Pressemitteilung | k.A.

Bürgerversicherungsdebatte wird akademisch geführt / "System lieber im System umbauen"

(Essen) - Der Debatte um Bürgerversicherung oder Kopfpauschalen fehlt eine vernünftige Folgenabschätzung, kritisiert der Vorstandsvorsitzende der Deutschen BKK, Ralf Sjuts. Die Diskussion werde überwiegend akademisch geführt. Gegner und Befürworter der verschiedenen Reformmodelle haben bisher die Auswirkungen erfolgter oder anstehender Reformvorhaben nicht in ihre Überlegungen einbezogen. "Typisch deutsches Expertentum", so Sjuts.

Auch wenn Miet- und Zinserträge künftig Einnahmen für die gesetzlichen Krankenkassen brächten, sei die Frage des Beitragseinzugs in Verwaltungsaufwand und Kosten völlig ungeklärt. Bankgeheimnis und drohende Kapitalflucht spielten bei den Berechnungen ebenso wenig eine Rolle. Damit relativiere sich der prognostizierte Entlastungseffekt von 0,8 Beitragssatzpunkten für die GKV aber erheblich. Steige zudem die Beitragsbemessungsgrenze, stiegen auch die Lohnnebenkosten. Für Arbeitgeber heben sich Einspareffekte über gesenkte Beiträge auf diesem Weg schnell wieder auf. So entstünden lediglich neue Risiken für höhere Beschäftigung.

Mit Hartz IV gehe beispielsweise eine massive Verschiebung von Leistungsausgaben einher. Während heute die Sozialämter Leistungen für einen Teil der Zuwendungsempfänger an die Kassen erstatten, werden die Empfänger von Arbeitslosengeld 2 als pflichtversicherte Mitglieder der Kassen geführt. Damit werden die Leistungsausgaben an die Solidargemeinschaft weitergereicht. "Die Auswirkung dieser Regelung hat noch niemand berechnet", so Sjuts.

Allerdings biete Hartz IV auch die Chance zur Einnahmeverbesserung. Komme die Bundesagentur ihrer eigentlichen Aufgabe nach und vermittele 100.000 Arbeitslose, dann flössen immerhin 430 Mio. Euro zusätzlich in den GKV-Kassen. Eine notwendige Verlängerung der Lebensarbeitszeit auf das gesetzliche Renteneintrittsalter bringe der GKV geschätzte 4 bis 5 Mrd. Euro pro Jahr zusätzlich.

"Einige Einnahmeprobleme lassen sich so lösen, ohne ein relativ bewährtes Finanzierungssystem über den Haufen zu werfen. Wir sollten lieber das System innerhalb des Systems umbauen". Reformbedarf sieht Sjuts vor allem an drei Punkten:

- Direkte Einzel- oder Gruppenverträge zwischen Ärzten und Krankenkassen zur Förderung von Qualität und Wirtschaftlichkeit

- Konsequente Ausrichtung der Versorgungspolitik auf eine effektive Prävention unter Erschließung anderer Finanzierungsquellen, etwa als Public Private Partnerships

- Reduzierung des Risikostrukturausgleichs auf Hochrisikofälle und Beseitigung der damit verbundenen Wettbewerbsverzerrungen.

"Wenn sich Regierung und Opposition ihrer gesellschaftlichen Verantwortung wieder bewusster geworden sind, dann ist für einen behutsamen aber konsequenten Umbau noch Zeit," mahnt Sjuts.

Quelle und Kontaktadresse:
Bundesverband der Betriebskrankenkassen (Bundesgebiet) Kronprinzenstr. 6, 45128 Essen Telefon: 0201/179-01, Telefax: 0201/179-1000

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