BLLV fordert Fairness für Viertklässler / Präsidentin Fleischmann: Unfaire Bedingungen beim Probeunterricht / Kinder werden beim Übertritt benachteiligt / Soziale Ungerechtigkeit wird weiter verschärft / Jetzt muss gelten: auf die Beratung durch die Lehrkräfte und die Verantwortung der Eltern zu vertrauen
(München) - Mit großer Verwunderung reagiert die Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV), Simone Fleischmann, auf die Neuregelung des Übertritts in Zeiten von Corona. "Ich bin sehr erstaunt, dass gerade jetzt die Kleinsten in unserem Schulsystem als einzige bei ihrem Übergang in die weiterführenden Schularten unfair behandelt werden", kritisiert sie. Während für alle anderen Absolventen, wie etwa die Abiturienten und Referendare äußerst großzügige Ausnahmeregelungen gefunden wurden, die immer zu Gunsten der Betroffenen sind, werden die Viertklässler hier eindeutig benachteiligt.
Nach der Schulschließung am 13. März hieß es noch, dass die für die Bildung der Übertrittsnoten relevanten Proben, die bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht geschrieben waren, nach den Osterferien hätten freiwillig nachgeschrieben werden können. Doch diese kulante und faire Regelung ist nun, nach der viel späteren Schulöffnung, leider nicht mehr durchführbar. Stattdessen wurde nun eine Regelung gefunden, die eindeutig gegen das Gebot der Fairness verstößt. Wer mit den bis Mitte März erzielten Noten noch nicht den für den Besuch der jeweiligen Schulart notwendigen Durchschnitt erreicht hatte, dies aber noch durch die ausstehenden Arbeiten hätte erreichen können, muss sich nun direkt nach der Schulöffnung gleich dem belastenden Probeunterricht unter unfairen Bedingungen stellen.
Der BLLV appelliert daher dringend an die Verantwortlichen, diese unsensible und unpädagogische Regelung noch einmal zu überdenken. Zumindest in diesem Schuljahr muss der Übertritt auf weiterführende Schularten nach verpflichtender Beratung durch die Lehrkräfte in die gemeinsame Verantwortung der Erziehungsberechtigten und Lehrkräfte gelegt werden. "Eltern und Lehrkräfte sitzen doch mehr denn je im gleichen Boot und wollen gerade jetzt das Beste für die Kinder! In der sonst so gelobten Beratung liegt nun die Chance, diesen Übergang fair zu begleiten und den Kindern den Stress des Probeunterrichts zu ersparen!", so die Präsidentin.
"Es stimmt mich wirklich traurig, dass in dieser Frage das Kultusministerium aus ideologischer Starrhalsigkeit jedes pädagogische Augenmaß vermissen lässt!", empört sich Simone Fleischmann. Auch der Verweis des Ministeriums auf den Probeunterricht, der den Bewerbern ja immer noch offen stehe, zeuge von wenig Fingerspitzengefühl: "Zehnjährige, die zwei Monate lang keinen Unterricht hatten, sollen jetzt in zwei Wochen auf eine harte und ihre weitere Schullaufbahn entscheidende Prüfung getrimmt werden, bevor sie sich dann diesem Auswahlverfahren an einer für sie völlig fremden Schule in einer fremden Umgebung stellen müssen." Wir fragen uns, wie das eigentlich gehen soll. Sollen diese Kinder nun individuelle Fördergruppen besuchen? Wer soll diese Gruppen professionell betreuen, welche Kinder sollen welchen Gruppen zugewiesen werden? Diese gut gemeinte Intervention geht an den realen Bedingungen an den Schulen vor Ort komplett vorbei.
Besonders sauer stößt dem BLLV auf, dass dadurch die durch die Coronakrise sowieso schon zu beklagende soziale Ungerechtigkeit noch einmal weiter verschärft wird. Gerade die Kinder aus eher bildungsfernen Schichten, für die der Fernunterricht über zwei Monate deutlich problematischer war, drohen nun durch die Übertrittsprüfung erneut ausgelesen zu werden. Kinder aus bildungsnahen Haushalten können ganz anders auf eine solche Situation vorbereitet werden.
Auch die aus dem Motiv der Fairness eröffnete Möglichkeit, dass die Schülerinnen und Schüler reklamieren dürfen, wenn in den zentral gestellten Aufgaben Inhalte abgefragt werden, die aufgrund der Schulschließung in ihrem Unterricht gar nicht behandelt worden sind, geht völlig an der schulischen Realität vorbei. "Glauben wir denn ernsthaft, dass sich ein Kind melden wird und sagt, dass seine Lehrerin ihm das nicht gelernt hätte?", so Fleischmann. Wer kann stattdessen diese unfairen Bedingungen für die Kinder ausgleichen? Das sind selbstverständlich die Eltern einerseits und die Lehrerinnen und Lehrer andererseits. Auch hier werden Kinder aus weniger bildungsnahen Schichten wieder das Nachsehen haben. Und wie soll die Abstimmung zwischen den einzelnen Lehrkräften gelingen, wenn der Probeunterricht zentral für alle Gymnasien einer Großstadt durchgeführt wird? Hier kommen Kinder aus zig verschiedenen Grundschulen und noch mehr verschiedenen Klassen zusammen. Der Unterricht in jeder dieser Klassen unterscheidet sich aber von dem aller anderen. Hier wird erneut der schwarze Peter an die Schulen vor Ort geschoben. Das ist falsch verstandene Eigenverantwortlichkeit. Das kann keiner umsetzen! "Nehmen Sie den Probeunterricht in der jetzigen Situation zurück, Herr Minister!" so die Präsidentin.
Völlig unverständlich, so Fleischmann, sei diese Härte gegenüber den betroffenen Viertklässlern insbesondere deswegen, weil in fast allen anderen Bundesländern Deutschlands der Übertritt deutlich weniger rigide geregelt ist. "Zumindest in einem Ausnahmejahr wie diesem wäre dem Ministerium kein Zacken aus der Krone gefallen, wenn es auf die Beratung durch die Lehrkräfte und die Verantwortung der Eltern vertraut hätte", so Fleischmann. w
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