BÖLW zum Start der Grünen Woche / Bauern zeigen: So geht es ohne Glyphosat und Co. / GroKo muss konkreten Ausstiegsplan vorlegen / BÖLW-Forderungen an Koalitionsvereinbarungen
(Berlin) - "Wir müssen heute schützen, was wir morgen zum Leben brauchen", sagt Felix Prinz zu Löwenstein, Vorsitzender des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), zum Auftakt der Internationalen Grünen Woche und ergänzt: "Union und SPD dürfen nicht auf Zeit spielen, wenn es darum geht, bekannte Probleme in Landwirtschaft und Ernährung anzupacken - nicht nur, wenn es um den Pflanzenschutz geht. Längst liegen genug wissenschaftliche Nachweise dafür vor, dass wir durch schädliche Praktiken dabei sind, überlebenswichtige Ressourcen wie Artenvielfalt, Wasser oder Bodenfruchtbarkeit unwiederbringlich zu zerstören. Wir dürfen mit unserer Landwirtschaft die Natur nicht weiter verschleißen. Ökolandbau ist für einen notwendigen Umbau der Landwirtschaft ein erprobtes und wirkungsvolles Instrument."
Prof. Matthias Liess vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung stellt aus Sicht des Ökologen die weitreichende Schädigung von Bächen in Agrarlandschaften dar: "In Deutschland, aber auch weltweit, verursachen Pestizide dramatische Probleme in Gewässern. Pestizide verändern grundlegend die Lebensgemeinschaften, vermindern die Biodiversität der Lebensgemeinschaften und die natürliche Selbstreinigung des potentiellen Trinkwassers. Offensichtlich versagt die Zulassung von Pestiziden. Denn ihr Ziel, nachhaltige Schäden durch Pestizide in der Umwelt zu vermeiden, wird verfehlt."
Stefan Palme, Bio-Bauer vom brandenburgischen Gut Wilmersdorf, berichtet aus der Praxis: "Wir pflegen unsere Pflanzen ohne Gifte wie Glyphosat. Wichtig ist dafür eine gute Fruchtfolge, bei der sich Getreide, Ölsaaten und Futterpflanzen wie Leguminosen auf dem Feld abwechseln. Wir verwenden gezielt auch öko-taugliche Pflanzensorten, die im Frühjahr schnell dem Unkraut davonwachsen. Und wir nutzen ausgeklügelte Geräte wie den Striegel oder GPS-gestützte Hacken, um zielgenau Unkraut kleinzukriegen. Öko-Pflanzenschutz will gelernt sein, ist aber kein Hexenwerk. Mit guter Ausbildung, innovativen Methoden und spezialisierten Maschinen erzeugen wir beliebte Produkte und schützen dabei Artenvielfalt und Umwelt."
Jan Plagge, BÖLW-Vorstand, begrüßt, dass nun klar sei, dass es bis spätestens 2021 ohne Glyphosat gehen muss: "Die Ausstiegspläne für Glyphosat sind ein wichtiges Signal an Praktiker, Agrartechnikhersteller und Forschende. Das jetzt beim Glyphosat und anderen Totalherbiziden ein Verbot notwendig wird, zeigt aber auch die großen Defizite im Pflanzenschutzrecht auf. Weder die Zulassung und die Regeln zur Anwendung des Gifts, noch die Gesprächskreise zum Pflanzenschutz im Bundeslandwirtschaftsministerium genügen, um angemessen mit den Risiken von Totalherbiziden umzugehen und deren Einsatz signifikant zu reduzieren. Wir fordern deshalb mehr Forschung für einen Pflanzenschutz ohne Chemie, Pestizide in der Umwelt zu monitoren, das Zulassungsverfahren so neuzufassen, das die tatsächlichen Auswirkungen der Pestizide berücksichtigt werden und eine konsequente Umsetzung gesetzlicher Vorgaben. Bereits heute dürfen chemische Mittel eigentlich nur als Mittel letzter Wahl eingesetzt werden. Allerdings wird das kaum umgesetzt und noch weniger kontrolliert."
Plagge erwartet von der Politik auch Ehrlichkeit bei der Finanzierung. Die knappen Kassen erlauben es nicht, die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben mit Steuergeldern zu sichern. "Wenn Geld für den Umbau des Pflanzenschutzes fehlt, kann mit einer Abgabe auf Pflanzenschutzmittel die Anwendung gesteuert und die notwendigen Mittel für mehr Forschung bereitgestellt werden.
Felix Prinz zu Löwenstein kommentiert abschließend die aktuelle Regierungsbildung: "Das Sondierungsergebnis von Union und SPD spricht wichtige Themen an. Die Stärkung der Dörfer, den notwendigen Umbau von Tierhaltung und Pflanzenbau, das Verbot Gentechnik auf dem Acker sowie von Patenten auf Pflanzen und Tiere."
In den anstehenden Koalitionsvereinbarungen müsse aus diesen allgemeinen Grundsätzen aber konkretes Handeln abgeleitet werden:
- Um das Ziel von 20 Prozent Öko-Landbau aus der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung zu erreichen, muss die bereits vorliegende Zukunftsstrategie Ökologischer Landbau (ZöL) umgesetzt sowie mit den notwendigen Ressourcen ausgestattet werden.
- Die Gemeinsame Europäische Agrarpolitik (GAP) muss öffentliche Gelder für öffentliche Leistungen einsetzen. Steuergeld muss dafür verwendet werden, im Sinne der Menschen zu handeln: Wasser, Böden und Klima zu schützen, Tiere artgerecht zu halten und so besonders bäuerlichen Betrieben neue Perspektiven zu geben.
- Die Agrarforschung spielt im Sondierungspapier keine Rolle. Es muss aber sichergestellt werden, dass diese auf die Ziele der Nachhaltigkeitsstrategie ausgerichtet wird. Wer morgen 20 Prozent Bio anstrebt, muss bereits heute 20 Prozent der Mittel auf Öko-Forschung verwenden, um damit das Innovationspotential von Bio voll zu erschließen. Aktuell sind es 1,5 Prozent.
- Produkte aus artgerechter Tierhaltung kann man bereits heute erkennen - am Bio-Siegel. Was fehlt, ist eine verpflichtende Haltungskennzeichnung wie sie bei Eiern verwendet wird. Eine freiwillige staatliche Kennzeichnung gibt den Verbrauchern keine ausreichende Handhabe, um an der nötigen Veränderung in der Tierhaltung mitzuwirken.
- Die Wirtschaftsförderung muss auf Nachhaltigkeit ausgerichtet werden. Um den Umbau der Landwirtschaft zu ermöglichen, müssen Wirtschaftsförderung und Landwirtschaftspolitik besser miteinander verzahnt werden. So können sie ländliche Regionen am besten stärken.
- Fairer Handel braucht faire Regeln - deshalb muss sich Deutschland für ein demokratisches und transparentes Welthandelssystem einsetzen, bei dem internationale Menschen- und Umweltrechtsabkommen sowie sozial-ökologische Standards die Grundlage für Handelsverträge bilden.
- Gesunde Ernährung stärken: Der Bund muss die öffentliche Gemeinschaftsverpflegung als wirksames Instrument für eine gesunde Landwirtschaft und Ernährung nutzen. Nachbarländer wie Frankreich oder Dänemark zeigen, wie es geht. So ist es in Kopenhagen gelungen, den Bio-Anteil in allen öffentlichen Einrichtungen auf 90 Prozent auszubauen.
- Gentechnik und Patente: Die neue Bundesregierung muss sicherstellen, dass Verbote von Patenten auf Pflanzen und Tiere tatsächlich wirksam werden. Neuartige Gentechnikverfahren wie CRISPR-Cas bei Lebensmitteln müssen nach dem Vorsorgeprinzip reguliert werden.
Quelle und Kontaktadresse:
Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft e.V. (BÖLW)
Joyce Moewius, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
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Telefon: (030) 28482-300, Fax: (030) 28482-309
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