Pressemitteilung | Bundesverband der Deutschen Tourismuswirtschaft e.V. (BTW)

BTW-Tourismusgipfel 2002 im Zeichen des Aufbruchs

(Berlin) - Mit "realistischem Optimismus" für das eigene Geschäft, konkreten Appellen an die Wirtschafts- und Tourismuspolitik der neuen Bundesregierung sowie den damit verbundenen Erwartungen ist der 6. Tourismusgipfel des Bundesverbandes der Deutschen Tourismuswirtschaft (BTW) am 16. September 2002 im Berliner Abgeordnetenhaus zu Ende gegangen. Die über 400 Teilnehmer aus Wirtschaft und Politik hatten sich bei ihrem bereits traditionellen Jahrestreffen aus erster Hand über aktuelle Entwicklungen in der Branche informiert und dabei mit prominenten Politikern und Unternehmern diskutiert.

"Von diesem Gipfel ging ein Signal des Aufbruchs aus", fasste BTW-Präsident Klaus Laepple die wichtigsten Ergebnisse zusammen: "Umdenken, neue Wachstumspotentiale erschließen, bessere wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen schaffen, das ist die Botschaft, die wir alle von diesem sechsten Tourismusgipfel mitnehmen."

Laepple plädierte für den Ausbau der Mobilität statt ihrer Einschränkung in Deutschland, Europa und weltweit: "Mobilität ist die Grundlage des Tourismus". Zur aktuellen Lage in der Tourismuswirtschaft stellte er fest, dass die positive Entwicklung des Tourismus zwar nicht dauerhaft beeinträchtigt werde. Langfristig sei aber mit strukturellen Veränderungen und veränderten Wachstumspotentialen zu rechnen. Jedoch müsse die Politik für die richtigen Rahmenbedingungen sorgen, ob beim Deutschland- oder beim Outgoing-Tourismus.

Von der neuen Bundesregierung forderte er einen Staatssekretär für Tourismus, die Beibehaltung des Tourismusausschusses des Deutschen Bundestages als Vollausschuss sowie eine Angleichung der im europäischen Vergleich "sehr bescheidenen" Marketing-Mittel der Deutschen Zentrale für Tourismus (DZT). Dabei dürfe bei allem Engagement für den Deutschlandtourismus nicht vergessen werden, dass der Tourismus ins Ausland ein gleichberechtigtes, wichtiges Standbein der Branche sei.


Rogowski: Absage an "deutschen Weg"
Mit einer klaren Absage an einen "deutschen Weg" und einem Plädoyer für den "richtigen Weg" in der Wirtschafts- und Außenpolitik hatte Präsident des Bundesverbandes der deutschen Industrie (BDI), Dr. Michael Rogowski, den BTW-Gipfel eröffnet. Die Wirtschaft erwarte von der Wirtschaftspolitik nach der Wahl mehr Freiheit für unternehmerisches Handeln sowie überfällige Entlastungen für den Mittelstand. Vor allem im Osten Deutschlands müsse ein leistungsfähiger Mittelstand entstehen. Kritisch sah der BDI-Präsident aus aktuellem Anlass die schnellen Hilfen für Großunternehmen wie MobilCom bei gleichzeitigem "Massensterben kleiner und mittlerer Unternehmen" ohne politische Lobby. Von einer Mitgliedschaft des BTW im BDI erwartet Rogowski deutliche Synergieeffekte bei der politisch/publizistischen Präsenz beider Verbände und einen Wandel des BDI zu einem Industrie- und Dienstleistungsverband.


Mobilität sichern und ausbauen
Zu einem klaren Bekenntnis für Ausbau und Sicherung der Mobilität wurde auch das Podiumsgespräch unter der Moderation von BTW-Präsident Klaus Laepple, an dem Dr. Wilhelm Bender, Vorstandsvorsitzender der Fraport AG, Wolfgang Mayrhuber, Stv. Vorstandsvorsitzender der Deutschen Lufthansa AG, Hartmut Mehdorn, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bahn AG, und Max Stich, ADAC-Vizepräsident, teilnahmen.

Mehdorn kritisierte, dass der Staat in den letzten 40 Jahren seine Verantwortung für den Verkehrsträger Bahn nicht wahrgenommen habe, und sprach von einer europaweiten Renaissance der Bahn mit den damit verbundenen Attributen und Zielen: Besser im Service, sauberer und zuverlässiger. Die zusätzlichen Frachtprobleme, insbesondere nach der EU-Osterweiterung, seien allerdings nur europäisch zu lösen. Mayrhuber artikulierte ein klares Ja zu Wettbewerb und Verkehrvernetzung verbunden mit einem ebenso klaren Nein zu Überregulierung. Die Probleme lägen "am Boden". Daher müssten die Infrastrukturen dort - vor allem in Frankfurt, München und Berlin - geschaffen bzw. modernisiert werden. Bender, der dies bestätigte, unterstrich die Notwendigkeit einer weiteren Landebahn sowie eines dritten Terminals für Frankfurt. Fraport sei nach einem Jahr an der Börse zuversichtlich und habe für den weiteren Ausbau ein Investitionsvolumen von rund 3,3 Mrd. Euro veranschlagt. Stich forderte, Mobilität für alle bezahlbar zu halten, und rügte die "Instandhaltungskrise" des deutschen Straßensystems. Die Situation auf den deutschen Straßen werde sich nach der EU-Osterweiterung noch verschärfen.


Westerwelle: Deutsche Probleme sind hausgemacht

FDP-Vorsitzender Dr. Guido Westerwelle kritisierte scharf, dass Deutschland mittlerweile beim Wirtschaftswachstum Schlusslicht in Europa sei und ließ Hinweise auf "weltwirtschaftliche Gründe" nicht gelten. Die Probleme in Deutschland seien zum größten Teil hausgemacht. Vor allem die mittelständischen Unternehmen seien von der Politik allein gelassen worden - bei gleichzeitiger unangemessener und nachgewiesen erfolgloser Unterstützung von Großunternehmen. Westerwelle kündigte an, politisch für ein einfacheres und gerechteres Steuersystem mit niedrigeren Sätzen zu streiten.


Noch 2002 Europäisches Tourismusforum in Brüssel

Jean-Paul Mingasson, Generaldirektor Unternehmen der EU-Kommission, präsentierte die europäische Tourismuspolitik und sprach sich für eine bessere Berücksichtigung des Tourismus in allen EU-Politikbereichen aus. Er kündigte eine engere Kooperation der Europäischen Kommission mit den Vertretern und Praktikern der Tourismuswirtschaft an. Dazu werde am 10. Dezember 2002 in Brüssel zum ersten Mal ein Europäisches Tourismusforum stattfinden.


"Gute Zusammenarbeit mit den Krisenstäben"
Das Highlight am Nachmittag war ohne Zweifel das Gipfeltreffen zum Thema "Tourismus in der Krise?" mit Jürgen Chrobog, Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Dr. Eckhard Franz, Abteilungsleiter im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Dr. Michael Frenzel, Vorstandsvorsitzender der TUI AG, Joachim Hunold, Geschäftsführer von Air Berlin, Stefan Pichler, Vorsitzender des Vorstandes der Thomas Cook AG, Jean K. van Daalen, Geschäftsführender Direktor des Hotel Adlon, und Dr. Rainer Schwarz, Vorsitzender der Geschäftsführung des Flughafens Düsseldorf. Moderiert wurde die Runde vom Leiter des ZDF-Hauptstadtstudios, Dr. Peter Frey, der die Vertreter einer "erfolgsverwöhnten Branche" mit der Ankündigung begrüßte, "keinen Larmoyanz-Gipfel" moderieren zu wollen.

Frenzel verwies auf das unterschiedliche Bild in Europa. In Deutschland seien mehrere Faktoren zusammengekommen: 11. September, Einführung des Euro, negative Wirtschaftsnachrichten, allgemeine Verunsicherung und die schlechten Konsumzahlen. Angesichts des hohen Niveaus, auf dem sich die Branche aber immer noch bewege, könne man jedoch nicht von einer Krise sprechen. Wichtig sei nun, dass man auf das "Thema Irak" vorbereitet sei. Pichler konstatierte, die Kunden seien preisbewusster geworden: "Bulgarien schlägt Mallorca". Da Reisen und Urlaub Grundbedürfnisse blieben, dürfe man nicht den Fehler machen, ein gutes Produkt "über den Preis zu verramschen". Rückläufige Nachfrage fange man am besten flexibel via Zurückfahren von Kapazitäten auf.

Nach Ansicht von Hunold sei der Tourismus durch den Wettbewerb auf ein hohes Niveau angehoben worden. Schwankungen bei den Zielgebieten habe es immer gegeben. Durch die Börsennotierung vieler Unternehmen verbunden mit einer breiten Öffentlichkeit sei mehr Transparenz in die Branche gekommen. Hunold zeigte sich optimistisch beim neuen Wettbewerb mit den Linienfluggesellschaften und sah großes Potenzial für die Zukunft im Low-Cost-Bereich.

Schwarz betonte, der touristische Bereich sei Grund für die Entwicklung der kleineren Flughäfen gewesen. Erst die Krise habe wieder zurück zu den großen Airports geführt. Düsseldorf registriere zwölf Prozent weniger Flüge nach Spanien bei deutlichen Zuwächsen nach Bulgarien, Kroatien, in die Türkei und in andere östliche Länder. Van Daalen, der eine Verdoppelung des Etats der DZT und eine Reduzierung der Mehrwertsteuer für Hotels auf sieben Prozent forderte, sah keinen Mangel an hoch qualifizierten Hotels in Deutschland. Es ginge vielmehr darum, neue Ideen und Marketingaktivitäten zu entwickeln und umzusetzen.

Chrobog wies auf die hohe Verantwortung der Krisenstäbe des Auswärtigen Amtes (AA) hin. Sie arbeiteten problemlos und im engen Benehmen mit den Veranstaltern - eine Feststellung, die von den Vertretern der Tourismuswirtschaft durchweg bestätigt wurde. Jeder, der in ein "kritisches" Land reisen wolle, so Chrobog, sei gut beraten, sich die spezielle Website des AA anzusehen und dann zum Reiseveranstalter zu gehen. Franz wies auf die Projektförderungen der Bundesregierung hin. Jedoch sei wegen des föderativen Aufbaus in Deutschland keine zentrale Förderung wie in anderen Staaten möglich. Die "starke deutsche Tourismusindustrie" entwickle allerdings auch erkennbar starke Marketingaktivitäten.


Späth: Junge Menschen mehr motivieren

Prof. Lothar Späth, Vorstandsvorsitzender der Jenoptik AG, bemängelte als Schlussredner vor allem das Fehlen verkehrspolitischer Zukunftsvisionen. Deutschland sei offensichtlich nicht in der Lage, weltweit anerkannte und begehrte Systeme wie den Transrapid, im eigenen Land sinnvoll zu nutzen. Dies habe fatale Auswirkungen auf junge Menschen, die zwar technisch sehr interessiert seien, aber mangels praktischer Beispiele oft nicht motiviert würden, selbst Ingenieurleistungen zu erbringen. Auch die Tourismusbranche brauche Visionen. Späth verwies auf Tausende kleiner Familienbetriebe, die sich mit neuen Produkten und Innovationen neue Märkte geschaffen hätten und damit den Strukturwandel bewältigten.

BTW-Präsident Laepple bedauerte ausdrücklich, dass Staatssekretär Ralf Nagel aufgrund des engen Zeitplanes keine Gelegenheit erhalten hat, seine Vorstellungen zum Thema Mobilität vorzutragen.

Quelle und Kontaktadresse:
Bundesverband der Deutschen Tourismuswirtschaft e.V. (BTW) Am Weidendamm 1A 10117 Berlin Telefon: 030/72625400 Telefax: 030/72625444

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