Biotechnologie: Deutschland wird zum Nachzügler
(Köln) - Die Biotech-Branche gehört weltweit zu den Hoffnungsträgern sie soll als Wachstums- und Innovationsmotor die etablierte Informationstechnologie ablösen. Der prognostizierte Wachstumsschub droht jedoch an Deutschland vorbeizugehen, auch weil die Bundesregierung der Branche in vielen Bereichen Steine in den Weg legt.
Ob Großstädte mit forschungsstarken Universitäten wie München und Dresden oder eine Kleinstadt wie Teterow in Mecklenburg: Alle wollen vom Biotech-Kuchen etwas abbekommen und investieren in entsprechende Ansiedlungen ohne sich dabei unbedingt in die Quere zu kommen. Denn durch die Breite der Anwendungsgebiete, die von der Landwirtschaft über die Medizin bis zur Chemischen Industrie reicht, gibt es geeignete Spezialisierungsfelder für mehrere Biotech-Zentren selbst wenn sie in unmittelbarer Nachbarschaft zueinander liegen sollten. Ende der neunziger Jahre haben die Gründer in Deutschland hier der internationalen Konkurrenz durchaus Paroli geboten.
Doch nicht alle Bäume sind zuletzt in den Himmel gewachsen in vielen Laborräumen der deutschen Biotech-Metropolen München und Berlin herrscht Friedhofsruhe. Das Geld aus dem New-Economy-Boom vor drei Jahren ist aufgebraucht; Insolvenzen und Personalabbau bestimmen das Bild.
So nimmt die Zahl der kleinen und mittleren Biotech-Unternehmen mit bis zu 500 Beschäftigten in Deutschland nicht weiter zu im Gegenteil: Im vergangenen Jahr musste jede hundertste Firma ihre Tore schließen; 7 Prozent der Beschäftigten verloren ihre Jobs. Dass es auch anders geht, zeigen die Briten, bei denen die Zahl der Firmen im Jahr 2002 um 7 Prozent zulegte.
Vergleicht man überdies unabhängig von der Unternehmensgröße die Umsätze in der Branche, spielen die britischen Biotechnologen ohnehin in einer anderen Liga: Dort nehmen die Unternehmen im Schnitt gleich viermal so viel ein wie in Deutschland. Schlimmer noch:
Während die Branche 2002 weltweit um 15 Prozent auf einen Umsatz von 44 Milliarden Euro expandierte, rutschte die deutsche Biotech-Industrie mit einem 3-prozentigen Umsatzrückgang auf zuletzt 1 Milliarde Euro in die Krise.
Und so fragen sich inzwischen Experten landauf, landab, ob die Branche in Deutschland überhaupt das Zeug zu einer Schlüsselindustrie hat. Denn zum einen haben viele Start-ups große Schwierigkeiten, ihre Ideen in marktfähige Produkte umzusetzen. Zum anderen sind die meisten erfolgreichen Biotech-Firmen bislang klein geblieben.
Es fehlt nicht nur allenthalben an Marketingstrategien und Geld. Auch politisch bläst der Branche der Wind ins Gesicht. Obwohl die Gentechnik im Rahmen der medizinischen Forschung und im Nahrungsmittelbereich nur ein Teilbereich der Biotechnologie ist, belastet sie deren Image im genkritischen Deutschland.
Renate Künast, die Ministerin für Ernährung und Verbraucherschutz, müht sich nach Kräften, Genfood in Deutschland zu verhindern. EU-Richtlinien beispielsweise zu Freilandversuchen und Patentschutz werden verzögert oder mit nationalen Zusatzauflagen umgesetzt. Und weil in dieser aufgeheizten Atmosphäre niemand genau weiß, worauf sich die Regierung als Nächstes einschießt, machen ausländische Investoren lieber einen Bogen um Deutschland und deutsche Unternehmen verlagern Forschungskapazitäten zunehmend ins Ausland.
Auch im Medizinbereich steht es nicht zum Besten. Im europäischen Vergleich ist Deutschland spürbar hinter Großbritannien und die Schweiz zurückgefallen. Auf der Insel befinden sich 194 neue Produkte aus biotechnischen Verfahren in der klinischen Erprobung und bei den Eidgenossen immerhin 79 hierzulande nach Zahlen der Deutschen Industrievereinigung Biotechnologie gerade mal 15.
In einem Vergleich zur internationalen Position Deutschlands in den zehn für die Zukunft wichtigsten Industriesparten beurteilt der Verband Deutscher Ingenieure die Aussichten von Biotech hierzulande denn auch negativ: Während in drei Fällen das Prädikat führend vergeben wurde Optik, Klimaschutz, Nachhaltigkeit , wird allein der Biotechnologie eine Verschlechterung der Konkurrenzfähigkeit attestiert.
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