Bürgerversicherung bietet keinen Ausweg aus Finanzierungsdilemma
(Berlin) - "Eigenverantwortung setzt Entscheidungsfreiheit voraus. Der Wettbewerb zwischen gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen ist ein Element dieser Entscheidungsfreiheit der Bürger und muss deshalb erhalten bleiben", fordert der Präsident der Bundesärztekammer, Prof. Dr. Dr. Jörg-Dietrich Hoppe. "Eine Einheitsversicherung für alle Bürger, wie sie von Befürwortern der so genannten Bürgerversicherung propagiert wird, würde die Grundlagen des bewährten dualen Krankenversicherungssystems zerstören und den Einzelnen seiner Wahlfreiheit zwischen gesetzlicher und privater Vollversicherung berauben", kritisiert Hoppe. Letztlich sei der Begriff Bürgerversicherung ohnehin irreführend, denn diese sei nichts anderes als eine Gesundheitssteuer. "Darüber hinaus setzt der Wettbewerb der Systeme Anreize zur Effizienzsteigerung und Qualitätsverbesserung, wie sie gerade von denen gefordert werden, die besonders laut für eine 'Bürgerversicherung' trommeln", so Hoppe.
Eine umlagefinanzierte Zwangsversicherung für alle Bürger würde zwar - je nach Höhe der Beitragsbemessungsgrenze - zusätzliche Mittel für die Krankenkassen freisetzen. Doch dieser Effekt wäre schon bald verpufft. Denn die Ursache der Finanzierungskrise besteht im Kern in der Bindung der (erodierenden) Einnahmen der gesetzlichen Krankenversicherung an den Produktionsfaktor Arbeit. Bei unbefriedigender Konjunkturlage, insbesondere bei hoher Arbeitslosigkeit, wird diese ausschließliche Anbindung der GKV-Einnahmen an die Arbeitseinkommen zum Problem. Schon eine geringfügige Zunahme der Arbeitslosigkeit führt zu erheblichen Einnahmeausfällen. Hinzu kommt, dass die Zahl der Leistungsempfänger auf Grund der demografischen Entwicklung kontinuierlich zunehmen wird. In gleichem Maße wird die Zahl der Beitragszahler - allein schon wegen der viel zu geringen Geburtenrate - weiter zurückgehen. Im Zusammenspiel mit dem dynamischen medizinischen Fortschritt führt dies zu einer steigenden Finanzierungslücke, die auch durch eine Ausweitung des versicherten Personenkreises nicht zu kompensieren ist. Deshalb bietet die so genannte Bürgerversicherung auch keinen Ausweg aus dem Finanzierungsdilemma unseres Gesundheitswesens, fasst Hoppe zusammen.
Notwendig sei vielmehr eine offene und ehrliche Diskussion darüber, welchen Umfang der solidarisch finanzierte Leistungskatalog der GKV in Zukunft noch haben könne. Die Ärzteschaft habe sich zuletzt auf dem 106. Deutschen Ärztetag 2003 in Köln dafür ausgesprochen, zwischen einem tatsächlich medizinisch notwendigen und solidarisch zu finanzierenden Grundleistungsvolumen einerseits und kollektiven Wahlleistungen andererseits zu unterscheiden, die individuellen Bedürfnissen und Präferenzen entsprechen oder einem erhöhten Sicherheitsbedürfnis genügen.
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