Pressemitteilung | Berufsverband Deutscher Nervenärzte e.V. (BVDN)

Bleibt Deutschland Entwicklungsland bei der Alzheimerversorgung?

(Berlin) - Was im überaus restriktiven britischen Gesundheitssystem gilt, sollte auch in Deutschland Standard sein: Die britische Gesundheitsbehörde spricht sich ausdrücklich für eine medikamentöse Alzheimertherapie mit Cholinesterase-Hemmern (AchE-Hemmern) im Rahmen der staatlichen Gesundheitsversorgung aus.

Das National Institut for Clinical Excellence (NICE) veröffentlichte vor kurzem eine entsprechende Empfehlung, nach der Alzheimerpatienten mit leichter bis mittelsschwerer Erkrankung die Medikamente durch das staatliche Gesundheitssystem (NHS) verschrieben und erstattet bekommen sollen. In diesem Zusammenhang fordert der Berufsverband der Deutschen Nervenärzte (BVDN), dass auch in Deutschland für die diagnostische und therapeutische Versorgung von Demenzkranken adäquate Ressourcen über das Honorierungssystem der Gesetzlichen Sicherungssysteme zur Verfügung gestellt werden müssen. Die vom Berliner Gesundheitsministerium geplanten zusätzlichen Leistungen im Pflegebereich seien nicht ausreichend, erklärte Dr. Gunther Carl, Vorsitzender des BVDN.

In dem britischen Papier wird betont, dass die Grundlage für die Therapie eine fundierte Diagnose sein müsse, regelmäßige Untersuchungen sollten die empfohlene Medikamenteneinnahme begleiten, um den Erfolg der Behandlung sicherzustellen. Auch wenn die medikamentöse Therapie mit Cholinesterase-Hemmern nicht bei allen Patienten anschlage, so sei aber bewiesen, dass viele Betroffene von der Behandlung profitierten, erklärte der Vorsitzende des britischen Gesundheitsinstituts Andrew Dillon in einer Pressemeldung. Er verwies in diesem Zusammenhang auf die extrem schwere Belastung für die Erkrankten und ihre Angehörigen durch die Auswirkungen der Krankheit.

Die Mehrkosten der medikamentösen Behandlung mit Cholinesterase-Hemmern werde durch Kosteneinsparungen im Bereich der Pflege kompensiert, heißt es in dem Bericht der britischen Gesundheitsbehörde. Durch die Therapie verzögere sich die Pflegebedürftigkeit der Patienten. Allerdings entstehe dadurch das Problem einer Kostenverschiebung zu Lasten des staatlichen Gesundheitssystems, während die Kostenerstattung sozialer Einrichtungen davon profitiere. Dem werde durch entsprechende Umverteilungsmaßnahmen begegnet, kündigte das NICE an.

In Deutschland geht man allgemein von einer Unterversorgung der Alzheimerkranken in Therapie und Pflege aus. Eine Therapie mit Cholinesterase-Hemmern ist nicht der Regelfall. Auf diese Missstände machten im letzten Herbst unter anderem die Deutsche Alzheimer Gesellschaft e.V. und der BVDN im Rahmen einer Pressekonferenz in Berlin aufmerksam. Die vorläufige Auswertung einer Mitgliederbefragung der Selbsthilfegruppe ergab, dass jedem achten der Befragten nach eigenen Angaben Medikamente mit dem Hinweis auf das Budget vorenthalten wurden. Bei einer weiteren Umfrage gaben 70 Prozent der befragten Hausärzte an, dass die Arzneimittelgruppe der Cholinesterase-Hemmer "Mittel erster Wahl bei einer möglichen Alzheimererkankung" sei. Tatsächlich werden diese Arzneimittel aber nur knapp jedem siebten Patienten verschrieben.

Die Arbeiten des Bundesgesundheitsministerium zur Verbesserung der Versorgung von Demenzkranken befassen sich derzeit allein mit dem Bereich der Pflege. Hierfür plant man, zusätzliche Mittel zur Verfügung zu stellen. Ähnlich wie in Großbritannien gibt es in Deutschland das Problem einer Kostenverschiebung zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bei erhöhten Therapiekosten..

Die Pflegekosten werden von der Gesetzlichen Pflegeversicherung (GPV) getragen. Entsprechende Ausgleichsmechanismen zwischen den Leistungserstattern bzw. eine Zusammenlegung von GKV und GPV, um eine einheitliche und bestmögliche Versorgung der Patienten zu ermöglichen, werden darum auch hierzulande gefordert.

Der BVDN betont, dass die geplanten Entlastungen für pflegende Angehörige von Demenzkranken qualitativ und quantitativ nicht ausreichend seien. Die angebotene tageweise Versorgung von Demenzkranken in stationären Kurzzeitpflegeeinrichtungen werde in vielen Fällen zu einer zumindest vorübergehenden Verschlechterung der Symptomatik bei den Betroffenen führen. Die Nervenärzte fordern daher ein jährliches Budget für Angehörige von Demenzkranken, welches je nach Krankheitssymptomatik individuell für Pflegeleistungen in Anspruch genommen werden kann. Bei der Eingruppierung der Pflegestufen müssten Demenzkranke mit körperlich Kranken gleichgestellt werden, anders als es bislang nach den Richtlinien des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) der Fall ist.

Alzheimer ist eine Erkrankungsform der Demenz, bei der langsam und fortschreitend Nervenzellen im Gehirn zerstört werden. Sie ist nach derzeitigem medizinischen Erkenntnisstand nicht heilbar. Jede Therapie kann darum nur die Symptome bekämpfen und den Krankheitsverlauf abmildern. Cholinesterase-Hemmer gelten als modernste Medikamente in der Alzheimer-Therapie.

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