BVK Halbjahresstatistik 2002: Early Stage-Bereich von Konsolidierung am stärksten betroffen / Erreichen des Vorjahresergebnisses unwahrscheinlich
(Berlin) - Die Konsolidierung im deutschen Beteiligungsgeschäft setzt sich trotz einer gewissen Belebung der Neuinvestitionen weiter fort. Wir müssen davon ausgehen, dass das Gesamtergebnis des Jahres 2002 wohl deutlich unter den Ergebnissen der beiden Vorjahre liegen wird, sagt Dr. Werner Schauerte, Vorstandsvorsitzender des Berliner Bundesverbandes, auf der Präsentation der Statistik für das zweite Jahresquartal und der Halbjahreszahlen 2002 für den deutschen Beteiligungsmarkt vor der Presse am 8. August in Berlin. Selbst wenn der Markt zum innerjährlichen Zyklus mit einem Schwerpunkt der Investitionstätigkeit in der zweiten Jahreshälfte zurückkehrt, ist ein Erreichen des Vorjahresergebnisses nahezu unmöglich, führt er weiter fort.
Die Quartalsstatistik für das zweite Quartal 2002 basiert auf den Angaben von 209 ordentlichen Mitgliedern zum 30.06.2002. Zur Geschäftstätigkeit im zweiten Quartal machten 16 Mitglieder keine Angaben; sie gingen mit ihrem Portfolio zum 31.03.2002 in die Statistik ein.
Belebung der Neuinvestitionen spürbar
Die Neuinvestitionen sind im zweiten Quartal 2002 leicht angezogen. Mit 727,2 Mio. Euro liegen sie um gut ein Drittel höher als im ersten Jahresquartal (482,2 Mio. Euro). Von den in Q2 getätigten neuen Investitionen entfielen 491,4 Mio. Euro auf Erstengagements in 192 Unternehmen. In 283 Unternehmen wurden Folgeengagements im Volumen von 235,8 Mio. Euro vorgenommen. Folgeinvestitionen haben ein weiterhin starkes Gewicht, fallen aber im Durchschnitt mit 0,83 Mio. Euro im zweiten Jahresquartal (Q1: 0,76 Mio. Euro) relativ gering aus. Die Erstengagements liegen dagegen im Schnitt höher: 2,56 Mio. Euro (Q1:1,44 Mio. Euro). Zurückzuführen ist das auf eine deutliche Zunahme an Later Stage- und Buy-Out-Finanzierungen.
Insgesamt beliefen sich die Neuinvestitionen im ersten Halbjahr auf 1.209,4 Mio. Euro (Vorjahr: 1.715,1 Mio. Euro). Der Anteil der Erstinvestitionen betrug 62,5 Prozent, derjenige der Folgeinvestitionen 37,5 Prozent. Die Mitglieder des BVK verfügten per 30.06.2002 über ein Portfolio (insgesamt investiertes Kapital) von 16.295,2 Mio. Euro (31.12.2001: 15.843,8 Mio. Euro), das in 6.165 Unternehmen investiert wurde.
Buy-Out- und Later Stage-Finanzierungen legen deutlich zu / Etablierter Mittelstand wieder im Fokus
Die Struktur der Bruttoinvestitionen ist maßgeblich von großen Buy-Outs geprägt. Mit 372,6 Mio. Euro entfiel mehr als die Hälfte des Neugeschäfts auf diesen Bereich. Expansionsfinanzierungen erreichten ein Volumen von 179,1 Mio. Euro und stellten damit 24,6 Prozent des Investitionsvolumens dar. Der Anteil der Early Stage-Investitionen (FrühphasenFinanzierungen: Seed und Start-up) sank gegenüber dem ersten Quartal deutlich von 34,8 Prozent (167,8 Mio. Euro) im ersten Quartal auf 18,2 Prozent (132,0 Mio. Euro) im zweiten Quartal. Bridge- und Turnaround-Finanzierungen konnten sowohl beim Volumen als auch bei der Zahl der finanzierten Unternehmen gegenüber dem Vorquartal geringe Zuwächse verzeichnen und erreichten zusammen 34,3 Mio. Euro.
Im gesamten ersten Halbjahr wurden in Buy-Outs 38,1 Prozent, in Expansionsfinanzierungen 31,4 Prozent und Early Stage-Finanzierungen 24,8 Prozent investiert.
Die Konsolidierung im deutschen Beteiligungsmarkt offenbart zur Jahresmitte ihre Spuren in der Struktur der Bruttoinvestitionen, sagt Dr. Holger Frommann, Geschäftsführer des BVK. Aufgrund der negativen Erfahrungen der letzten Jahre haben viele Beteiligungsgesellschaften ihre Investitionen im Early Stage-Bereich zurückgeschraubt oder sich sogar gänzlich aus diesem Bereich zurückgezogen. Letzteres betrifft vor allem Gesellschaften mit breiterem Investitionsfokus, die sich nun mehr auf Later Stage-Finanzierungen konzentrieren. Der etabliertere Mittelstand sei wieder für Investitionen interessanter und große Buy-Outs seien deutlich im Zuwachs. So zählt der BVK im ersten Halbjahr 2002 sieben Leveraged Buy-Outs (überwiegend fremdkapitalfinanzierte Unternehmensübernahmen), davon alleine sechs im zweiten Jahresquartal. Die erwartete Welle an Buy-Outs angesichts steuerfreier Gewinne beim Verkauf von Firmenbeteiligungen scheint anzurollen, führt Dr. Frommann weiter aus.
Zweites Jahresquartal: Traditionelle Branchen überflügeln Technologiebereiche
Aufgrund der Verschiebung der Gewichte innerhalb der Finanzierungsphasen setzen sich die bereits im ersten Jahresquartal erkennbaren Tendenzen in den Veränderungen der Branchenstrukturen der Investitionen weiter fort: Dem Rückgang der Investitionen im High-Tech-Sektor steht eine wachsende Investitionsbereitschaft in traditionelle Branchen gegenüber. Infolge großer Einzelengagements im Buy-Out Bereich wurden die Technologiebereiche im zweiten Quartal von den traditionellen Branchen sogar überflügelt. In Zahlen: Mit 174,7 Mio. Euro floss fast ein Viertel der Investitionen in Unternehmen der Branche Maschinen-/Anlagenbau. Ebenfalls profitieren konnten die Elektrotechnik mit 110,4 Mio. Euro (15,1 Prozent) und das Baugewerbe mit 34,3 Mio. Euro (4,7 Prozent). Auf die Technologiebereiche entfielen insgesamt 27,0 Prozent (Q1: 54,6 Prozent). Darunter dominierten weiterhin die Informationstechnologien (Computer related) mit 9,1 Prozent, hier vor allem die Software-Branche, und die Biotechnologie mit 8,1 Prozent. Die Investitionen in Kommunikationstechnologien sanken deutlich auf 3,6 Prozent.
Für das erste Halbjahr ergibt sich insgesamt folgende Struktur der Investitionen: Maschinen-/ Anlagenbau 19,1 Prozent, Informationstechnologien (Computer related) 13,7 Prozent, Biotechnologie 9,7 Prozent, Kommunikationstechnologien 8,0 Prozent und Medizin 6,6 Prozent.
Investitionsstandort Europa sehr beliebt / NRW und Berlin Verlierer bei den Bundesländern
Investitionen im Ausland sind im zweiten Quartal deutlich angezogen: Mit 41,6 Prozent
(Q1: 33 Prozent) machen europäische Investitionen den Löwenanteil aus. Lediglich 2,9 Prozent entfielen auf außereuropäische Investitionen. Nur knapp über die Hälfte der Bruttoinvestitionen des zweiten Quartals (403,8 Mio. Euro) wurden in Deutschland getätigt.
Innerhalb Deutschlands bildete der Süden weiterhin den regionalen Schwerpunkt der Investitionstätigkeit, wobei Bayern (35,6 Prozent) und Baden-Württemberg (17,7 Prozent) mehr als die Hälfte der Bruttoinvestitionen auf sich zogen. Es folgen Nordrhein-Westfalen (14,9 Prozent), Hamburg (6,4 Prozent), Berlin (5,1 Prozent) und Hessen (4,8 Prozent). In den neuen Bundesländern (ohne Berlin) erfolgten 9,0 Prozent der Neuinvestitionen. Vor allem die Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Berlin haben aufgrund ihrer Schwerpunkte im Early Stage-Bereich deutlich an Gewicht verloren.
Im ersten Halbjahr wurden in Bayern 29,2 Prozent, in Baden-Württemberg 15,7 Prozent, in Nordrhein-Westfalen 12,6 Prozent, in Hessen 8,6 Prozent und in Hamburg 7,3 Prozent investiert. Auf die neuen Bundesländer (ohne Berlin) entfielen 11,5 Prozent der Bruttoinvestitionen.
Konzentration der Totalverluste auf wenige Mitglieder: untypisches Ergebnis
Die Abgänge haben im zweiten Quartal erneut zugelegt und beliefen sich auf insgesamt 552,0 Mio. Euro. Davon sind 340,1 Mio. Euro (61,6 Prozent) auf Totalverluste und
211,9 Mio. Euro auf Teil- und Gesamtverkäufe zurückzuführen. Die gemeldeten Totalverluste sind zum großen Teil auf eine sehr kleine Zahl von Mitgliedern zurückzuführen. Lässt man diese Ausreißer, die die Statistik verfälschen, außen vor, setzt sich der Trend abnehmender Verluste fort. Ein Ende der Bereinigungen in den Portfolios ist also in Sicht, sagt Dr. Holger Frommann. Trade Sales (Veräußerung der Unternehmensanteile an einen industriellen Investor) waren im zweiten Quartal mit 26,2 Prozent beliebtester Exitweg. Die Anteile anderer Exitkanäle verblieben im einstelligen Bereich.
Die Abgänge betrugen im ersten Halbjahr insgesamt 904,2 Mio. Euro. Davon entfielen auf Totalverluste 49,3 Prozent, auf Trade Sales 28,1 Prozent, auf Divestments nach vorherigem IPO 8,9 Prozent und auf Rückzahlungen von stillen Beteiligungen und Gesellschafterdarlehen 5,3 Prozent. In 2002 wurde bislang kein IPO getätigt, sondern lediglich Aktienverkäufe bereits börsennotierter Gesellschaften.
Prognose zum Jahresende
Der BVK geht bis zum Jahresende davon aus, dass Later Stage- und Buy-Out-Finanzierungen weiter an Gewicht gewinnen. Der Early Stage-Bereich ist, so Dr. Werner Schauerte, von der Konsolidierung am meisten betroffen. Der Einbruch in diesem Bereich wird voraussichtlich weiter anhalten. Early Stage hat sich zwar in Deutschland etabliert, hat aber noch lange nicht die Reife erreicht, dass es ohne staatliche Förderung auskommen kann. Über die Qualität und Quantität einer derartigen Förderung werde derzeit gesprochen. Ergebnisse stünden jedoch noch aus.
Der BVK geht zudem davon aus, dass die traditionellen Branchen weiter an Gewicht bei den Bruttoinvestitionen zunehmen. Regional gesehen werde der Anteil der Auslandsinvestitionen infolge der Globalisierung weiterhin hoch sein.
Bei den Abgängen hält der Bundesverband eine weitere Annäherung des Anteils der Verluste an das langfristige Durchschnittsniveau (ca. 15 bis 20 Prozent) für wahrscheinlich. Für Börsenneueinführungen sieht der BVK in naher Zukunft keine Chancen. Trade Sales werden, so Dr. Frommann, ihre Position als Haupt-Exitkanal weiter behaupten.
Über den BVK
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