Bundestagswahl: Spitzenkandidaten unter der Rhetorik-Lupe
(Königswinter/Berlin) - Das Auftreten der meisten Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl muss deutlich besser werden. "Es wird uns erstaunlich Hausbackenes geboten," erklärte der Präsident des Verbandes der Redenschreiber, Thilo von Trotha, bei der Vorstellung von Analysen der jüngsten Wahl-Parteitagsreden in Berlin.
Drei Rhetorik-Experten des Verbandes haben unabhängig voneinander, die Reden der fünf Spitzenkandidaten analysiert. Sie sind ohne Absprache untereinander zu vergleichbaren Ergebnissen gekommen. Die Experten ziehen den gemeinsamen Schluss: Den oft zitierten mediengerechten Wahlkampf schafft in Deutschland nur Bundeskanzler Schröder. Von Trotha: "Die Wähler wollen durch Reden nicht getäuscht werden. Aber rednerische Brillanz ist ihnen willkommen. Sie ist viel zu selten."
Der Bundeskanzler brillierte auf dem Wahlparteitag der SPD mit einer hervorragenden, beispielhaft zu nennenden Rede mit bester Präsentation. Er spielte aber gerade am bedeutsamen Redeschluss seine motivatorische Kraft nicht voll aus. Kanzlerkandidat Stoiber blieb auf dem Wahlparteitag der CDU hinter seinen rednerischen Möglichkeiten zurück. Seine Rede litt unter handwerklichen Schwächen und erheblichen Defiziten im Vortrag. Allerdings auch unter den klimatischen Verhältnissen des Vortragsraumes.
Außenminister Fischer bot mit seiner frei im Rampenlicht gehaltenen Rede von allen Kandidaten die beste und innovativste Präsentation. Allerdings setzte er beim Publikum zuviel Vorwissen voraus und war deshalb nicht immer für alle verständlich. Westerwelle enttäuschte: Seine Rede war zwar klar und verständlich, aber so emotionslos wie ein Rechenschaftsbericht. Dass trotz einer solide aufgebauten Redestruktur eine Rede ihre positive Wirkung verfehlen kann, veranschaulichte die PDS-Kandidatin Zimmer. Ihre Gestik und Mimik waren steif, die Modulation der Stimme war monoton.
Die drei Analysen von Professor Lothar Kolmer (Salzburg), Dariush Barsfeld (Darmstadt) und Dr. Vazrik Bazil (Lutherstadt-Wittenberg) haben nicht die politischen Inhalte der Reden bewertet. Sondern ausschließlich ihre sprachliche und rhetorische Dimension. Zu den wesentlichen Untersuchungskriterien zählten Prägnanz, Wirkebenen, Statik, Sprachqualität und Auftritt.
Dem Verband der Redenschreiber deutscher Sprache gehören knapp 300 Mitglieder an. Zu seinen Zielen gehört die Verbesserung der Redekultur im deutschsprachigen Raum.
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