Bundestag und Bundesrat verabschieden neue Handwerksordnung / Zahl der Vollhandwerke von 94 auf 41 reduziert
(Koblenz) - Gemessen an dem, was die Bundesregierung vor Wochen an den Interessen des Handwerks vorbei angekündigt hatte, ist die jetzt im Bundestag verabschiedete Novelle der Handwerksordnung als Erfolg zu bewerten, fassen Karl-Heinz Scherhag, Präsident der Handwerkskammer Koblenz und Hauptgeschäftsführer Karl-Jürgen Wilbert die Entscheidung im Bundestag am 19. Dezember, die parteiübergreifend gefallen ist, zusammen. Wichtigste Ergebnisse der Novelle: Künftig umfasst die Anlage A der Handwerksordnung (Vollhandwerke) 41 Berufe, bisher waren es 94. Das bedeutet, dass die Anzahl der Berufe, in denen der Meisterbrief Voraussetzung für die Selbstständigkeit ist, mehr als halbiert wurde.
Kriterien für die Auswahl waren neben der Gefahrgeneigtheit und dem Verbraucherschutz auch die hohe Ausbildungsleistung. Nach derzeitigem Stand werden 85 Prozent der Handwerkslehrlinge in Deutschland in Unternehmen ausgebildet, die auch weiterhin der Anlage A zugeordnet sind.
Neu ist, dass sich Gesellen nach sechs Jahren, vier davon in leitender Stellung, oder mit einem entsprechenden Qualifizierungsnachweis im kaufmännischen Bereich selbstständig machen können. Geändert wird ebenfalls das sogenannte Inhaberprinzip: Ausschlaggebend für die Gründung und den Betrieb eines Handwerksunternehmens ist die Beschäftigung eines Handwerksmeisters. Dieser muss nicht mit dem Betriebsinhaber identisch sein ein Vorschlag, den das Handwerk selbst eingebracht hatte. Ändern wird sich auch die Beitragszahlung: Ab 2004 sind Existenzgründer in den ersten Jahren ihrer Tätigkeit teilweise vom Kammerbeitrag befreit. So gilt für das erste Jahr die Befreiung vom Grundbeitrag. Auch für die darauf folgenden drei Jahre wurden eine Reihe von Beitragsverringerungen beschlossen.
Lob für das Engagement der rheinland-pfälzischen Landesregierung
Es war ein schwerer Weg für das Handwerk, der mit der heutigen Entscheidung erst einmal hinter uns liegt, blicken Scherhag und Wilbert auf die Begleiterscheinungen der Gesetzesänderung zurück. In zum Teil kontrovers geführten Debatten war der Gesetzesvorschlag im Bundestag gescheitert und an den Bundesrat überwiesen worden, wo die Novelle schließlich im Vermittlungsausschuss behandelt wurde.
Scherhag und Wilbert machen aber auch deutlich, dass es schließlich neben den umfangreichen Bemühungen des Handwerks der politische Einfluss der Landesregierung Rheinland-Pfalz war, hierbei besonders des Wirtschaftsministeriums, die über eigene Entwürfe im Bundesrat zu Verbesserungen der Rahmenbedingungen um die neue Handwerksordnung geführt haben. Wir erkennen dies hoch an und haben hier bei unseren Gesprächen von Anfang an den konstruktiven Dialog gesucht. Nur durch Aufklärung konnte etwas erreicht werden, und die Zahlen um die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leistungen des Handwerks sprechen eine eindeutige Sprache.
So spielte bei der Festlegung der Vollhandwerke neben den Kriterien der Gefahrgeneigtheit und dem Verbraucherschutz - den anfangs einzigen Schwerpunkten im Gesetzesentwurf von Bundeswirtschaftsminister Clement - schließlich auch die Ausbildungsleistung eine Rolle. Für den Norden von Rheinland-Pfalz bedeutet dies konkret: 90 Prozent aller Lehrlinge werden in Unternehmen ausgebildet, in denen auch weiterhin den Meisterbrief zum Führen eines Betriebes vorausgesetzt wird. Damit wird die hohe Qualität der Ausbildung sichergestellt, aber auch das Ausbildungsengagement!. Kammerpräsident Scherhag weist aber auch darauf hin, dass mit der Änderung in den verbleibenden 10 Prozent der Ausbildungsbetriebe ein weiteres Engagement fraglich ist. In Rheinland-Pfalz wären das für 2004 rund 1100 Lehrstellen.
Ein weiterer wichtiger Punkt der Novelle ist die Möglichkeit für Gesellen, frühestens sechs Jahre nach bestandener Gesellenprüfung, d.h. nach zwei Jahren Berufspraxis und vier Jahren Tätigkeit in leitender Position, ein Unternehmen zu gründen. Betrachtet man diese Regelung im wirtschaftlichen Gesamtzusammenhang, muss der Geselle auf dem Weg zum Unternehmer entsprechende Qualifizierungen nachweisen, denn ohne sie wird es in Zukunft kaum noch möglich sein, beispielsweise im Ratingverfahren Kredite von Banken zu bekommen, so Hauptgeschäftsführer Wilbert. Auch hier sehen wir klare Argumente für den Meisterbrief, der als Qualitätsmerkmal für die Betriebsführung im Handwerk auch bei den Banken Anerkennung genießt.
Klares Ja zum Meisterbrief
Deutliche Argumente für den Meisterbrief führen Scherhag und Wilbert auch mit Blick auf den Verbraucher an: Er entscheidet mit seinem Kaufverhalten, welche Leistungen sich durchsetzen. Der Meisterbrief ist ein Qualitätssiegel mit hohem Stellenwert. Dies gilt auch für Berufe, in denen der Meisterbrief künftig keine Voraussetzung für die Unternehmensgründung ist.. Mit der Kampagne Morgen Meister machen die vier rheinland-pfälzischen Handwerkskammern, das Mainzer Wirtschaftsministerium wie auch die Investitions- und Strukturbank seit einem Jahr Werbung in Sachen Meisterbrief und setzen sich für die Stärkung dieser Qualifizierung ein. Die Kampagne ist ein Riesenerfolg. Die Inhalte des Meisterbriefes, sein Stellenwert im gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben, werden bewusst durch die Öffentlichkeit wahrgenommen. Aus zahlreichen Gesprächen wissen wir deshalb um die Bedeutung handwerklicher Spitzenleistungen und blicken mit Optimismus in die Zukunft, so die Kammerrepräsentanten abschließend.
Berufe der Anlage A (Vollhandwerke) sind: Maurer und Beton, Ofen- und Luftheizungsbauer, Zimmerer, Dachdecker, Straßenbauer, Wärme-, Kälte- und Schallschutzisolierer, Brunnenbauer, Steinmetz und Steinbildhauer, Stuckateure, Maler und Lackierer, Gerüstbauer, Schornsteinfeger, Metallbauer, Chirurgiemechaniker, Karosserie- und Fahrzeugbauer, Feinwerkmechaniker, Zweiradmechaniker, Kälteanlagenbauer, Informationstechniker, Kraftfahrzeugtechniker, Landmaschinenmechaniker, Büchsenmacher, Klempner, Installateur und Heizungsbauer, Elektrotechniker, Elektromaschinenbauer, Tischler, Boots- und Schiffbauer, Seiler, Bäcker, Konditor, Fleischer, Augenoptiker, Hörgeräteakustiker, Orthopädietechniker, Orthopädieschuhmacher, Zahntechniker, Friseure, Glaser, Glasbläser und Glasapparatebauer, Vulkaniseur und Reifenmechaniker.
Quelle und Kontaktadresse:
Handwerkskammer Koblenz
Friedrich-Ebert-Ring 33, 56068 Koblenz
Telefon: 0261/3980, Telefax: 0261/398398
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