"Bitte keinen Missbrauch des Kindermissbrauchs!"
(Bonn) - Schockiert reagieren Datenschützer auf den Versuch des Bundesrates, die Bekämpfung des Kindermissbrauchs dazu zu nutzen, den Datenschutz im Internet und generell bei der Telekommunikation von den Füßen auf den Kopf zu stellen. Der Rechtsausschuss der Länderkammer beschloss das Telekommunikationsrecht so zu ändern, dass statt der bisher gewährleisteten Anonymität die Pflicht zur Identifikation aller Nutzenden festgeschrieben wird. War bisher das spurenlose Surfen im Internet möglich, so sollen künftig die Provider verpflichtet werden, Nutzungs- und Verbindungsdaten ohne gesetzliche Fristsetzung aufzubewahren. Diese Daten sollen nicht nur der Polizei zur Verfügung stehen, sondern ohne Einschränkung auch sämtlichen deutschen Geheimdiensten.
Die Totalkontrolle des Internet ist auch Gegenstand eines aktuellen Konfliktes zwischen Europäischem Rat und Europaparlament. In einem offenen Brief von 40 Bürgerrechtsorganisationen - dabei auch die Deutsche Vereinigung für Datenschutz - wird die Verteidigung der Bürgerrechte gegen die Überwachungsgelüste der europäischen Regierungen und deren Sicherheitsbehörden unterstützt und die Vorratsdatenspeicherung von TK-Nutzungsdaten abgelehnt.
Nun soll offensichtlich Deutschland Vorreiter bei der Überwachung der Informationsgesellschaft werden. Dabei wird völlig ignoriert, dass mit krimineller Energie Protokollierungspflichten technisch umgangen werden können, so dass im Datenraster von Polizei und Geheimdiensten letztlich vor allem die rechtstreuen BürgerInnen landen. Weiter wird ignoriert, dass diese weitgehende Abschaffung des Datenschutzes die Expansionsbestrebungen von Verwaltung und Wirtschaft im Internet sabotiert. Welcher Bürger wird E-Government-Angebote nutzen, wenn er befürchten muss, dass selbst das Herunterladen eines Behördenformulars registriert und ausgewertet wird. Wer wird noch einen Internet-Buchladen betreten, wenn schon dies vom Verfassungsschutz bequem nachvollzogen werden kann.
Der Vorsitzende der Deutschen Vereinigung für Datenschutz, Dr. Thilo Weichert: "Was hier unter dem Vorzeichen der Bekämpfung des Kindermissbrauchs betrieben wird, zeugt von Skrupellosigkeit im Umgang mit unseren Grundrechten in der Informationsgesellschaft. Kindermissbrauch ist ein widerliches Verbrechen, das mit geeigneten und verhältnismäßigen Mitteln aufgeklärt und bekämpft werden muss. Die Vorratsdatenspeicherung gehört hierzu nicht. Es zeugt nicht von demokratischer Kultur, wenn derart zentrale Fragen nebenbei unter falschem Vorzeichen und ohne Diskussion kurz vor Wahlen durchgezogen werden sollen. Verfassungswidrige Regelungen können nicht dadurch entschuldigt werden, dass sie für Wahlkampfzwecke für nützlich angesehen werden. Der Bundesrat darf am Freitag, den 31. Mai, diesen Vorschlägen nicht zustimmen!"
Quelle und Kontaktadresse:
Deutsche Vereinigung für Datenschutz e.V. (DVD)
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