschlossen werden kann. Zu befürchten sei eine Koalition Deutschlands, Italiens und Frankreichs gegen eine Ausübung von Sanktionen.

Würde sich die Bundesregierung letztlich mit ihrer Interpretation des Paktes durchsetzen, so würde dieser aufgeweicht und die Glaubwürdigkeit des Bekenntnisses der europäischen Regierungen zu soliden Staatsfinanzen unterhöhlt. Mittelfristig drohten in diesem Fall höhere Kapitalmarktzinsen und damit ungünstigere Investitionsbedingungen, die der Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze entgegenstünden. Mit einem erneuten Verstoß gegen den Stabilitätspakt würde die Bundesregierung auch ihre in den Stabilitätsprogrammen selbst gesetzten Ziele missachten. Das gesamte Verfahren der Koordination der Wirtschaftspolitiken und in der Gemeinschaft würde so in Frage gestellt. Damit stünde auch zur Debatte, welchen Sinn Absprachen und Verträge auf europäischer Ebene machen, wenn die Regierungen nicht bereit sind, sich daran zu halten.

Quelle und Kontaktadresse:
Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken e.V. (BVR) Schellingstr. 4, 10785 Berlin Telefon: 030/20210, Telefax: 030/20211900

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