Bundesweite M+E-Befragung zur Arbeitszeit: Mitarbeiter und Arbeitgeber wollen, dass Arbeitszeit an modernes Leben und digitale Transformation angepasst wird
(Frankfurt am Main) - Die Beschäftigten der deutschen Metall- und Elektro-Industrie sind mit den Gestaltungsspielräumen, die sie von ihren Arbeitgebern für ihre eigene Arbeitszeit bekommen, sehr zufrieden. Doch die gesetzlichen Vorgaben für Ruhezeiten und tägliche Höchstarbeitszeit passen nicht mehr in ihr Leben. Denn das Smartphone-Zeitalter ermöglicht immer mehr mobiles Arbeiten. "Wir brauchen eine Modernisierung unseres Arbeitszeitgesetzes, das mit der Modernisierung unserer Industrie und unseres Lebens Schritt hält. Dazu fordern wir vom Gesetzgeber, die starre Tageshöchstarbeitszeit wie im EU-Recht flexibel über die Woche zu verteilen und die starre Ruheregelung so zu verändern, dass Mitarbeiter manchmal mehr und manchmal weniger arbeiten können", sagte Dr. Thomas Brunn, Verhandlungsführer des Arbeitgeberverbands HESSENMETALL heute bei der Erläuterung einer repräsentativen Umfrage unter Arbeitnehmern und Arbeitgebern.
"Die Arbeitgeber sehen Arbeitszeit als zentralen Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit der M+E-Unternehmen. Der Kunde entscheidet, wann und in welcher Qualität er Produkte und Dienstleistungen abnimmt. Dem müssen die Arbeitszeiten Rechnung tragen", erläuterte HESSENMETALL-Hauptgeschäftsführer Dirk Pollert. "In unserer komplexen Industrie ist Teamarbeit unabdingbar. Nur das zusammenwirkende Know-how unserer gut ausgebildeten Mitarbeiter führt zu Ergebnissen, die unseren Wirtschaftsstandort weiter stärken. Starre Einheitsregeln passen da nicht mehr. Wo möglich, müssen Öffnungsklauseln betrieblich passgenaue und die individuellen Bedürfnisse der Mitarbeiter treffende Regelungen zulassen - am Bedarf ausgerichtete und kurzfristige Verabredungen im Team und 'autonomen Gruppen' gehören ebenso wie mobiles Arbeiten zur Arbeitszeitgestaltung der Zukunft."
Die Arbeitnehmer-Umfrage
In der im Januar 2017 von Emnid bei 1.005 Beschäftigten der M+E-Industrie durchgeführten Umfrage erklären die Hälfte aller Arbeitnehmer, ihre Arbeitszeit gut planen zu können, ein weiteres Viertel, es wenigstens manchmal zu schaffen.
Bei der Gestaltung der Arbeitszeit erleben die Beschäftigten in ihrem Alltag ein faires Geben und Nehmen. Kurzfristige Änderungen der Arbeitszeit durch den Arbeitgeber sind die Ausnahme und finden wenn, dann einvernehmlich statt. Umgekehrt kann die große Mehrheit der befragten Beschäftigten ihrerseits selbst kurzfristig die Arbeitszeit ändern, z. B. im Rahmen von Gleitzeitregelungen.
77 Prozent der befragten Beschäftigten können sich vorstellen, länger als die gesetzliche Höchstarbeitszeitdauer zu arbeiten. 62 Prozent wollen es aber nur dann, wenn sie dies selbst bestimmen können. 52 Prozent der Beschäftigten können sich eine kürzere Ruhezeit als 11 Stunden vorstellen, 40%, wenn sie die Lage der Arbeitszeit mitbestimmen können, 21 Prozent unter der Prämisse, dass dafür klare Regeln gelten und sich die Arbeitszeit insgesamt nicht erhöht.
Tatsächlich sind kurzfristige Änderungen der Arbeitszeit selten und 60 Prozent davon einvernehmlich abgesprochen. Nur einer von zehn Beschäftigten muss außerhalb der üblichen Arbeitszeiten erreichbar sein. Er wird auch höchstens einmal im Monat tatsächlich kontaktiert - und mehr von Kollegen als vom Chef. Die Hälfte empfindet das nie als Stress, 37 Prozent manchmal.
Zum mobilen Arbeiten gaben 20 Prozent der Beschäftigten an, einen Teil ihrer Arbeit außerhalb des Betriebes erledigen zu können. Von den Beschäftigten, die heute noch nicht die Möglichkeit haben, würden 39 Prozent gerne zum Teil mobil arbeiten, als Dauerlösung aber nur 15%.
Die Arbeitgeber-Umfrage
In der von IW Consult durchgeführten Umfrage bei 1.153 M+E-Arbeitgebern sehen knapp 70 Prozent Flexibilisierungsbedarf beim Arbeitszeitgesetz, davon 24 Prozent nur dann, wenn der Arbeitnehmer die Lage der Arbeitszeit, z. B. bei mobilem Arbeiten, wenigstens teilweise selbst bestimmen kann. Fast 32 Prozent der befragten Arbeitgeber sehen hier keinen Änderungsbedarf oder sind unentschieden. Bei der gesetzlichen Mindestruhezeit sehen knapp 60 Prozent der Arbeitgeber eine Verkürzung dieser Ruhezeit als erforderlich an; davon 29%, wenn der Beschäftigte die Lage der Arbeitszeit teilweise selbst bestimmen kann.
Zum mobilen Arbeiten gaben 64 Prozent der befragten Arbeitgeber an, dass bestimmte Beschäftigte oder Beschäftigtengruppen ihre Arbeit auch außerhalb des Betriebes erledigen können. Nach Schätzung der befragten Arbeitgeber nutzen heute situativ oder regelmäßig 9 Prozent der Beschäftigten die Möglichkeit zu mobilem Arbeiten oder Homeoffice.
48 Prozent der Arbeitgeber erlauben ihren Beschäftigten während der Arbeitszeit private Angelegenheiten wie z. B. private Internet- und Handynutzung oder die Vereinbarung privater Termine zu erledigen. 68 Prozent vermuten, dass ihre Mitarbeiter dies auch tun und schätzen den Umfang auf bis zu 20 Minuten pro Tag.
Auf die Frage nach der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sagten über 56 Prozent aller Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie, dass sie über flexible Arbeitszeitmodelle hinaus zusätzliche Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie anbieten. Hierzu gehören vorrangig Angebote auf befristete Absenkungen der Arbeitszeit, das Angebot eines Homeoffice-Arbeitsplatzes oder mobiles Arbeiten.
Eine neue Balance?
Zum gesellschaftlichen Wandel gehört der Trend zur Individualisierung, der nicht nur die Kunden, sondern auch die Mitarbeiter betrifft. Jeder hat seine individuellen Wünsche und Anforderungen - und die sind eben nicht länger einheitlich. "Eine Generation, die digital aufgewachsen ist und sich in der Freizeit ganz selbstverständlich im Netz selbst organisiert, hat wenig Verständnis dafür, diese gewohnten Freiheiten bei der Arbeit und insbesondere bei der Gestaltung der Arbeitszeit abzugeben. Ihr ist auch bewusst, dass der Leistung eines Arbeitgebers, dem Entgelt, immer eine entsprechende Gegenleistung des Arbeitnehmers, Arbeitszeit und Ergebnis, gegenüber steht", so Brunn.
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