Brüsseler Kuhhandel zur Lkw-Maut stellt Grundsätze der EU-Verkehrspolitik in Frage
(Frankfurt am Main) - Mit der Entkoppelung der Mauteinführung von der festzugesagten Harmonisierung bei der Anlastung der Wegekosten hat die Bundesregierung eine der letzten Chancen für das nächste Jahrzehnt vertan, für eine faire Wegekostenanlastung in Deutschland und Europa zu sorgen. Es geht dabei nicht, wie in vielen Medienberichten zu entnehmen ist, um Ausgleichsmaßnahmen für deutsche Spediteure, sondern um eine Grundsatzfrage. Die EU-Kommission selbst verlangt in ihren Weißbüchern zur Verkehrspolitik und Harmonisierung eine Umstellung der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung von Steuern (Kfz- und Mineralölsteuern) auf Nutzerentgelte. Sowohl die amtierende Verkehrskommissarin de Palacio wie auch ihr Vorgänger Kinnock, wurden und werden nicht müde, diese Umstellung mit der Forderung zu verknüpfen, dass dies nicht zum Wohle der Staatsfinanzen zu geschehen hat, sondern ausschließlich zur gerechteren Anlastung der Infrastrukturkosten. Demzufolge verlangt die Kommission seit Jahren, dass bei einer Umstellung auf Nutzerfinanzierung die entsprechenden Steuerfinanzierungsinstrumente zurückgeführt, d. h. die einschlägigen Steuern gesenkt werden.
Genau dieses Ziel verfolgt das im Zusammenhang mit der Lkw-Maut vorgelegte Modell der Mineralölsteueranrechnung. Es geht dabei nicht um Steuergeschenke für deutsche Spediteure, sondern um das Prinzip, denjenigen Teil der Mineralölsteuern, der bisher die Infrastrukturfinanzierung schwerer Nutzfahrzeuge in Deutschland gedeckt hat, auf die Lkw-Maut anzurechnen. Und zwar für In- und Ausländer. Wer in Deutschland tankt unabhängig von seiner Nationalität zahlt in diesem Modell eine reduzierte Lkw-Maut, weil er den in der Mineralölsteuer enthaltenen Infrastrukturfinanzierungsanteil angerechnet bekommt. Eine gerechte und vor allem europäische, weißbuchkonforme Lösung. Es lohnt sich dann nicht mehr, mit 1.300 l Serientanks, mit denen mehr als 3.500 km ohne Tanken zurückgelegt werden, nach Deutschland einzufahren. Die bestehenden, deutlich niedrigeren Mineralölsteuerbelastungen in Nachbarstaaten, die binnenmarktwidrige Wettbewerbsvorteile durch Tanken im Ausland in Höhe von 250,00 Euro bis 300,00 Euro pro Trankfüllung ermöglichen, würden im Wettbewerb neutralisiert.
Seit 1985 (!) ist mit den Deregulierungsbeschlüssen des EU-Ministerrats der Abbau dieser Wettbewerbsverzerrungen fest auf der politischen Agenda der EU-Kommission und der jeweils amtierenden Bundesregierungen, ohne dass auch nur ein Millimeter Fortschritt erreicht worden wäre. Zuletzt wurde der Harmonisierungsanspruch des deutschen Verkehrsgewerbes sogar durch einen interfraktionellen Antrag Nr. 15/1013 durch die Fraktionen der SPD, CDU/CSU und Bündnis 90/Die Grünen am 22. 5. 2003 im Zusammenhang mit der Lkw-Maut bestätigt. Es sind also keine Hirngespinste, die das Transportgewerbe gegen diese Art der Lkw-Maut anführt, sondern handfeste Fakten.
Es ist allerdings auch korrekt, wenn die EU-Kommission auf hausgemachte Nachteile deutscher Transportunternehmen verweist. Schließlich war es die Verantwortung der Bundesregierung, die nach außen für Harmonisierung eintritt, dass die Harmonisierungsschere immer weiter auseinander klafft. Allein durch die Ökosteuer hat sich die Steuerdifferenz zu gebietsfremden Transportunternehmen um mehr als 16 Cent pro Liter Dieselkraftstoff erhöht. Die Folgen dieses Handelns kann die Bundesregierung nicht mehr leugnen.
Sollte es so sein, dass für die Kompromissbereitschaft der Kommissarin zur Mauteinführung das Infrastrukturumfinanzierungsmodell durch Verkehrsminister Stolpe geopfert wurde, dann wurde mehr als nur das Harmonisierungsprinzip gemeinsam durch die EU-Kommission und den Bundesverkehrsminister über Bord geworfen. Ohne nachhaltige Harmonisierung werden bis zu 100.000 Arbeitsplätze in Deutschland im Transportgewerbe verloren gehen. Das Angebot aus aller Herren Länder ab dem 1. Mai nächsten Jahres auch aus den Beitrittsländern auf dem deutschen Markt wird besonders im Bereich einfacher Transporte den billigen Jakob diese Aufträge gewinnen lassen. Das sind dann wegen der hohen Sozial- und Fiskallasten nicht mehr Unternehmen mit Standort Deutschland. Eine Tatsache, die in Brüsseler wie Berliner Amtsstuben bekannt ist, dort aber bisher zu keinen wirklichen Konsequenzen geführt hat.
Statt dessen gab und gibt es verbalen Lack. So z. B. im EU-Weißbuch und dem neuesten Kommissionsvorschlag zur EU-Wegekostenrichtlinie, in denen allesamt die Harmonisierung gefordert wird. Dieser Lack reicht allerdings nicht mehr, um die mittlerweile ungeschminkten nationalen Interessen in Brüssel zu übertünchen. Sollte es wann auch immer zu einem Nein der EU-Kommission in der Frage der Umfinanzierung der Verkehrsinfrastrukturlasten in Deutschland kommen, dann wird für alle sichtbar werden, dass die Prinzipien des EU-Weißbuchs und der Wegekostenrichtlinie Tinte und Papier nicht wert sind.
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