Bundespräsident Rau setzt sich für Stärkung des öffentlichen Personennahverkehrs ein / Professor Baum hat für jeden in Busse und Bahnen investierten Euro einen Nutzen von 1,50 Euro errechnet
(Köln) - Bundespräsident Johannes Rau hält den öffentlichen Personennahverkehr in Deutschland für unverzichtbar für alle Menschen. Er müsse weiter gestärkt werden. Bei der Jahrestagung des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) in Hamburg sicherte Rau zu, dazu gerne seinen Beitrag zu leisten. Für einen optimalen Mix der verschiedenen Verkehrsträger seien Busse und Bahnen ein Kernelement.
Heute würden jeden Tag in Deutschland 27 Millionen Menschen mit Bussen und Bahnen fahren. Dies sei, betonte der Bundespräsident, eine großartige Leistung und Ausweis für die Leistungsfähigkeit der Verkehrsunternehmen. Trotz dieser Leistung seien die Straßen vieler großer Städte vor allem morgens und abends noch immer hoffnungslos überfüllt. Dies sei nicht durch den Bau von immer mehr und immer breiteren Straßen und noch mehr Parkhäusern in den Griff zu bekommen. Unsere Städte seien nicht als Verkehrsraum für Autos gebaut, sondern als Lebensraum für Menschen. Dies sollten sie, so Rau, auch bleiben und es dort wieder werden, wo sie lebensfeindlich geworden seien. Der öffentliche Personennahverkehr könne, sei der Bundespräsident überzeugt, ein gutes Teil dazu beitragen, dieses Ziel zu erreichen.
Mobilität sei, so Rau, ein Teil unserer Freiheit und unserer Lebensqualität, sei gleichzeitig aber auch Betonierung der Landschaft, Luftverschmutzung, Lärmbelästigung und Beeinträchtigung der Gesundheit vieler Menschen. Die Voraussetzungen für Mobilität könnten also gleichzeitig die Lebensqualität mindern. Deshalb bleibe der Wunsch nach uneingeschränkter individueller Mobilität eine Illusion.
Busse und Bahnen noch leistungsfähiger und attraktiver zu machen koste gewiss Geld. Dabei könne man ein Dienstleistungsunternehmen auch so durchrationalisieren, dass die Kunden wegblieben. Dies sei nicht der Sinn von Betriebswirtschaft. Er halte es für kurzsichtig, beim öffentlichen Personennahverkehr in der Fläche aus engen betriebswirtschaftlichen Gründen Bahnhöfe und Bahnsteige zu schließen und Busverbindungen einzustellen. Kunden, die heute verloren gingen, seien nur schwer zurück zu gewinnen.
In einer anschließenden Podiumsdiskussion zur Verkehrsfinanzierung stellte Professor Herbert Baum vom Institut für Verkehrswissenschaft der Universität zu Köln fest, dass die Nutzen, die für die Gesellschaft aus dem öffentlichen Personennahverkehr kommen, deutlich höher seien als die Kosten, die hiermit verbunden sind. In einer Studie für die Kölner Verkehrsbetriebe sei errechnet worden, dass jeder Euro, der in Investitionen in Busse und Bahnen angelegt werde, einen Nutzen von mindestens 1,50 Euro habe.
Eine Investition in einer Größenordnung von einer Milliarde Euro würde, so Baum, an unmittelbarer Beschäftigung eine Größenordnung von 20.000 Mannjahren bringen. Diese Größenordnung mache klar, was Einsparungen bei den Investitionen an volkswirtschaftlichen Schäden auslösen könnten.
Friedrich Smaxwil, Präsident des Verbandes der Bahnindustrie in Deutschland (VDB) unterstrich dies: Wenn die Investitionen in den nächsten zwei Jahren um über ein Drittel zurückgingen, schlage sich dies deutlich in der Bahnbranche mit heute 40.000 direkten Mitarbeitern nieder, die zu rund 60 Prozent für den deutschen Markt arbeiten würden.
Ministerialdirigent Dieter Wellner, Vorsitzender des Arbeitskreises Bahnpolitik der Verkehrsabteilungsleiterkonferenz, machte die Wirkungen des Sparens an einer Ausbaustrecke in Bayern deutlich. Hier würden für die Fertigstellung noch 140 Millionen Euro fehlen. Ein Unterbrechen würde aber Kosten von 200 Millionen Euro verursachen. Es werde überhaupt nicht gesehen, in welchem Maße mit dieser Sparpolitik unser Standort Deutschland und die Vorteile, die wir mit einem guten öffentlichen Verkehrsangebot in Deutschland erreicht haben, gefährdet würden. Dies würde, so Wellner, zu einem "glatten Desaster mit katastrophalen Folgen" führen. Alle Mittel würden nur noch in die Bestandserhaltung gehen.
Bei den Kürzungsdiskussionen sei der Verkehrsbereich Opfer eines falschen Subventionsbegriffes geworden, betonte Andreas Krüger, Unterabteilungsleiter im Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen. Die Ministerpräsidenten Koch und Steinbrück hätten den Subventionsbegriff des Kieler Instituts für Weltwirtschaft zu Grunde gelegt. Dies habe zu dem kuriosen Ergebnis geführt, dass Investitionen in die Schiene als Subventionen betrachtet würden, Investitionen in die Straße aber nicht.
Baum stellte fest, dass Subventionen finanztheoretisch staatliche Zahlungen ohne Gegenleistung seien. Danach könnten Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur keine Subventionen sein und im Rahmen des Bestellerprinzips eingekaufte Betriebsleistungen auch nicht.
VDV-Präsident Günter Elste wies darauf hin, dass bei der Rabattierung von Schülerverkehren und genau so bei der unentgeltlichen Beförderung Schwerbehinderter nicht die Verkehrsunternehmen subventioniert würden. Vielmehr habe der Gesetzgeber gewollt, dass bestimmte Personengruppen entlastet würden. Konsequenz dieser Entlastung sei, dass die politisch gewollten Mindereinnahmen bei den Verkehrsunternehmen bisher ausgeglichen worden seien. Ohne die auf diese Weise mitfinanzierten Schülerverkehre würde, befürchtet Elste, die verkehrliche Bedienung breiter Landstriche mit Bussen und Bahnen schlichtweg überhaupt nicht mehr stattfinden. Elste: "Wenn die Unternehmen allein bei der betroffenen Zielgruppe der Schüler und Auszubildenden kompensieren wollten, was an öffentlichen Mitteln wegfällt, müssten sie in bestimmten Bereichen Erhöhungen von bis zu 30 Prozent auf die Schülertickets vornehmen." Er kündige damit keine Preiserhöhungen in dieser Größenordnung an, aber es müsse in der Öffentlichkeit deutlich werden, welche Auswirkungen diese politischen Entscheidungen haben. Die Politik trage die Verantwortung. Wenn man die Gesamtlast auf alle Fahrgäste umlegen würde, würde dies ein Preisanstieg von 7 bis 9 Prozent bedeuten - zusätzlich zu den Preissteigerungen, die bei den Produktionsfaktoren im öffentlichen Personennahverkehr ansonsten vorhanden sind und berücksichtigt werden müssten.
Dies alles führe, betonte der VDV-Präsident, in eine Abwärtsspirale. Würden die Preise in dieser Größenordnung ansteigen, würden Fahrgäste verloren gehen, in einer solchen Situation gegebenenfalls auf Dauer. Diese könnten die Verkehrsunternehmen nie wieder zurück holen. Die Fahrgeldeinnahmen nähmen ab, die spezifischen Kosten stiegen weiter. Wenn sie Kürzungen im Angebot bei Bussen und Bahnen vornähmen, mache das den öffentlichen Personennahverkehr nicht attraktiver. Alles das, woran die Verkehrsunternehmen gemeinsam mit der Politik in den letzten zehn Jahren mit kontinuierlichen steigenden Fahrgastzahlen und Verbesserung der Wirtschaftlichkeit erfolgreich gearbeitet haben, würde zurückgedreht. Aus dem Umstieg auf Busse und Bahnen werde bei einer solchen Politik der Umstieg von Bussen und Bahnen auf den Pkw. Elste bezeichnete dies als Entwicklung in einem "Tollhaus".
Quelle und Kontaktadresse:
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