Blattmacher und Handelspioniere in den neuen Bundesländern - 25 Jahre Presse und Pressevertrieb in Freiheit
(Köln) - Aus Anlass des fünfundzwanzigsten Jahrestages der deutsch-deutschen Wiedervereinigung stellt der Bundesverband Presse-Grosso auf seiner Jahrestagung am 15./16. September in Baden-Baden das 25jährige Jubiläum des Pressegroßhandels in den neuen Bundesländern in den Mittelpunkt. "Blattmacher und Handelspioniere" - Herausgeber, Journalisten und Pressegroßhändler erinnern sich an die ereignisreiche und prägende Phase des Neuaufbaus einer vielfältige Medien- und Presselandschaft auf dem Gebiet der ehemaligen DDR.
Zum Hintergrund: In der Deutschen Demokratischen Republik fungierte der durch die Staatspost monopolisierte Vertrieb von Zeitungen und Zeitschriften als Instrument, um SED-konforme Kommunikation zu lenken. Mit der deutschen Einheit stand die überkommene Presselandschaft nicht nur einer redaktionellen, sondern auch einer vertrieblichen Autonomie und Pluralität gegenüber.
Die friedliche Revolution in der DDR mit der Grenzöffnung am 9. November 1989 sowie die Gestaltung der deutschen Einheit in Freiheit bildeten die Voraussetzungen für den Aufbau einer freien Presse und eines neutralen Pressevertriebs in den neuen Bundesländern. Verlage und der Pressegroßhandel unterstützten die Überlegungen, Bürgerinnen und Bürger Ostdeutschlands mit dem Aufbau von Pressevertriebsunternehmen zu beauftragen. Westdeutsche Großverlage präferierten für das Gebiet der DDR die Gründung von 12 Pressegroßhandlungen mit Verlagsbeteiligung. Der Bundesverband Presse-Grosso und mittelständische Verlage setzten sich hingegen für die Trennung zwischen Herstellung und Vertrieb von Presseprodukten nach dem bewährten westdeutschen Modell ein. Diese Trennung wurde vom Bundesministerium des Innern, dem Bundeskartellamt und von vielen Politikern unterstützt.
Bereits am 24. Februar 1990 kam es in Vogelsdorf bei Berlin zur Gründung des "Fördervereins für den unabhängigen Vertrieb von Presseerzeugnissen in der DDR." Der Verein hatte die Zielsetzung, dem entstehenden mittelständisch strukturierten Pressevertrieb eine Stimme zu geben, der an die Stelle des damaligen Vertriebsmonopols der DDR-Post treten sollte. Am 21. Juli 1990 wurde dann der "Verband der unabhängigen Zeitungs- und Zeitschriften-Großhändler der DDR" im Spreehotel in Berlin gegründet.
Nach intensiven Gesprächen zwischen Verlagen, Bundesverband Presse-Grosso, der Politik und dem Bundeskartellamt kam es am 1. November 1990 zu einer Einigung: Für die neuen Bundesländer wurde ein Mischsystem, bestehend aus Grosso-Unternehmen mit und ohne Verlagsbeteiligung vorgesehen. Bei den verlagsbeteiligten Unternehmen drängte das Bundeskartellamt darauf, dass möglichst viele Verlage, auch ehemalige DDR-Verlage, Gesellschafter werden und an der Spitze ein für Gleichbehandlung eintretender Gesellschafter-Geschäftsführer steht. Die Vergabe der sieben für selbstständige Grosso-Unternehmer freigewordenen Gebiete leitete der Verband Deutscher Zeitschriftenverlage ein. In das Verfahren waren alle Mitglieder des Verbandes Presse-Grosso-Ost einbezogen.
Am 28./29. November 1990 tagte die Findungskommission erstmals und der VDZ erteilte im Auftrag der am Findungsverfahren beteiligten Verlage den Firmen Gast in Mühlhausen, Weigelt in Plauen, Mietke in Görlitz-Bautzen, und Greiser in Suhl die Vertriebsrechte. Am 19. Dezember 1990 erhielten die Firmen Riedel in Halberstadt, Kaufmann in Wittenberg und Gutsche in Frankfurt-Oder ihren Zuschlag.
Da der wesentliche Zweck des Verbandes Presse-Grosso-Ost erreicht war, wurde am 25. November 1991 in Berlin die Auflösung beschlossen. Die sieben in diesem Verband vertretenen selbstständigen Presse-Grossisten verstärkten den Bundesverband Presse-Grosso als neue Bezirksgruppe Ost. Mit der Arbeitsgemeinschaft Presse-Vertrieb (APV) für nicht im Verband angeschlossene Pressegroßhandlungen erfolgte von Beginn an eine fruchtbare Kooperation und ein freier Know-How-Transfer. Die Zusammenarbeit auf der Fachebene war schon damals angesichts vergleichbarer Aufgabenstellungen und Herausforderungen des Marktes notwendig. Durch das sogenannte "Hamburger Abkommen" im Jahr 1992 wurden letztlich einheitliche Rahmenbedingungen für das Presse-Grosso insgesamt vereinbart, die auch die Wirtschaftlichkeit aller Ost-Unternehmen sicherstellen konnten.
Dank der Initiative der Verlage, dem Pioniergeist und Mut ehemaliger Bürgerinnen und Bürger der DDR, die durch Kollegen aus Westdeutschland und dem Bundesverband Presse-Grosso beim Start als Unternehmer im Pressevertrieb tatkräftig unterstützt wurden, ist auch in den neuen Bundesländern eine vielfältige und vitale Presselandschaft entstanden.
Von Rügen bis Erfurt, vom Harz bis Frankfurt/Oder - in den neuen Bundesländern sind insgesamt 16 Presse-Grossisten in jeweils definierten Vertriebsgebieten aktiv. Sie beliefern auf einer Fläche von 104 Tausend Quadratkilometern täglich über 20 Tausend Presseverkaufsstellen und versorgen somit knapp 14 Millionen Bürgerinnen und Bürger mit Presse. Als leistungsstarke und verlässliche Partner gewährleisten alle Presse-Grossisten vor Ort die handfeste Seite der Pressefreiheit und Pressevielfalt an der Ladentheke.
Der Bundesverband Presse-Grosso gratuliert allen Pressegroßhändlern, die in diesen Tagen ihr 25jähriges Bestehen begehen und wünscht für die Zukunft weiterhin viel Erfolg! Der Dank gilt zugleich allen Presse-Grossisten und Verlagen, die den Aufbau Ost mit Rat und Tat unterstützt haben.
Quelle und Kontaktadresse:
Presse-Grosso Bundesverband Deutscher Buch-, Zeitungs- und Zeitschriften-Grossisten e.V.
Pressestelle
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